Bundestag entscheidet Donnerstag:Richterwahl: Im zweiten Anlauf soll es klappen
Im Wahlausschuss des Bundestags wurden die Vorschläge für das Verfassungsgericht zwar schon bestätigt. Doch am Donnerstag steht die Wahl im Plenum an. Noch sind einige Fragen offen.
Selten sorgte die Wahl von neuen Richterinnen und Richtern für das Bundesverfassungsgericht für so viel Wirbel wie in diesem Jahr. (Symbolbild)
Quelle: dpaAm späten Montagabend kam grünes Licht für den letzten der drei Wahlvorschläge. Der Richterwahlausschuss bestätigte nach einstündiger Sitzung die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Sigrid Emmenegger, mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. Noch vor zehn Jahren hätte das für die Besetzung eines Richterpostens in Karlsruhe gereicht.
Neue Kandidatin nach Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf
2015 wurde der Wahlmodus allerdings geändert. Seitdem muss auch das Plenum des Bundestages über die Personalvorschläge abstimmen. Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf wurde das im Juli zum Verhängnis. Zwischen Ausschuss und Plenarsitzung wurden die Widerstände plötzlich zu groß.
Nach der geplatzten Abstimmung über die neuen Richterinnen und Richter zog Brosius-Gersdorf schließlich im August ihre Kandidatur zurück. Im September schlug die SPD die Verwaltungsrichterin Emmenegger vor.
Im Bundestag steht diese Woche noch einmal die Besetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht auf der Tagesordnung. "Die Koalition kann es sich nicht leisten, es jetzt nicht zu schaffen", so ZDF-Korrespondentin Patricia Wiedemeyer.
22.09.2025 | 1:50 minZwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich
Für Donnerstag ist nun die Wahl der drei neuen Richterinnen und Richter im Plenum angesetzt - und Vertreter von Union und SPD geben sich zuversichtlich. Man habe "positive Signale" von den demokratischen Fraktionen im Bundestag erhalten, heißt es. Sicher sind die Mehrheiten allerdings nicht.
Sigrid Emmenegger (48) ist derzeit Richterin am Bundesverwaltungsgericht und dort insbesondere für Rechtsfragen zum Ausbau von Energieleitungen zuständig. Zuvor war sie an mehreren Verwaltungsgerichten in Rheinland-Pfalz tätig. Ihre Dissertation wurde 2006 als eines der "juristischen Bücher des Jahres" herausgehoben. Emmenegger wurde von der SPD vorgeschlagen.
Ann-Kathrin Kaufhold (49) ist Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie lehrt dort Staats- und Verwaltungsrecht. Sie ist unter anderem Mitglied des Arbeitskreises Finanzmarktgesetzgebung beim Bundesministerium der Finanzen. Kaufhold wurde ebenfalls von der SPD vorgeschlagen.
Günter Spinner (53) ist seit 2011 Richter am Bundesarbeitsgericht. Zuvor war er an mehreren Arbeitsgerichten in Baden-Württemberg tätig. Spinner wurde vom Bundesverfassungsgericht sowie der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagen.
Die Kandidaten brauchen jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen und damit theoretisch auch Stimmen von Linken oder AfD. Aus der Linksfraktion waren allerdings Vorbehalte gegen eine Wahl des CDU-Kandidaten Günter Spinner zu hören. Die AfD wiederum lehnt die SPD-Kandidatin Ann-Kathrin Kaufhold kategorisch ab.
Wer spricht mit der Linksfraktion?
Da könnte es helfen, dass für die Abstimmungen ein gemeinsamer Tagesordnungspunkt mit geheimen Wahlen vorgesehen ist. Erst danach wird ausgezählt. Von welcher Partei die Kandidaten letztlich unterstützt werden, bleibt damit am Ende unklar.
Für eine Unterstützung der Kandidatinnen und Kandidaten hatte die Linke immer wieder gefordert, dass die CDU auf sie zugeht und sich gesprächsbereit zeigt. Doch die Gespräche hatte die Union dem Koalitionspartner überlassen. Innerhalb der CDU gilt ein Parteitagsbeschluss, der "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der Linken ausschließt. Ohne direkte Kommunikation will die Linksfraktion ihren Mitgliedern die Wahl offenlassen.
Im August zog die von der SPD nominierte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurück.
07.08.2025 | 2:49 minAfD wettert gegen SPD-Kandidatin Kaufhold
Von der AfD kamen in den vergangenen Tagen vor allem lautstarke Vorwürfe in Richtung Ann-Kathrin Kaufhold. Die AfD bezeichnet die Kandidatin als "radikale Klimaaktivistin" und "Enteignungsbefürworterin". Letzteres bezieht sich auf Kaufholds Teilnahme an einer vom Berliner Senat eingesetzten Expertenkommission, die juristische Möglichkeiten zur "Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen" untersucht hat.
Das Grundgesetz sieht verschiedene Formen der Enteignung von Privateigentum explizit vor. Die Kommission kam mehrheitlich zum Ergebnis, dass der untersuchte Vorschlag den dort festgeschriebenen Vorgaben entsprechen könnte.
Über die politischen Ansichten Kaufholds sagt die juristische Ausarbeitung allerdings wenig aus. Zudem wäre sie in dem für sie vorgesehenen zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts ohnehin weder für Enteignungsrecht noch für Umweltrecht zuständig. Das scheint die AfD allerdings nicht zu beschwichtigen. Wie verhärtet die Fronten sind, zeigte sich erneut am Dienstagmorgen, als die AfD versuchte, die Richterwahl von der Tagesordnung nehmen zu lassen.
Die Hälfte der 16 Bundesverfassungsrichter wird im Bundestag gewählt, die andere Hälfte im Bundesrat. Seit dem vergangenen Jahr gilt ein sogenannter Ersatzwahlmechanismus. Kommt eine Wahl nicht zustande, geht diese auf das andere Wahlorgan über. In diesem Fall wäre das der Bundesrat.
Frühere Kontroversen um die Richterwahl
Auch wenn der Ton insgesamt rauer geworden zu sein scheint: Gänzlich frei von Kontroversen waren Richterwahlen für das Bundesverfassungsgericht auch in der Vergangenheit nicht. Neben Diskussionen über die Eignung von ehemaligen Ministerpräsidenten als Verfassungsrichter - wie im Fall des früheren saarländischen Regierungschefs Peter Müller - kam es auch früher vor, dass ein Kandidat für seine wissenschaftlichen Positionen kritisiert wurde.
In der ZDF-Sendung "Markus Lenz" wehrte sich die Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf im Juli gegen sie erhobene Vorwürfe.
16.07.2025 | 2:33 min2008 stolperte der angesehene Verfassungsrechtler Horst Dreier bei seiner Kandidatur über zwei Absätze in einem Grundgesetzkommentar. Ihm wurde unterstellt, darin das absolute Folterverbot des Staates in Frage gestellt zu haben und die sogenannte Rettungsfolter in Extremsituationen zu befürworten. Der von der SPD vorgeschlagene Kandidat zog daraufhin zurück.
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