Wirtschaftsnobelpreis: Wofür die Preisträger ausgezeichnet werden

Interview

Wirtschaftsnobelpreis:Ökonom: Auszeichnung "überfällig" - und dennoch überraschend

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Der Ökonom Rüdiger Bachmann erklärt im Interview, wofür die diesjährigen Wirtschaftsnobelpreisträger ausgezeichnet werden - und welche Signale das Komitee damit in die Welt sendet.

Die Bekanntgabe des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 2025 in Stockholm.

Der Nobelpreis für Wirtschaft geht in diesem Jahr an Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt - sie forschen zu technischer Innovation und nachhaltigem Wirtschaftswachstum.

13.10.2025 | 0:17 min

ZDFheute: Professor Bachmann, Sie hatten sich ja im Vorfeld mit den möglichen Preisträgern beschäftigt, war die heutige Entscheidung eine Überraschung für Sie?

Rüdiger Bachmann: Die Einzelpersonen, Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt sicherlich nicht. Alle drei wurden schon lange als Nobelpreiskandidaten gehandelt. Der Preis an diese drei ist sicherlich überfällig.

Was mich dann doch etwas überrascht hat, war die Kombination der drei in einem Jahr zu einem Preis. Auf den ersten Blick passt das nicht offensichtlich zusammen, denn Mokyr ist ein Wirtschaftshistoriker, während Aghion und Howitt Makroökonomen sind, die den Preis hauptsächlich für ihre mathematisch-modelltheoretische Arbeit bekommen haben.

Auf den zweiten Blick passt die Kombination aber sehr gut zusammen, und zwar durch das Thema: Wie hängen Innovationen und vor allem dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum zusammen?

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13.10.2025 | 1:07 min

ZDFheute: Was sind die besonderen Verdienste der Preisträger?

Bachmann: Joel Mokyr hat durch seine wirtschaftshistorischen Arbeiten gezeigt, wie spektakulär die industrielle Revolution in Großbritannien für die Menschheitsgeschichte war. Denn vorher gab es zwar auch technische Innovationen, aber es entstand aus ihnen kein nachhaltiges Wachstum. Vor der industriellen Revolution war die Menschheitsgeschichte durch lange Phasen der Stagnation oder nur schwachen Wachstums gekennzeichnet.

Rüdiger Bachmann
Quelle: Rüdiger Bachmann

... ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Michigan in Ann Arbor, USA.


Seine Erklärung: Die europäische Aufklärung hat die Institutionen dafür geschaffen, dass Makroinnovationen, also wissenschaftliche Durchbrüche, gut mit Mikroinnovationen, also dem was vor Ort in der Werkstatt und in den Fabriken an Produkt- und Verfahrensverbesserungen geschieht, verflochten werden kann und sich in einem positiven Kreislauf sogar gegenseitig verstärkt. Er zeigt außerdem, wie politische Akteure schon in der Geschichte Innovationen immer wieder zu verhindern versuchten.

Aghion und Howitt arbeiten dagegen ganz anders, und zwar mit ökonomischen Modellen. Sie bringen letztlich die alte Idee der Kreativen Zerstörung des Ökonomen Joseph Schumpeter in ein mathematisches Modell, das es uns aber sehr viel genauer erlaubt, die Mechanismen hinter der Innovation zu verstehen: Es braucht dazu nämlich temporäre Monopolgewinne, damit Innovatoren auch etwas von ihren Innovationen haben.

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Man denke etwa an die Riesengewinne von Biontech. Aber diese Monopolgewinne dürfen gerade nicht dazu führen, dass sie selbst dann nicht mehr durch wieder neue Innovationen abgelöst werden können.

ZDFheute: Was zeichnet die Preisträger aus?

Bachmann: Das Spannende an Mokyr ist, wie er in die Archive geht und seine Ideen quantitativ belegt, zum Beispiel indem er sich die Entwicklung von wissenschaftlichen und technischen Journalen anschaut. Das Modell von Aghion und Howitt hat eine riesige empirische und theoretische Literatur zu Patenten nach sich gezogen, die ja gerade diese temporären Monopolgewinne für Innovatoren sichern sollen, aber eben nicht zu lange.

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ZDFheute: Welche Bedeutung hat die Forschung der Preisträger für die Allgemeinheit? Wie lässt sich ihre Forschung in der Praxis anwenden?

Bachmann: Kluge Patentpolitik kombiniert mit harter Wettbewerbspolitik und, sozialpolitisch, sogenannten Flexicurity-Systemen, wie es sie etwa in Skandinavien gibt, wo man als Arbeitnehmer einen geringen Kündigungsschutz genießt, aber eine hohe soziale Absicherung, sind zentral für nachhaltiges Wachstum. Von Joel Mokyr kann man lernen, dass nachhaltiges Wachstum nichts Selbstverständliches ist: Es basiert auf gesellschaftlichen Voraussetzungen, die eine Gesellschaft auch verlieren kann.

ZDFheute: Welches Signal sendet das Nobelpreiskomitee mit der Wahl dieser Preisträger aus?

Bachmann: Ich würde sagen, es gab hier einen Wink mit dem Zaunpfahl in zwei Richtungen: Einerseits in die Trump-USA mit ihrer aggressiven Antiforschungspolitik und ihrer Politik der Marktschließung, die ja im Sinne von Aghion und Howitt Anreize für Innovatoren verringert.

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Andererseits aber auch an Europa, das zwar wie in der Antike und in der frühen Neuzeit immer noch für hervorragende wissenschaftliche Fortschritte sorgt, das aber oftmals diese anders als die USA und China nicht in marktreife Produkte und damit wirtschaftliches, heute auch grünes Wachstum umsetzen kann.

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Das Interview führte Stephanie Barrett aus der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen.

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