SPD-Parteitag in Berlin: "Uns, der SPD, fehlt eine Vision"

Analyse

Parteitag im Livestream:"Uns, der SPD, fehlt eine Vision"

Andreas Huppert
von Andreas Huppert
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Auf ihrem Parteitag wählt die SPD heute Bärbel Bas zur neuen Parteichefin - und sucht ein neues Profil. In einem schonungslosen Antrag arbeitet die Partei ihre Wahlniederlage auf.

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Der Bundesparteitag der SPD findet von Freitag bis Sonntag statt - sehen Sie die Veranstaltung im phoenix-Livestream.06.05.2025
Die SPD legt auf ihrem Parteitag ungeschönt, ungeschminkt und ungewöhnlich deutlich den Finger in die Wunde, die immer noch nicht verheilt ist und schmerzt: Die mickrigen 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl, das schlechteste Ergebnis aller Zeiten für die Sozialdemokratie.
Ein Leitantrag rechnet mit den eigenen Fehlern ab. Tim Klüssendorf hat den Antrag mitverfasst. Er ist 33 Jahre alt und seit Mai kommissarischer SPD-Generalsekretär. Heute wird er offiziell gewählt. Als oberster Parteimanager hat er den Auftrag, die tief gesunkene SPD wieder für mehr Menschen wählbar zu machen.
Ungeschönt, ungeschminkt und ungewöhnlich deutlich sagt er:

Uns, der SPD, fehlt eine Vision.

Tim Klüssendorf, SPD

Rehlinger: SPD "zu Kraft und Stärke finden"
"Ich glaube, dass es gut ist, wenn nach außen die Partei geschlossen auftritt. Was nicht heißt, dass wir im Inneren nicht ringen", so Anke Rehlinger, Co-Vorsitzende der SPD und Ministerpräsidentin Saarland, zum anstehenden SPD-Parteitag.27.06.2025 | 5:47 min

SPD übt deutliche Selbstkritik

Wie könnte eine neue Vision aussehen? Dazu hat die Partei die vergangenen Wochen für eine Bestandsaufnahme genutzt. Das Ergebnis steht im Leitantrag und zeigt schonungslos:

Die Sozialdemokratie wird von zu wenigen Menschen in unserem Land als politische Kraft mit Zukunftsversprechen wahrgenommen, die Sicherheit im Wandel bietet.

Leitantrag zum SPD-Parteitag

Warum ist das so? Weil die politische Kommunikation oft zu komplex gewesen sei und die Gefühle und Lebenslagen der Menschen nicht erreicht habe, heißt es.

Oder ganz einfach: wir hatten mangelnde Präsenz in den Lebenswelten vieler Menschen - vor allem bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Leitantrag zum SPD-Parteitag

Klüssendorf sagt, die SPD müsse wieder die Partei der Arbeit werden. Es gehe schlichtweg um den historischen Markenkern der SPD: soziale Gerechtigkeit.
Dialogkonferenz zum SPD-Mitgliedervotum in Baunatal
Saskia Esken zieht sich aus der SPD-Spitze zurück, die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas soll ihr nachfolgen. 12.05.2025 | 3:02 min

Schwesig: SPD muss diese Themen besetzen

Die SPD müsse mit konkreten Lösungen und Verlässlichkeit überzeugen, so Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Die Politik müsse die Lebensrealitäten der Menschen im Mittelpunkt haben. Schwesig sagt ZDFheute:

Das sind wirtschaftlicher Aufschwung, gute Löhne, bezahlbare Energie und Wohnen, stabile Renten, Respekt vor dem Geleisteten - allesamt keine abstrakten Themen, sondern konkrete Erwartungen der Menschen.

Manuela Schwesig, SPD

Vertrauen habe die SPD nicht über Nacht verloren, so Schwesig. Es müsse jetzt Schritt für Schritt zurückgewonnen werden. "Durch volle Konzentration auf eine starke Wirtschaft mit guter Arbeit und die Sicherung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft."
SGS Klingbeil
Finanzminister Klingbeil verteidigt die Rekordneuverschuldung im Zuge der Haushaltsplanung. Künftigen Generationen würde etwa eine marode Infrastruktur mehr schaden, so Klingbeil.24.06.2025 | 6:53 min

Parteivorsitz: Bas soll auf Esken folgen

Auch personell wird sich die SPD neu aufstellen. Bärbel Bas, die Arbeit- und Sozialministerin, soll neue Co-Parteivorsitzende werden. Bas löst Saskia Esken ab und bildet gemeinsam mit Lars Klingbeil die SPD-Doppelspitze.
Apropos Klingbeil: Der Vize-Kanzler macht weiter, trotz der Wahlschlappe, zieht - anders als Esken - nicht die Konsequenzen aus dem katastrophalen SPD-Wahlergebnis. Mal sehen, ob das auf dem Parteitag bei der Basis eine Rolle spielen wird.
Archiv: Lars Klingbeil
Die historische Wahlniederlage der SPD war der Beginn seines Aufstiegs, vom Parteichef zum Vizekanzler. Klingbeil ist der neue starke Mann der SPD. Sein Vorgehen ist umstritten.11.05.2025 | 3:32 min

Welche Rolle spielt das "Manifest"?

Was sicherlich Thema sein wird: die Außen- und Sicherheitspolitik, die Aufrüstung der Bundeswehr, das Thema Verteidigungsfähigkeit. Im Vorfeld hatte das "Friedenspolitische Manifest" einiger SPD-Linken für Furore gesorgt und der Vorschlag, den Gesprächsfaden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wieder aufzunehmen.
Schwesig sagt, das Thema werde in der gesamten Gesellschaft diskutiert und daher auch in der SPD.

Meine Haltung ist klar: Russland hat die Ukraine angegriffen und setzt diese Angriffe fort. An diesem Angriffskrieg gibt es nichts zu relativieren.

Manuela Schwesig, SPD

Putin müsse das Blutvergießen stoppen. "Es ist deshalb wichtig, dass wir die Ukraine weiter unterstützen und uns auch selber besser schützen. Das ist kein Widerspruch zu Diplomatie. Diplomatie und militärische Stärke gehören zusammen", so sieht Schwesig die Diskussion über das "Manifest".
Boris Pistorius vor Kameras - er äußert sich zu Manifest
Ein Manifest prominenter SPD-Politiker fordert von der Bundesregierung eine grundlegende Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik - und entfacht einen innerparteilichen Streit.11.06.2025 | 2:29 min

SPD berät AfD-Verbot und Wehrpflicht

Die 600 Delegierten werden auch die Frage nach einem AfD-Verbot beraten. Ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man zu einem Verbotsverfahren kommen kann? Auch das Thema Wehrpflicht wird eine Rolle spielen. Die Jusos wollen einen Antrag einbringen, der einen solchen Pflichtdienst ausschließt. Darin steht:

Forderungen nach einer Verpflichtung von jungen Menschen zum Wehrdienst oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht lehnen wir ab.

Antrag der Jusos

Ob es dafür eine Mehrheit gibt? Eher nicht! Die Mehrheit der Delegierten folgt wohl dem Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und seinem Modell für eine freiwillige Wehrpflicht.

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