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Engpässe bei seltenen Erden:Deutsche Industrie schlägt Alarm
von Anne Sophie Feil
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Ohne China geht kaum etwas. Fast alle Magneten in deutschen E-Autos kommen aus der Volksrepublik. Nun droht der Nachschub zu stocken.
Durch die neuen Exportauflagen Chinas drohen in Deutschland Lieferengpässe bei seltenen Erden.
Quelle: dpa
Was kaum jemand weiß: In einem konventionellen Auto stecken bis zu 100 Magnete. In einem modernen Elektroauto können es mehr als doppelt so viele sein. Sie stecken in den zahlreichen Elektromotoren, die in solchen Autos verbaut sind. Etwa für Fensterheber, Sitzverstellung, Lüftung, Scheibenwischer. In diesen Magneten wiederum stecken seltene Erden. Und sie stammen fast vollständig aus China.
Doch seit dem 4. April 2025 hat Peking den Export schwerer seltener Erden eingeschränkt - mit spürbaren Folgen für die Industrie. Der europäische Automobilzulieferverband CLEPA meldet erste Stillstände, der deutsche Branchenverband VDA warnt vor weitreichenden Produktionsausfällen.
Warum die Lage so ernst ist
Seltene Erden sind zentral für die Elektromobilität. Sie sind essenziell für die Permanentmagneten von E-Motoren, Windrädern oder Rüstungstechnik. Das Problem: Die europäische Industrie ist hochgradig abhängig von China.
Laut der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS hat China einen Marktanteil von 60 Prozent beim Abbau seltener Erden. Bei der Verarbeitung sind es sogar rund 90 Prozent.
Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, darunter Neodym, Dysprosium oder Terbium, die vor allem für Hochtechnologie unverzichtbar sind. Sie werden unter anderem in Permanentmagneten für Elektromotoren, Windräder, Smartphones, Sensoren und Rüstungstechnik eingesetzt. Trotz ihres Namens sind sie geologisch nicht extrem selten, aber ihre Gewinnung ist technisch aufwendig und oft umweltschädlich. China dominiert den Weltmarkt sowohl beim Abbau als auch bei der Verarbeitung. Wegen ihrer strategischen Bedeutung gelten sie als "kritische Rohstoffe" für Europas Industrie.
Chinas neue Exportauflagen sorgen für Lieferengpässe
Seit April gelten neue Exportauflagen der chinesischen Regierung für sieben dieser Elemente. Wer exportieren will, muss nun aufwendige Lizenzen beantragen und dabei sensible Konstruktionsdaten offenlegen. Nur ein Bruchteil der Anträge wird bisher genehmigt. Die Folge: Lieferengpässe, steigende Preise - und leergefegte Lager.
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Neue Minen zu erschließen, dauert oft über ein Jahrzehnt, industrielle Verarbeitungsanlagen sind außerhalb Chinas kaum vorhanden. Rohstoffhändler sprechen bereits von einem "trockenen Markt".
Unternehmen prüfen Alternativen
Mercedes-Benz versucht, weniger seltene Erden einzusetzen und prüft alternative Lieferketten. Noch sieht der Konzern keine direkten Produktionseinschränkungen. Genau wie Mercedes-Benz ist Bosch über Zulieferer betroffen und beobachtet die Lage in enger Zusammenarbeit mit seinen Partnern.
Der Autozulieferer ZF sieht sich bereits mit Engpässen bei Lieferanten konfrontiert. Auch er bezieht Rohstoffe nicht primär selbst. Allerdings benötigt das Unternehmen Komponenten, zu deren Herstellung seltene Erden benötigt werden. Die Friedrichshafener beobachten bereits erste Auswirkungen bei ihren Lieferanten. Ein ZF-Sprecher erläutert zudem: "Wir als Zulieferer könnten auch indirekt von der Knappheit seltener Erden betroffen sein."
Wenn unsere Kunden Teile anderer Lieferanten aufgrund fehlender seltener Erden nicht geliefert bekommen und deshalb keine Fahrzeuge produzieren können, benötigen sie auch keine Teile von ZF.
Mitteilung des Automobil-Zuliferers ZF
"Mit den geringeren Produktionszahlen sinken dann Umsatz und Ergebnis bei allen Marktteilnehmern", ergänzt der Sprecher. Mittel- bis langfristig versuche man daher in Zusammenarbeit mit den Zulieferern, unabhängiger von der Belieferung mit seltenen Erden zu werden. Zum Beispiel mit einem Elektromotor, der ohne die kritischen Rohstoffe auskommt.
Auch der Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle stuft die Situation als "hoch kritisch" ein. Trotz noch vorhandener Lagerbestände drohen Unterbrechungen. Auch Mahle entwickelt neue Technologien, um sich unabhängiger zu machen.
Engpässe bleiben strukturell
"Die Versorgungslage ist weiterhin kritisch", bestätigt das Fraunhofer IWKS. Deutschland sei bei der Magnetproduktion "fast vollständig" von China abhängig. Recycling werde zwar ausgebaut, könne aber maximal 20 Prozent des Bedarfs decken. Auch Ersatzstoffe seien meist schwerer, größer oder leistungsschwächer.
Als Alternativen nennt das Fraunhofer IWKS:
- strategische Rohstofflager
- beschleunigte Förderung in Ländern wie Australien, den USA oder Skandinavien
- langfristige Forschung an Magnetmaterialien ohne seltene Erden.
Wege aus der Abhängigkeit
Die Europäische Union will mit dem "Critical Raw Materials Act" gegensteuern: Bis 2030 sollen mindestens 10 Prozent der benötigten Rohstoffe in der EU abgebaut, 40 Prozent verarbeitet und 25 Prozent recycelt werden. Die Abhängigkeit von einzelnen Ländern soll auf maximal 65 Prozent sinken.
Doch damit der Umbau gelingt, braucht es mehr Tempo - etwa bei Genehmigungen für Minen- oder Förderprojekte. Denn ohne Alternativen zu China gerät die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie bei jeder politischen Unruhe erneut ins Wanken.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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