Was sich bei Spotify und Co. ändern soll:Herbert Grönemeyer: Streamingindustrie "zerstört Existenzen"
von Karsten Gravert
Die Musikindustrie boomt. Während Streamingplattformen und Plattenfirmen kräftig verdienen, bleibt für viele Musiker nur wenig. Was Stars wie Herbert Grönemeyer ändern wollen.
Theater, Konzerte, Museen kämpfen mit schrumpfenden Budgets. Warum brauchen wir Kultur? Wie könnten Kunst und Kultur trotz leerer Kassen künftig bestehen und wer könnte sie unterstützen?
22.12.2025 | 43:27 minHerbert Grönemeyer ist der meistgehörte deutsche Solokünstler aller Zeiten. Über 20 Millionen Tonträger hat er im Laufe seiner Karriere verkauft. Aber die Zeiten von physischen Tonträgern wie CDs neigen sich dem Ende entgegen.
Herbert Grönemeyer ist der meistgehörte deutsche Solokünstler. Trotzdem könnte er nur von den Einnahmen von Spotify und anderen Musikstreaming-Anbietern nicht leben.
Quelle: Kobalt DocumentaryWenn Herbert Grönemeyer für seine neuen Alben nur mit Einnahmen von Streamingdiensten wie Spotify vergütet würde, dann wäre er nach eigenen Angaben schnell pleite. Im Interview mit WISO konstatiert Deutschlands beliebtester Popstar:
Ich müsste Insolvenz anmelden, ich könnte meine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen.
Herbert Grönemeyer, Musiker
Und dabei gehöre er noch zu den Großverdienern. "Das ist absurd."
Spotify ist ein beliebter Anbieter um Musik zu streamen. Es gibt eine Gratisversion mit Werbung oder werbefreie Bezahlvarianten. Jetzt erhöht Spotify die Preise. Welche Alternativen gibt es?
08.10.2025 | 2:27 minMit Digitalisierung verdient Musikbranche wieder Geld
Die Digitalisierung hat die Musikbranche gründlich durcheinandergewirbelt. Die gute Nachricht: Es wird wieder Geld verdient. Der große Umsatzeinbruch nach dem Niedergang der CD ist überwunden.
Streamingdienste haben ein System entwickelt, in dem Musikhörende für Musik bezahlen, ohne sie zu besitzen. Für 13 Euro Abogebühr erhält man zum Beispiel auf Spotify Zugriff auf über 100 Millionen Songs. Ein Win-Win für Verbraucher*innen und Industrie, denn früher zahlte man in der Regel mehr als 13 Euro für ein einziges Album.
Seit sechs Jahren wachsen die Einnahmen der deutschen Musikindustrie kontinuierlich. 2024 wurden fast 2,4 Milliarden Euro durch Musikverkäufe eingenommen - ein Plus gegenüber dem Vorjahr um 7,8 Prozent.
Geld kommt kaum bei Musikern an
Aber es gibt ein Problem: Das Geld komme kaum bei den Musiker*innen an, sagt Herbert Grönemeyer: "Die Plattenindustrie und die Streamingindustrie haben die goldene Box erfunden. Ein System, das Künstler zerstört, das Existenzen zerstört."
Der Hauptvorwurf: Streaming-Anbieter und die großen Label hätten untereinander Verträge geschlossen, die für die eigentlichen Urheber der Musik, die Musiker*innen , nicht einsehbar sind. Am Ende bleibe das meiste Geld bei den Streaminganbietern und den Plattenbossen. Die große Masse der Künstler*innen kann nicht vom Verkauf ihrer Musik leben.
Wie zum Beispiel Balbina. Die Berlinerin macht melancholische, aufwändig produzierte deutschsprachige Popmusik und steht öfter mit dem Filmorchester Babelsberg auf der Bühne. Auch mit Herbert Grönemeyer hat sie schon zusammengearbeitet. Auf Spotify hat sie im Schnitt 20.000 monatliche Hörer*innen.
Der Chatbot ChatGPT von OpenAI wurde auch mit geschützten Inhalten wie Liedtexten trainiert. Das verstößt gegen das Urheberrecht, meint die Gema und hat dagegen erfolgreich geklagt.
11.11.2025 | 1:30 minVermutung: Weniger Alben, weil das Geld nicht reicht
Aber auf die Frage, ob sie von ihrer Musik leben könne, antwortet sie trocken: "Das wäre ein große Kunst, von 350 Euro im Jahr zu leben". Um über die Runden zu kommen, spielt sie viel live. Und denkt sich immer neue Produkte aus.
Dass die Musikschaffenden so wenig von den Streamingeinnahmen abbekämen, sei nicht nur ein Problem für sie selbst: Es sei ein Problem für alle Musikfans, die sich schon auf das nächste Album ihrer Lieblingsband freuen. "Ich kann nur sagen: Die meisten nächsten Alben werden nicht kommen. Weil man sie einfach nicht finanzieren kann", sagt Balbina, die auch Gründungsmitglied der Akademie für Populäre Musik und dem musikpolitischen Forum Polyton ist.
Rückendeckung von Kulturstaatsminister Weimer
Die Musiker*innen bekommen nun Rückendeckung aus dem Bundeskanzleramt. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer erklärte bei einem "Popmusikgipfel", bei dem neben Grönemeyer und Balbina auch Peter Maffay, Annet Louisan und Christopher Annen von AnnenMayKantereit teilnahmen:
Wir haben hier ein Problem. So können wir das nicht laufen lassen.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
Er forderte Transparenz von Streaminganbietern und Labels - und drohte mit einem Eingreifen des Gesetzgebers, falls sich das Problem nicht an einem Runden Tisch mit allen Beteiligten lösen lässt.
Passend zum Jahresrückblick hat Spotify auch seine Jahrescharts veröffentlicht. An der deutschen Spitze steht Zartmann mit "Tau mich auf".
03.12.2025 | 0:28 minSpotify: Kein Einfluss auf Bezahlung der Künstler
Was sagt Spotify zu der Kritik an der geringen Entlohnung der Künstler*innen? Auf Anfrage des ZDF verwies eine Spotify-Sprecherin darauf, dass die Plattform keinen Einfluss darauf habe, wie das jeweilige Plattenlabel die Einnahmen an ihre Musiker*innen verteilt. Die Gesamtsumme der Auszahlungen steige allerdings: "2024 beliefen sich die Spotify-Lizenzzahlungen an Künstler*innen aus Deutschland auf über 480 Millionen Euro, was einem Wachstum von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht."
Der Grund, dass Musiker*innen wie Balbina so wenig durch Streaming verdienen, liegt nicht nur an den Verträgen von Streamingdiensten und der Plattenindustrie. Sondern auch am System der Verteilung selbst.
Verteilungssysteme in der Musikbranche
Im Moment gilt das "Pro Rata"-System. Das heißt: Die gesamten Abozahlungen der User kommen in einen großen Topf, um dann an die Künstler verteilt zu werden: Wer am häufigsten gestreamt wird, bekommt auch am meisten Geld.
Herbert Grönemeyer beschreibt das System so: "User Centric würde bedeutet, dass nur die Künstler, die ich höre, auch mein Geld kriegen." Das würde einen Umverteilung unter Musiker*innen bedeuten. Mainstream-Acts wie Taylor Swift oder Latino-Musiker Bad Bunny, die die Spotify-Rankings anführen, würden weniger bekommen. Andere Musiker, die eher einen ausgewählten Geschmack bedienen, würden mehr Geld erhalten.
Eine Umstellung von "Pro Rata" auf "User Centric" würde zu einer Umverteilung unter Musiker*innen führen. Mainstream-Acts wie Taylor Swift oder der Latino-Musiker Bad Bunny würden weniger verdienen. Musiker*innen wie Balbina, die eher einen besonderen Geschmack bedienen, würden mehr Geld abbekommen. Der Grund dafür ist das unterschiedliche Hörverhalten der Fans. Der typische Swift-Fan ist jung und hört seine Lieblingsmusik mehrmals am Tag. Dadurch entstehen viele Streams. Der typische Balbina-Fan ist erwachsen und hört eher wenig Musik in seinem Alltag - dafür aber gezielt. Mit der Konsequenz, dass relativ wenige Streams entstehen. Weil bei "User Centric" nicht mehr jeder einzelne Stream zählt, würden Künstler*innen wie Balbina also mehr erhalten.
Spotify will Umstellung der gesamten Musikbranche
Wieviel mehr Geld bei den Künstler*innen durch das "User Centric"-System ankomme, sei schwierig zu sagen, meint Balbina, "Aber ich denke schon, dass zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Tausend Euro im Monat möglich wären für den Mittelbau der Künstler, zu denen ich gehöre."
Country-Sänger Breaking Rust generiert monatlich 2,9 Millionen Spotify-Streams. Hinter der rauchigen Stimme steckt jedoch kein echter Sänger, sondern Künstliche Intelligenz.
09.12.2025 | 1:09 minOb sich eine Umstellung auf User Centric Payment wirklich so massiv auswirken würde, scheint einer Studie von PRO Musik zufolge allerdings fraglich. Spotify wehrt sich nicht grundsätzlich gegen eine Umstellung von "Pro Rata" auf "User Centric", auch wenn das mehr technischen Aufwand bedeuten würde. Aber man will auch keinen Alleingang: "Entscheidend ist daher weniger die technische Machbarkeit als die Frage, welches Modell von der gesamten Branche getragen wird."
Wer jetzt schon als Fan seine Lieblingsbands unterstützen möchte, der sollte sie nicht nur auf Streamingportalen konsumieren. Sondern Alben kaufen, auf Konzerte gehen und - wenn das Geld dafür reicht - am Merchandising-Stand noch ein T-Shirt mitnehmen.
Herrscher und Regime benutzten Musik immer wieder für ihre Zwecke: bei den Legionen der Römer, Napoleons Armee oder im Vietnamkrieg. Sie spendet auch Trost und kann therapeutischen Nutzen haben.
30.04.2025 | 43:29 minMehr zumThema Musik
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