Braucht Deutschland eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild?

Vorbild Schweden:Braucht Deutschland eine Aktienrente?

von Karen Grass und Marie Walter

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Der jüngste Rentenstreit ist durch, doch tragfähige Lösungen für die Zukunft fehlen weiter. Länder wie Schweden sind breiter aufgestellt und setzen auf Aktien - eine gute Idee?

Aktienkurve auf schwedischer Flagge

Schweden setzt auf eine staatliche Aktienrente – erfolgreich und stabil. Kann Deutschland davon lernen? Wie das Modell funktioniert und welche Elemente unser eigenes Rentensystem retten könnten.

08.12.2025 | 3:26 min

Wer in der Stockholmer Fußgängerzone junge Leute auf die Rente anspricht, findet Antworten, die man hierzulande eher nicht erwarten würde: Statt sowas wie "Ich bekomm’ doch eh keine Rente mehr", sagt etwa die 17-jährige Rebecca: "Ich weiß nicht so viel darüber, aber ich finde unser Rentensystem ziemlich gut und fühle mich sicher".

Die Schweden setzen bei der Rente auf mehrere Säulen, unter anderem auf Aktien - und das sehen manche hier als Vorteil: "Statt nur flach auf dem Konto zu bleiben, wächst das Geld mit dem Markt", sagt Student Theodor. Und Mustafa neben ihm meint sogar: "Ich denke, es wäre sehr gut für Deutschland, sich mal inspirieren zu lassen". Von Schweden lernen, also?

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Hat Schweden die bessere Reform gemacht?

"Ja, Schweden und Deutschland haben beide zur Jahrtausendwende die Rente reformiert und Schweden hat es einfach ein bisschen smarter umgesetzt", sagt Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). So wurde dort die kapitalbasierte Säule der Rente verpflichtend gemacht. Sie kann - anders als die gleichzeitig in Deutschland eingeführte, freiwillige Riesterrente - relativ frei am Kapitalmarkt investiert werden. Geyer sagt:

Riester hier bei uns hat dagegen eine geringe Nutzerabdeckung und auch keine guten Renditen.

Johannes Geyer, DIW

  • Das schwedische Rentensystem baut auf drei Hauptsäulen auf. Die erste: Ein Umlagesystem wie in Deutschland. 16 Prozent des Einkommens gehen bei Erwerbstätigen dort hinein.
  • Ergänzt wird die Basis durch die Aktienrente, die sich in Schweden "Prämienrente" nennt: 2,5 Prozent des Einkommens gehen dort hinein.
  • Einen weit größeren Anteil an der Rente machen bei vielen aber die Betriebsrenten aus, die aufgrund breit greifender Tarifverträge von den allermeisten Firmen in Schweden angeboten werden. Vor allem Besserverdiener profitieren hiervon überdurchschnittlich.
  • Darüber hinaus können die Schweden natürlich auch noch freiwillig privat für die Rente sparen. Das wird allerdings aufgrund des Fokus auf die Prämienrente seit einigen Jahren nicht mehr staatlich gefördert.
  • Die untere Haltelinie bilden für Menschen mit geringen Rentenersparnissen eine sogenannte Garantierente und ein Wohnzuschlag.
  • Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland: In Schweden ist das Renteneinstiegsalter in gewisser Weise an die Lebenserwartung geknüpft und deshalb in den vergangenen Jahren stetig angestiegen - ab 2026 liegt das reguläre Richtalter für die volle Rentenauszahlung bei 67 - wie bei uns.
  • Die Schweden können allerdings mit Abschlägen oder Zugewinnen in einem Korridor zwischen 63 und 69 in Rente gehen.


450 Fonds stehen bei der schwedischen Aktienrente zur Wahl. Wer nichts tut, landet mit seinem Pflichtsparbetrag von 2,5 Prozent des Einkommens automatisch im staatlichen Fonds "AP7 Såfa".

Kristian Seth, Chefanalyst der schwedischen Rentenbehörde sagt: "Nur ein kleiner Prozentsatz der Versicherten trifft tatsächlich eine aktive Entscheidung - und rückblickend haben die Nichtwähler mit dem AP7 sogar eine höhere Rendite erzielt. Er hat sich sehr, sehr gut entwickelt." Auch die Rücklagen aus der umlagefinanzierten Säule der Rente werden in Schweden übrigens, anders als bei uns, am Aktienmarkt angelegt und können so Renditen erzielen.

ZDF-Korrespondentin Valerie Haller

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Auch Kritik an Schwedens Rentensystem

Doch manche hadern auch. So sagt unter anderem die junge Beschäftigte Anna bei der Straßenumfrage: "Ich finde es problematisch, dass mein Rentengeld in Dinge investiert werden kann, an die ich überhaupt nicht glaube - die können umweltschädlich sein, es kann Rüstungsindustrie sein."

Außerdem stehen immer wieder Risiken der Aktienanlage und auch blinde Flecken des schwedischen Rentensystems insgesamt in der Kritik. Von den blinden Flecken können vor allem Care-Arbeitende, Geringverdienende oder Selbstständige berichten: Die staatliche Rente ist nämlich tendenziell eher gering. Wichtige Anteile der Altersvorsorge hängen also von der einkommensgekoppelten Aktienanlage, vor allem aber von den in Schweden verbreiteten Betriebsrenten ab.

Christiane Benner | Erste Vorsitzende IG Metall

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Wer keinen Arbeitgeber mit einer solchen im Angebot hat, steht oft schlechter da, erzählt etwa der selbstständige Architekt Karl Schiller.

Ich habe keine große Hoffnung, dass ich eine gute Rente bekomme.

Karl Schiller, Architekt

Und: In Krisenzeiten bangen die Schweden teils um ihre Aktienrenten. Zuletzt machten im Herbst etwa zwei Rücklagenfonds Schlagzeilen, weil sie mit Tech-Investments ins Straucheln gerieten. Der Staat wägt jeweils ab, ob er mit Steuergeldern einspringt. Ja, die Anlagen bergen mehr Risiko, bestätigt auch Chefanalyst Kristian Seth. Doch er sagt:

Alles in allem war die Aktienrente rückblickend sehr erfolgreich, sie hat hohe Renditen erzielt und die Kapitalbasis im System gestärkt.

Kristian Seth, Chefanalyst Schwedische Rentenbehörde

So viel gibt der Bund bisher für die Rente aus

ZDFheute Infografik

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Aktienrente: Schweden als Vorbild für Deutschland?

Deshalb ist auch Johannes Geyer vom DIW überzeugt, dass eine Art verpflichtende Aktienrente für Deutschland durchaus sinnvoll wäre: "Natürlich sollte man wegen des Risikos nicht alles in die Kapitalsäule schieben", sagt er.

"Aber wenn man einen Teil da rein schiebt und Renditen erzielt, dann müssen wir in Zukunft vielleicht den Beitragssatz weniger stark erhöhen, als wenn wir rein im bisherigen Umlagesystem bleiben".

  • Die Ampel-Koalition hatte eine Idee für eine Art Aktienrente - die kam aber nicht mehr zur Umsetzung.
  • Anders als in Schweden wollte sie keine Rentenbeiträge anlegen, sondern sie wollte von staatlicher Seite Kredite aufnehmen, die Gelder anlegen und die daraus erzielten Renditen nutzen, um Beitragserhöhungen im Rentensystem abzufedern.
  • Diese Option empfiehlt etwa DIW-Fachmann Johannes Geyer aktuell nicht mehr: Denn die Kosten für die staatliche Kreditaufnahme seien durch gestiegene Zinsen und gestiegene Staatsverschuldung mit der Aktienanlage nicht mehr so leicht wieder hereinzuholen wie vor einigen Jahren.
  • Ein anderer neuer Vorstoß kam Anfang Dezember aus dem Bundesfinanzministerium: Es hat einen Vorschlag für eine Reform der privaten Riesterrente gemacht, die künftig durch ein "Altersvorsorgedepot" ersetzt werden solle.
  • Über das Depot sollen anders als bisher bei Riester auch Anlagen ohne garantierte Verzinsung möglich werden, sprich: Anlagen mit mehr Risiko, dafür aber potenziell auch höherer Rendite - so zumindest das Kalkül.


Über dieses Thema berichtete ZDF WISO am 08.12.2025 um 19:25 Uhr.

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