Patientensicherheit: Sicher versorgt von Kindesbeinen an?

Welttag der Patientensicherheit:Von klein auf: Ärztliche Versorgung in Gefahr

von Michael Kniess
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Wie abgesichert sind Kinder und Jugendliche in der medizinischen Versorgung? Zum Welttag der Patientensicherheit rückt die Qualität ihrer Behandlung in den Fokus.

Ein Kind wird von einer Ärztin untersucht. (Symbolfoto)

Kinder- und Jugendmedizin: Patientenschützer fordern eine stärker auf Kinder ausgerichtete Versorgung. (Symbolfoto)

Quelle: Colourbox

Kinder sind die Zukunft der Gesellschaft. Ein Satz, der beinahe genauso oft wiederholt wird, wie die Forderung nach den dafür nötigen Reformen. Denn ihre Bedürfnisse werden in vielerlei Hinsicht vernachlässigt. Auch im gesundheitlichen Bereich. Darauf macht der diesjährige Welttag der Patientensicherheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufmerksam.

Symbolbild: Zu sehen sind Krankenkarten

Das Gesundheitssystem steht unter Druck: Die Ausgaben der Kassen steigen, trotz Milliardenlücke verspricht die Koalition stabile Beiträge. Wie das finanziert wird, bleibt offen.

05.09.2025 | 1:36 min

Gefährliche Unterfinanzierung medizinischer Versorgung

Hierzulande richtet diesen das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) aus. Das Motto 2025: "Patientensicherheit von Kind an - eine Investition fürs Leben". Genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sieht man beim APS mit Blick auf die Patientensicherheit in der Kinder- und Jugendmedizin zahlreiche Herausforderungen. Das beginnt beim Geld.

"Durch die Krankenhausreform droht die spezialisierte medizinische Versorgung für Kinder und Jugendliche wegzubrechen, weil ihre Finanzierung in den neusten Entwürfen ersatzlos gestrichen wurde", kritisiert Professorin Ursula Felderhoff-Müser, DGKJ-Präsidentin.

Notstand in Kinderkliniken

Das Olgahospital in Stuttgart ist die größte Kinderklinik Deutschlands und hoch spezialisiert. Weil es nicht genügend niedergelassene Kinderärzte gibt, kommen auch Kinder, die keinen echten Notfall darstellen, in die Notaufnahme.

27.01.2025 | 1:54 min

Kinder und Jugendliche hätten genauso wie Erwachsene einen Anspruch auf eine fachärztliche und vor allem auf eine spezialfachärztliche Versorgung im Krankenhaus. Doch genau diese drohe damit auf der Strecke zu bleiben.




Schwieriger Zugang zur Diagnostik

Hinzu kämen die im Vergleich zur Erwachsenenmedizin höheren so genannten Vorhaltekosten. Diese machten gerade Kinder- und Jugendkliniken oft zu einem aus kaufmännischer Sicht ungeliebten Anhängsel.

Die Fixkosten für das Bereitstellen der dennoch notwendigen Strukturen für den Fall der Fälle lassen sich durch die im Vergleich nur wenigen Patienten nicht entsprechend refinanzieren.

Ursula Felderhoff-Müser, Präsidentin Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin

Immer mehr Kinderkliniken und -abteilungen würden deshalb schließen. Allein in den letzten fünf erfassten Jahren, im Zeitraum 2018 bis 2023, seien das bundesweit nahezu fünf Prozent gewesen, kritisiert die DGKJ.

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Die Folge: Für die jungen Patienten und ihre Eltern wird es immer schwieriger, einen Zugang zu kinderärztlicher Diagnostik zu bekommen. Aus Sicht von Professor Joachim Wölfle liegt darin die größte Herausforderung für die Patientensicherheit im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin.

Wenn die Diagnose einmal da ist, sind wir in Deutschland ordentlich aufgestellt. Doch überhaupt erst einmal dorthin zu kommen, ist leider inzwischen gar nicht mehr so einfach.

Professor Joachim Wölfle, Direktor Kinderklinik am Universitätsklinikum Erlangen

Mangelversorgung und fehlendes Wissen

In manchen Regionen gebe es bereits eine Mangelversorgung an niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten mit entsprechenden Fachkenntnissen.

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08.09.2025 | 2:12 min

"Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Eltern nicht mehr über eine ausreichende Gesundheitskompetenz verfügen und durch den Mangel an Pädiatern die Unterstützung fehlt, um frühzeitig Warnsignale erkennen zu können, wann eine Erkrankung behandlungsbedürftig ist", gibt Joachim Wölfle zu bedenken. Doch gerade zeitnah mit einer entsprechenden Behandlung zu beginnen, sei manchmal entscheidend, um wieder vollständig gesund zu werden.

Die grundlegenden Probleme, mit denen das Gesundheitssystem zu kämpfen hat, zeigen sich aus Sicht von Ruth Hecker, der Vorsitzenden des APS, in der Kinder- und Jugendmedizin wie in einem Brennglas.

Gerade die Jüngsten sind eine besonders vulnerable und schutzbedürftige Gruppe. Sie sind besonders auf die Sorgfalt von Eltern, Ärzten und Pflegekräften angewiesen, weil sie je nach Alter noch gar nicht in der Lage sind, richtig zu äußern, was ihnen fehlt.

Ruth Hecker, Vorsitzende Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.

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In vielen Kinder-Krankenhäuser fehlt es an Betten, Personal und Medikamenten. Kinder und Eltern müssen oft stundenlang auf eine Behandlung warten.

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Folgenschwere Behandlungsfehler durch Überlastung

Diese Sorgfalt sei immer mehr in Gefahr: Durch die Überlastung fehle die Zeit für vernünftige Anamnesen und gründliche Untersuchungen - mit im schlimmsten Fall folgenschweren Fehlern.

Weiter kritisiert Ruth Hecker, dass mit der generalistischen Pflegeausbildung die Kinderkrankenpflege und die mit ihr notwendigen und unerlässlichen Kompetenzen weggefallen seien. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, ihr Organismus ist noch in Entwicklung. Außerdem wirken sich Erkrankungen oft ganz anders aus", gibt auch Ursula Felderhoff-Müser zu bedenken.

Hinter all den Forderungen steht der Wunsch, dass es sich beim mantraartig wiederholten Satz "Kinder sind unsere Zukunft" nicht um bloße Lippenbekenntnisse handelt. Auch und gerade nicht, wenn es um das gesunde Heranwachsen geht. Denn jedes ernsthaft erkrankte Kind ist auch eine Hypothek für die gesamte Gesellschaft, das Sozialsystem und die Volkswirtschaft.

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