Sparpläne von Union und SPD :Ökonom: Weiter-So führt "in die Katastrophe"
Steuererhöhungen oder Kürzungen im Sozialsystem? Ökonom Marcel Fratzscher erklärt, wo wirklich Spielraum im Haushalt ist - und warum Besitzstände fallen müssen.
Um Lücken im Haushalt zu schließen, brauche es verschiedene Maßnahmen, erklärt Ökonom Fratzscher. Alle Koalitionsparteien müssten dafür zu Kompromissen bereit sein.
25.08.2025 | 12:31 minDer schwarz-roten Koalition fehlen in den kommenden Jahren Milliarden. Um die Lücken im Bundeshaushalt zu schließen, setzen Union und SPD auf unterschiedliche Sparmaßnahmen: Während die Sozialdemokraten Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Reiche erwägen, will die Union Kürzungen am Sozialstaat.
Für Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, greift beides allein zu kurz. Er fordert eine mutige Steuerreform, warnt vor einem Sparen "am falschen Ende" und nennt Alternativen.
Lesen Sie hier Sie das Interview in Auszügen oder sehen Sie es oben im Video. Das sagt Ökonom Marcel Fratzscher auf die Frage, …
… wie es sein kann, dass die Regierung trotz Milliarden-Paket kein Geld hat
Das hat laut Fratzscher mehrere Gründe. Ganz allgemein schrumpfe die Wirtschaft. Grund dafür sei unter anderem der demografische Wandel. Arbeitsplätze gingen verloren.
Die Wirtschaft wächst nicht und wird auch perspektivisch nicht wachsen.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Gleichzeitig würden Sozialausgaben für Rente, Gesundheit und Pflege "explodieren". In Kombination mit steigenden Kosten für Verteidigung und Infrastruktur bedeute dies, dass man finanziell nicht mehr so weitermachen könne "wie bisher". Es brauche grundlegende Reformen.
Misstrauen, schwache Umfragewerte und offene Konflikte prägen die Koalition. Bei einer Klausur soll ein „Herbst der Reformen“ den schweren Start korrigieren.
25.08.2025 | 2:21 min… ob Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Reiche sinnvoll sind
Steuererhöhungen würden die Wirtschaft immer ein Stück weit bremsen, erklärt Fratzscher - andererseits:
Die Alternative sind mehr Schulden.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Diese könne Deutschland "nur begrenzt machen". Um die wirtschaftliche Dynamik zu stärken, sei es deshalb wichtig, eine Steuerreform anzugehen. "Es gibt kein Land der Welt, das Arbeit stärker besteuert und Vermögen gleichzeitig geringer besteuert als Deutschland", so Fratzscher.
Für 2027 droht ein 30-Milliardenloch im Haushalt. Finanzminister Klingbeils Idee dazu: höhere Steuern für Spitzenverdiener. Beim Koalitionspartner will man davon nichts wissen.
21.08.2025 | 2:43 minWürde die Erbschaftsteuer für Immobilien beispielsweise reformiert, könne das laut Fratzscher zu mehr Steuereinnahmen in Höhe von bis zu 120 Milliarden Euro führen. In Frankreich, Großbritannien und den USA seien entsprechende Regeln bereits in Kraft - ohne dass die Wirtschaft darunter leide.
… wie viel Sparpotential es bei Sozialleistungen gibt
Bei der gesetzlichen Rente sieht Fratzscher "perspektivisch etwas Spielraum" für Einsparungen. Anders sei dies beim Bürgergeld oder der Unterstützung von Geflüchteten.
Wir müssen uns bewusst sein, dass wir uns damit ins eigene Knie schießen.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Bei der Integration von Geflüchteten oder bei Bildungschancen für Kinder und Jugendliche würde Deutschland hier seiner Meinung "am falschen Ende" sparen - mit langfristigen Folgen. Der wirtschaftliche Schaden sei dann größer als der Nutzen.
Die Sozialsysteme effizienter zu gestalten, sei dennoch sinnvoll. "Man kann hier sicherlich ein paar Milliarden Euro einsparen", erklärt der Ökonom. In der Größenordnung, von der die Union spricht, sei das aber im Bereich der Sozialleistungen nicht möglich.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages berät über mehrere Gesetzesentwürfe u.a. zum Sondervermögen. Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses Paus äußerte sich im Morgenmagazin.
25.08.2025 | 0:49 minCSU-Chef Markus Söder hatte am Sonntag gesagt, Einsparungen sehe er vor allem beim Bürgergeld und beim Heizungsgesetz, aber auch bei der Entwicklungshilfe. Insgesamt kämen so rund 20 Milliarden Euro Einsparpotenzial zustande.
Fratzscher nennt dies eine "reine Fantasie vom bayerischen Ministerpräsidenten". Mit den tatsächlichen Einsparungen könne nur ein Bruchteil der Lücken im Haushalt geschlossen werden.
… welche alternativen Spar-Möglichkeiten er sieht
Für effektiver hält Fratzscher zum einen eine höhere Besteuerung von großen passiven Vermögen wie Immobilien, Grundstücken oder Erbschaften. Zum anderen spricht er sich für weniger Subventionen aus - etwa für klimaschädliche Energieträger.
Da werden sich die Lobbyinteressen sehr stark wehren, aber uns wird perspektivisch keine andere Wahl bleiben.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Trotzdem brauche die Bundesregierung den Mut, "mit alten Besitzständen zu brechen". Je länger man mit Reformen warte, glaubt Fratzscher, desto schwieriger und wirtschaftlich schädlicher werde es.
Man muss sich ehrlich machen, ein Weiter-So wird in die Katastrophe führen.
Marcel Fratzscher, Ökonom
Das Interview führte ZDF-Moderator Philip Wortmann für ZDFheute live. Zusammengefasst haben es die ZDF-Redakteurinnen Merit Tschurer und Malena Menke.
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