Heysel-Katastrophe schockt Fußball-Welt vor 40 Jahren

Vor 40 Jahren im Brüsseler Stadion:Wie die Heysel-Katastrophe die Sport-Welt schockte

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Es war kurz vor dem Europapokal-Endspiel der Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool. Vor 40 Jahren starben bei Krawallen im Brüsseler Heyselstadion 39 Menschen.

Verlassener Fanblock, in dem die Tragödie stattfand.
Die Ruhe nach dem Sturm. Bei der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion finden 39 Menschen den Tod.
Quelle: picture alliance / SZ Photo

Der 29. Mai 1985 markiert einen der schwärzesten Tage in der Geschichte des europäischen Fußballs. Bei der Heysel-Katastrophe vor dem Endspiel um den Europapokal der Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool in Brüssel finden 39 Menschen bei schweren Krawallen den Tod. Nun jährt sich die Tragödie, die den Sport in einen Schockzustand versetzte, zum 40. Mal.

Platini: "Wahrheit wurde uns verschwiegen"

Frankreichs Superstar Michel Platini war damals der Taktgeber im Team von Juve - und erinnert sich mit Unbehagen an jenen Tag, der auch sein Leben verändern sollte. "Uns Spielern wurde die Wahrheit ja verschwiegen", sagte der frühere UEFA-Präsident über die Umstände, weshalb die Partie mit rund 90 Minuten Verspätung trotzdem angepfiffen wurde: "Uns wurde von zwei, drei Toten erzählt. Wir mussten uns in der Kabine nur warm halten."
Tatsächlich aber waren es 39 Tote: 32 Italiener, vier Belgier, zwei Franzosen, ein Ire, dazu noch weitere 454 Verletzte. Doch wie konnte es dazu kommen? Schon mittags hatten sich Liverpool-Fans in der Stadt betrunken und randaliert. Im Stadion selbst eröffneten dann Juve-Anhänger mit Steinwürfen und Leuchtraketen. Auch Liverpooler griffen zu losen Steinen aus dem Gemäuer, zündeten Bengalos.

Liverpool-Anhänger stürmen Block mit Juve-Fans

In Heysel geschah dann, was niemals hätte passieren dürfen. Juve-Anhänger provozierten aus dem Nachbarblock der Liverpooler - obwohl der Block eigentlich für neutrale Fans reserviert war. Doch ein italienisches Reisebüro hatte einen UEFA-Funktionär bestochen und die Tickets an Juve-Fans verkauft.
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Gegen 19:45 Uhr stürmten dann englische Hooligans über einen dünnen Maschendrahtzaun hinweg in den ungesicherten Nachbarblock. Die Handvoll Polizisten und die damals überwiegend ehrenamtlichen Ordner waren von dem Hass und der Gewalt überfordert. Das ZDF brach, ebenso wie viele andere Sender, die Übertragung noch vor dem Anpfiff ab.

Eine brüchige Mauer erweist sich als Falle

Als Falle entpuppte sich eine brüchige Mauer am anderen Ende des Blocks. Sie ließ Schutzsuchende in die Tiefe stürzen und Flüchtende begraben. Ohne die spontane Öffnung der damals noch verschlossenen Zugänge zum Spielfeld, wo die ersten Verletzten behandelt werden konnten und die Sanitäts-Fahrzeuge Zugang hatten, wäre alles noch viel schlimmer geworden.
"Wenn Leute in ein Stadion kommen, um dich zu sehen, und sie nie wieder nach Hause gehen, tut das weh. Dafür spielt man nicht Fußball", sagte Platini im Gespräch mit dem französischen Hörfunksender Europe 1 - betonte aber mit Nachdruck:

Man musste unbedingt spielen. Man musste aus anderen Gründen spielen, um die Öffentlichkeit zu schützen. Es wäre ein Bürgerkrieg in der Stadt Brüssel gewesen.

Michel Platini, damals Siegtorschütze bei Juves 1:0-Sieg

Auf dem Platz verwandelte Platini in der 56. Minute einen Strafstoß zum 1:0-Sieg von Juventus. "Ich habe mich gefragt, ob ich den Elfmeter schießen soll", sagte der heute 69-Jährige: "Ich habe mich dazu entschlossen, um den Italienern in all der Trauer vielleicht ein wenig Freude zu schenken." Doch nur 30 Sekunden später habe er seine Entscheidung "schon bedauert".

Fünf Jahre Sperre für englische Klubs

Die Konsequenzen der Tragödie waren vor allem für englische Klubs weitreichend. So wurden nach der Katastrophe alle Vereine aus England für fünf Jahre von europäischen Wettbewerben ausgeschlossen, Liverpool gar für sieben. 26 englische Fans wurden zu Haftstrafen verurteilt. Auch der belgische Verband und Juventus Turin wurden mit Strafen belegt.
Nach der Heysel-Katastrophe wurde die Brüsseler Arena neu gebaut und am 23. August 1995 mit dem Spiel Belgien gegen Deutschland (1:2) als König-Baudouin-Stadion wiedereröffnet. Auf der Tribünen-Rückseite erinnert eine Gedenktafel an die Tragödie; am 29. Mai wird es ein neues Denkmal geben: eine 60 Quadratmeter große "Sonnenuhr"-Skulptur.

  • Im April 1902 gab es beim Länderspiel Schottland gegen England in Glasgow 25 Tote und mehr als 500 Verletzte, als eine neu gebaute Tribüne einstürzte.
  • Eine Massenpanik in Lima beim Qualifikationsspiel Peru-Argentinien kostete am 24. Mai 1964 rund 350 Menschenleben und 500 Verletzte.
  • Nach Ausschreitungen um ein umstrittenes Tor bei einem Lokalderby im türkischen Kayseri am 17. September 1967 gab es 43 Tote und 600 Verletzte.
  • Nur neun Monate später im argentinischen Buenos Aires bei einer Panik nach Spielende gar 74 Tote.
  • Massenpaniken waren die Ursachen für je 50 bis 66 Tote 1971 beim Lokalderby im schottischen Glasgow, 1974 in Kairo und 1982 bei einem Europacup-Spiel in Moskau.
  • Nur zwei Wochen vor der Katastrophe von Heysel brannte im Mai 1985 im englischen Bradford eine Holztribüne ab (56 Tote, 265 Verletzte).
  • 1988 sorgte ein Hagelsturm für eine Massenpanik in Kathmandu/Nepal (93 Tote, 100 Verletzte).
  • Im April 1989, nur vier Jahre nach Heysel, war es wieder ein Spiel des FC Liverpool, das in Sheffield-Hillsborough auf einer überfüllten Stehplatztribüne 97 Menschenleben und 766 Verletzte kostete.
  • Kurz hintereinander zwei Katastrophen des Jahres 1996: Im libyschen Tripolis kam es nach einer Schiedsrichterentscheidung zu Massenausschreitungen und Schießereien zwischen Anhängern des Gaddafi-Regimes und Regierungsgegnern (70 Tote). Und in Guatemala-Stadt gab es bei einem Länderspiel gegen Costa Rica auf überfüllter Tribüne 84 Tote.
  • Im Mai 2001 sorgte überzogener Polizeieinsatz in Accra/Ghana für eine Panik mit 126 Toten und 150 Verletzten.
  • Das Gleiche im indonesischen Kepanjen im Oktober 2022 mit 135 Toten und mindestens 580 Verletzten.
  • Im ägyptischen Port Said forderten 2023 gewalttätige Ausschreitungen 74 Tote; etwa 1.000 Menschen wurden verletzt.

Quelle: KNA

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Quelle: Reuters

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Quelle: SID, KNA

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