Führungspositionen:Wenn Firmen in Krisen auf Frauen setzen
Evelyn Palla soll die Bahn auf Kurs bringen. Experten sehen ein Beispiel für die Theorie der Gläsernen Klippe - demnach erhöhen Krisen die Chance für Frauen auf Führungspositionen.
Deutsche Bahn-Chefin Evelyn Palla ist eine von vielen Frauen, die in Krisenzeiten an die Führungsspitze gelangten, sagen Experten.
Quelle: AFPHartmut Mehdorn, Rüdiger Grube, Richard Lutz - die neue Bahnchefin Evelyn Palla folgt auf eine lange Reihe von männlichen Vorstandsvorsitzenden bei der Deutschen Bahn. Sie gilt bei Experten als Beispiel für die Theorie der Gläsernen Klippe: Demnach steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Führungspositionen berufen werden, wenn Unternehmen in einer Krise stecken - sei es finanziell oder durch einen Skandal.
Die Deutsche Bahn steckt in der Krise. Evelyn Palla soll den schwierigen Job der Bahnchefin übernehmen.
22.09.2025 | 3:31 minFrauen in Führungspositionen: 50 Prozent häufiger bei Krisen
Die Chancen sind laut dem Mannheimer Betriebswirtschaftler Max Reinwald in finanziellen Krisen rund 50 Prozent höher als bei Unternehmen in stabilen Ausgangslagen. Es ist allerdings ein Anstieg auf niedrigem Niveau: Grundsätzlich liege die Chance für Frauen, in Führungspositionen berufen zu werden, bei fünf Prozent - in einer Krisensituation steige diese auf 7,6 Prozent.
Jede fünfte Vorstandsposition in DAX-Konzernen ist mittlerweile mit Frauen besetzt. Von Parität kann aber noch lange keine Rede sein.
17.12.2024 | 1:00 min"Die Bahn ist seit Jahren in der Krise. Es ist auch nicht absehbar, dass eine spürbare Besserung sehr schnell eintritt", sagt Reinwald.
Und das Verkehrsministerium war natürlich auch unter Druck und möchte zeigen: 'Okay, wir sind dran, wir ändern da was.'
Max Reinwald, Betriebswirtschaftler
Frauen als Signal der Veränderung
Hintergrund der Gläsernen Klippe ist laut Reinwald der Versuch von Unternehmen in der Krise, ein Signal zu senden, wonach sie auf Veränderung setzen - das funktioniere besonders gut bei Unternehmen, die stets männliche Chefs gehabt hätten wie die Bahn, sagt der Wissenschaftler. Laut Reinwald verstärkt sich der Effekt der Gläsernen Klippe auch mit der öffentlichen Sichtbarkeit eines Unternehmens. Je mehr mediale Aufmerksamkeit ein Unternehmen bekomme, desto stärker trete der Effekt auf.
Die Deutsche Bahn bekommt eine neue Chefin. Evelyn Palla wird die Nachfolgerin ihres Vorgängers Lutz.
22.09.2025 | 1:17 minReinwald hat mit zwei Kollegen von der Universität Konstanz nach eigenen Angaben 26.156 Wechsel in Führungspositionen börsennotierter US-Unternehmen in den Jahren 2000 bis 2016 ausgewertet. Davon betrafen zwar nur 7,4 Prozent Frauen. Aber aufgrund der hohen Gesamtzahl an ausgewerteten Wechseln, sei das Ergebnis belastbar, sagt Reinwald.
Die Hypothese, dass Konzerne lieber Frauen berufen, weil die Männer in Krisensituationen nicht gewollt hätten, hält der 36-Jährige nicht für haltbar.
Ich würde mal vermuten, dass es bei der Bahn einige Männer gegeben hat, die bereitgestanden wären.
Max Reinwald, Betriebswirtschaftler
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11.10.2022 | 42:23 minEffekt abhängig vom gesellschaftlichen Kontext
Jürgen Wegge, Arbeits- und Organisationspsychologe von der Technischen Universität Dresden, sieht das Phänomen Gläserne Klippe auch in Deutschland - allerdings abhängig vom gesellschaftlichen Kontext. Als von 2011 bis 2015 in den Medien viel über das Thema Frauenquote berichtet wurde, sei der Effekt schwächer gewesen.
Der Gedanke ist, wenn eben sehr viel über das Phänomen und Quoten und Frauen in Führungspositionen geredet wird, hat die Benennung einer Frau nicht mehr diese Signalwirkung, dass man als Organisation aus der Krise hinauswill und dafür viel ändert.
Jürgen Wegge, Arbeits- und Organisationspsychologe, TU Dresden
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04.03.2025 | 2:19 minKritik: Corona-Krise zeigte entgegengesetzten Trend
Nicht alle Fachleute stützen die Theorie der Gläsernen Klippe. Die gemeinnützige Allbright-Stiftung spricht von einem entgegengesetzten Trend in der Krise: "Statistisch gesehen wird in der Krise vermehrt auf Führungskräfte gesetzt, die dem traditionellen Muster entsprechen: männlich, Mitte 50, westdeutsch, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur", sagt Geschäftsführerin Wiebke Ankersen. In der Corona-Krise 2020 sei der Frauenanteil in den Vorständen der 40 Dax-Unternehmen zum ersten Mal in der Geschichte gesunken.
Die Theorie der Gläsernen Klippe existiert seit 20 Jahren. Laut Reinwald gibt es keine klaren Erkenntnisse dazu, wie die Chefinnen in Krisensituationen letztlich abgeschnitten hätten. Allerdings: Es gebe Studien, die zeigten, dass diese Frauen deutlich kürzer im Amt blieben als Männer. Und: "Wenn dann eine Frau sozusagen von der Gläsernen Klippe stürzt, dann folgte meistens wieder ein Mann nach."
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