Welttag der Patientensicherheit:Von klein auf: Ärztliche Versorgung in Gefahr
Wie abgesichert sind Kinder und Jugendliche in der medizinischen Versorgung? Zum Welttag der Patientensicherheit rückt die Qualität ihrer Behandlung in den Fokus.
Kinder- und Jugendmedizin: Patientenschützer fordern eine stärker auf Kinder ausgerichtete Versorgung. (Symbolfoto)
Quelle: ColourboxKinder sind die Zukunft der Gesellschaft. Ein Satz, der beinahe genauso oft wiederholt wird, wie die Forderung nach den dafür nötigen Reformen. Denn ihre Bedürfnisse werden in vielerlei Hinsicht vernachlässigt. Auch im gesundheitlichen Bereich. Darauf macht der diesjährige Welttag der Patientensicherheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufmerksam.
Das Gesundheitssystem steht unter Druck: Die Ausgaben der Kassen steigen, trotz Milliardenlücke verspricht die Koalition stabile Beiträge. Wie das finanziert wird, bleibt offen.
05.09.2025 | 1:36 minGefährliche Unterfinanzierung medizinischer Versorgung
Hierzulande richtet diesen das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) aus. Das Motto 2025: "Patientensicherheit von Kind an - eine Investition fürs Leben". Genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sieht man beim APS mit Blick auf die Patientensicherheit in der Kinder- und Jugendmedizin zahlreiche Herausforderungen. Das beginnt beim Geld.
"Durch die Krankenhausreform droht die spezialisierte medizinische Versorgung für Kinder und Jugendliche wegzubrechen, weil ihre Finanzierung in den neusten Entwürfen ersatzlos gestrichen wurde", kritisiert Professorin Ursula Felderhoff-Müser, DGKJ-Präsidentin.
Das Olgahospital in Stuttgart ist die größte Kinderklinik Deutschlands und hoch spezialisiert. Weil es nicht genügend niedergelassene Kinderärzte gibt, kommen auch Kinder, die keinen echten Notfall darstellen, in die Notaufnahme.
27.01.2025 | 1:54 minKinder und Jugendliche hätten genauso wie Erwachsene einen Anspruch auf eine fachärztliche und vor allem auf eine spezialfachärztliche Versorgung im Krankenhaus. Doch genau diese drohe damit auf der Strecke zu bleiben.
Aus Sicht von Professor Joachim Wölfle, Direktor der Kinderklinik am Universitätsklinikum Erlangen, beginnt die Patientensicherheit in der Kinder- und Jugendmedizin auch beim Kinderschutz. Entsprechende Konzepte und Ambulanzen sind für ihn ein wesentlicher Bestandteil, wenn es um die Sicherheit von kleinen Patienten geht.
Sein Appell: "Wir erleben leider pro Woche ein bis zwei Fälle bei uns in der Klinik, in denen es um Vernachlässigung, körperliche Gewalt und Missbrauch geht. Deshalb braucht es noch viel mehr Aufmerksamkeit bei jedem Einzelnen. Egal ob in der Klinik, Praxis, Schule, Kita oder Nachbarschaft: Jeder ist gefordert aufmerksam zu werden, wenn ein Kind ungewöhnliche Verhaltensmuster zeigt und man sich um dieses sorgt." Hier könne eine Beratung in einer Kinderschutzambulanz Hilfestellung geben.
Auch der Blick auf die Psyche ist für den Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin entscheidend: Entsprechende Fragen müssen immer mitgedacht werden, denn Kinder mit chronischen Erkrankungen, wie beispielsweise einem Diabetes, haben ein vielfach höheres Risiko eine Essstörung oder Depression zu entwickeln." Das rechtzeitig zu erkennen, gehört für ihn zur Patientensicherheit genauso dazu, wie diese eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.
Schwieriger Zugang zur Diagnostik
Hinzu kämen die im Vergleich zur Erwachsenenmedizin höheren so genannten Vorhaltekosten. Diese machten gerade Kinder- und Jugendkliniken oft zu einem aus kaufmännischer Sicht ungeliebten Anhängsel.
Die Fixkosten für das Bereitstellen der dennoch notwendigen Strukturen für den Fall der Fälle lassen sich durch die im Vergleich nur wenigen Patienten nicht entsprechend refinanzieren.
Ursula Felderhoff-Müser, Präsidentin Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Immer mehr Kinderkliniken und -abteilungen würden deshalb schließen. Allein in den letzten fünf erfassten Jahren, im Zeitraum 2018 bis 2023, seien das bundesweit nahezu fünf Prozent gewesen, kritisiert die DGKJ.
Einen Kinderarzt zu "ergattern" ist in vielen Landkreisen eine schwierige bis unmögliche Mission. Viele Eltern versuchen inzwischen, mit Petitionen bei der Politik auf Abhilfe zu drängen.
06.12.2024 | 2:05 minDie Folge: Für die jungen Patienten und ihre Eltern wird es immer schwieriger, einen Zugang zu kinderärztlicher Diagnostik zu bekommen. Aus Sicht von Professor Joachim Wölfle liegt darin die größte Herausforderung für die Patientensicherheit im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin.
Wenn die Diagnose einmal da ist, sind wir in Deutschland ordentlich aufgestellt. Doch überhaupt erst einmal dorthin zu kommen, ist leider inzwischen gar nicht mehr so einfach.
Professor Joachim Wölfle, Direktor Kinderklinik am Universitätsklinikum Erlangen
Mangelversorgung und fehlendes Wissen
In manchen Regionen gebe es bereits eine Mangelversorgung an niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten mit entsprechenden Fachkenntnissen.
Bundesgesundheitsministerin Warken plant einem Bericht zufolge, den Klinik-Atlas ihres Vorgängers Lauterbach einzustellen. Kliniken müssten schließen.
08.09.2025 | 2:12 min"Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Eltern nicht mehr über eine ausreichende Gesundheitskompetenz verfügen und durch den Mangel an Pädiatern die Unterstützung fehlt, um frühzeitig Warnsignale erkennen zu können, wann eine Erkrankung behandlungsbedürftig ist", gibt Joachim Wölfle zu bedenken. Doch gerade zeitnah mit einer entsprechenden Behandlung zu beginnen, sei manchmal entscheidend, um wieder vollständig gesund zu werden.
Die grundlegenden Probleme, mit denen das Gesundheitssystem zu kämpfen hat, zeigen sich aus Sicht von Ruth Hecker, der Vorsitzenden des APS, in der Kinder- und Jugendmedizin wie in einem Brennglas.
Gerade die Jüngsten sind eine besonders vulnerable und schutzbedürftige Gruppe. Sie sind besonders auf die Sorgfalt von Eltern, Ärzten und Pflegekräften angewiesen, weil sie je nach Alter noch gar nicht in der Lage sind, richtig zu äußern, was ihnen fehlt.
Ruth Hecker, Vorsitzende Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.
In vielen Kinder-Krankenhäuser fehlt es an Betten, Personal und Medikamenten. Kinder und Eltern müssen oft stundenlang auf eine Behandlung warten.
09.02.2024 | 2:04 minFolgenschwere Behandlungsfehler durch Überlastung
Diese Sorgfalt sei immer mehr in Gefahr: Durch die Überlastung fehle die Zeit für vernünftige Anamnesen und gründliche Untersuchungen - mit im schlimmsten Fall folgenschweren Fehlern.
Weiter kritisiert Ruth Hecker, dass mit der generalistischen Pflegeausbildung die Kinderkrankenpflege und die mit ihr notwendigen und unerlässlichen Kompetenzen weggefallen seien. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, ihr Organismus ist noch in Entwicklung. Außerdem wirken sich Erkrankungen oft ganz anders aus", gibt auch Ursula Felderhoff-Müser zu bedenken.
Hinter all den Forderungen steht der Wunsch, dass es sich beim mantraartig wiederholten Satz "Kinder sind unsere Zukunft" nicht um bloße Lippenbekenntnisse handelt. Auch und gerade nicht, wenn es um das gesunde Heranwachsen geht. Denn jedes ernsthaft erkrankte Kind ist auch eine Hypothek für die gesamte Gesellschaft, das Sozialsystem und die Volkswirtschaft.
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