Bundestag: Sichere Herkunftsstaaten im Schnellverfahren?

Experten-Anhörung zu Asylplänen:Sichere Herkunftsstaaten im Schnellverfahren?

Jan Henrich aus der ZDF-Redaktion für Recht und Justiz
von Jan Henrich
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Die schwarz-rote Koalition will die Bestimmung sicherer Herkunftsländer beschleunigen. In einem Bundestagsausschuss haben Sachverständige die Pläne unterschiedlich bewertet.

Ein Mann füllt ein Formular aus neben einem Schild vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen

Schwarz-Rot drängt auf eine schnellere Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten (Symbolfoto).

Quelle: dpa/Julian Stratenschulte, Archivbild

Grenzkontrollen, Aussetzung des Familiennachzugs, Streichung der Turbo-Einbürgerung: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich vorgenommen, beim Thema Asyl- und Migrationswende aufs Tempo zu drücken. Dazu gehören auch die Pläne, sichere Herkunftsstaaten künftig schneller und einfacher bestimmen zu können.

Im Innenausschuss des Bundestags wurden an diesem Montag Experten zu dem entsprechenden Gesetzentwurf angehört - und die haben sehr unterschiedliche Ansichten präsentiert. Einige sehen verfassungsrechtliche Risiken, andere begrüßen Entlastungen für die Gerichte.

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Koalition plant Einstufung per Rechtsverordnung

Ist ein Staat als sicherer Herkunftsstaat eingestuft, führt das zu einem vereinfachten und damit auch häufig schnellerem Asylverfahren. Aus rechtlicher Sicht wird davon ausgegangen, dass in diesen Staaten unter normalen Umständen keine Verfolgung droht.

In Deutschland gelten derzeit folgende Länder als sichere Herkunftsstaaten:

  • die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
  • Albanien
  • Bosnien und Herzegowina
  • Georgien
  • Ghana
  • Kosovo
  • Nordmazedonien
  • Montenegro
  • Republik Moldau
  • Senegal
  • Serbien

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge


Laut Asylgesetz sind demnach Anträge von Menschen aus diesen Ländern als offensichtlich unbegründet abzulehnen, außer die Personen können das Gegenteil beweisen.

Bislang hatte der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates darüber entschieden, welche Staaten als sicher gelten. Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll künftig die Bundesregierung allein per Verordnung darüber entscheiden können. Zumindest bei Verfahren über die Anerkennung von Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz.

... sind Menschen, die nicht als politisch verfolgt gelten und auch keinen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen, aber trotzdem in Deutschland bleiben dürfen, weil ihm in der Heimat "ernsthafter Schaden" droht - wie Folter, Todesstrafe oder willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt.

Subsidiär Schutzberechtigte sind gegenüber nach Flüchtlingskonvention anerkannten Schutzsuchenden schlechter gestellt. Sie bekommen zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr statt für drei Jahre, die danach gegebenenfalls jeweils um zwei Jahre verlängert werden kann.

Quelle: dpa, AFP


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Verwaltungsrichter erwartet Entlastung der Gerichte

Das Innenministerium erhofft sich davon, schneller auf Flucht- und Migrationsbewegungen reagieren zu können. Theoretisch könnte es auch einfacher werden, den Kreis der Staaten deutlich zu erweitern. Das wiederum könnte Asylverfahren insgesamt beschleunigen.

Aus Sicht von Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, bestehen gegen die Pläne keine verfassungsrechtlichen Bedenken. In der Anhörung des Bundestagsausschusses betonte er zudem, dass es ein staatliches Interesse gebe, die Asylverfahren zu beschleunigen. Derzeit seien Gerichte damit erheblich belastet.

Die Bearbeitung asylgerichtlicher Verfahren bindet etwa die Hälfte der Verwaltungsrichter in Deutschland.

Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht

Sobald ein Staat als sicheres Herkunftsland eingestuft sei, könnten Verwaltungsrichter mehr Fälle in der gleichen Zeit bearbeiten, so Seegmüller.

Menschenrechtsorganisationen äußern verfassungsrechtliche Bedenken

Vorsichtiger bei der Einschätzung waren dagegen mehrere Menschenrechtsorganisationen. Wiebke Judith vom Verein Pro Asyl führte aus, dass es aus ihrer Sicht verfassungswidrig sei, bei der Einstufung den Bundesrat nicht mehr einzubinden.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland warnte, die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten würde in der Praxis zu erheblichen Einschränkungen und Problemen führen.

 Lars Klingbeil (l, SPD), Bundesminister der Finanzen, sitzt neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu Beginn der Sitzung des Kabinetts im Bundeskanzleramt.

Das Bundeskabinett hat die Reform des EU-Asylsystems auf den Weg gebracht. Darüber hinaus sind zusätzliche Verschärfungen in der Migrationspolitik geplant.

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Abschaffung von Pflichtanwälten in Abschiebehaft

Ähnlich kritisch sehen die Verbände auch eine weitere im Gesetzentwurf enthaltene Änderung. 2024 war eine Regelung in Kraft getreten, wonach Personen in Abschiebehaft stets einen Rechtsbeistand erhalten. Das soll nach den Plänen der Bundesregierung wieder abgeschafft werden.

Der Verein Pro Asyl sieht darin einen Bruch mit rechtstaatlichen Prinzipien. Wenn der Staat eine Person inhaftiere, müsse er auch die Möglichkeit sicherstellen, dies effektiv überprüfen zu lassen.

Der Gesetzesentwurf wird in den kommenden Monaten weiter im Bundestag beraten.

Jan Henrich ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

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