Psychotherapie: Kassen fordern Meldepflicht für freie Plätze

Wartenzeiten für Psychotherapie:Freie Therapieplätze: Kassen fordern Meldepflicht

|

Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, muss häufig lange warten, bis ein Therapieplatz frei wird. Die Kassen fordern daher eine schnellere Terminvergabe an Betroffene.

Archiv: Ein Psychotherapeut unterhält sich mit einer Patientin, aufgenommen am am 12.09.2018 in Hamburg
Jährlich ist nach Angaben des GKV-Verbands jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen. (Symbolbild)
Quelle: dpa

Wegen langer Wartezeiten in der Psychotherapie fordern die gesetzlichen Krankenkassen eine schnellere Terminvergabe an Betroffene. So müssten Psychotherapeutinnen und -therapeuten gesetzlich dazu verpflichtet werden, freie Behandlungskapazitäten zu melden, fordert der GKV-Spitzenverband. Die stellvertretende Chefin des Verbands, Stefanie Stoff-Ahnis, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland:

Wir haben keinen Mangel an Psychotherapieplätzen. Aber gerade schwer psychisch Kranke haben Probleme, einen Therapieplatz zu finden.

Stefanie Stoff-Ahnis, GKV-Spitzenverband

Der Verwaltungsrat des Verbands hat dazu ein Positionspapier beschlossen, über das der RND zunächst berichtet hatte.
mann waehrend einer psychotherapeutischen sitzung
November 2024: Matti sucht seit vier Jahren einen Therapieplatz. Doch die sind rar. Es mangelt an praktischen Weiterbildungen für Psychotherapeuten. Vor allem wegen fehlender Finanzierung.21.11.2024 | 3:04 min

Verband: Jeder vierte Erwachsene ist psychisch krank

Im Positionspapier betont der Verband den großen Hilfebedarf:

Psychische Erkrankungen haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer relevanten gesundheitlichen Herausforderung entwickelt.

GKV-Spitzenverband

Jährlich sei etwa jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen. Nur die wenigsten bekämen aber sofort einen Therapieplatz.
Dr. Leon Windscheid schaut ernst in die Kamera. Eine Grafik neben ihm zeigt ein auf dem Boden sitzendes Kind, wie es traurig den Kopf auf die eigenen Knie legt und ein Elternpaar dahinter, welches die Hände über den Kopf zusammenschlägt.
Sei es Magersucht, Depression, ADHS oder Autismus: Wenn das eigene Kind betroffen ist, haben Eltern oft Schuldgefühle. Leon Windscheid will wissen, wie berechtigt diese sind.29.04.2025 | 27:09 min
Für eine bedarfsgerechte Versorgung müsse "eine angemessene Anzahl an Sprechstunden und die Hälfte der Behandlungsplätze von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an die Terminservicestellen gemeldet und ausschließlich durch diese vergeben werden", schreibt der Spitzenverband.

Vermittlungsquote für Termine bislang nur bei 46 Prozent

Gerade schwer psychisch Erkrankten sei "es nicht zuzumuten, alleine einen Therapieplatz ohne direkte Hilfe und unterstützende Orientierung zu suchen", sagte Stoff-Ahnis.
Die Terminservicestellen sind jetzt schon per Gesetz verpflichtet, innerhalb von vier Wochen Termine für die psychotherapeutische Sprechstunde zu vermitteln. Das wird laut Spitzenverband aber nicht erreicht.
Fehlende Weiterbildungsplätze: Psychotherapeuten-Mangel
Psychotherapeuten werden dringend gebraucht. Doch weil die Finanzierung von Weiterbildungsplätzen unklar ist, verharren viele Studienabgänger im Wartemodus.18.11.2024 | 1:07 min
Hier bestehe "deutlicher Handlungsbedarf", denn 2023 lag die Vermittlungsquote für solche Termine nach Verbandsangaben bei 46 Prozent. Das heißt, die Terminservicestellen haben mehr als die Hälfte der Anfragen nicht oder nicht fristgerecht vermittelt.

Patientenschützer fordern Rechtsanspruch auf Suizidprävention

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert schnellere Angebote für psychisch erkrankte Menschen und verweist auf die Zahl der Selbsttötungen, die in den vergangenen Jahren wieder gestiegen sei.
"Es steht zu befürchten, dass sich diese Tendenz fortsetzen wird. Ein Grund dafür ist, dass Termine bei Psychotherapeuten kaum zu bekommen sind", sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur.

Offenkundig reichen die gesetzlichen Instrumente nicht aus, um die Kassenärztliche Vereinigung beim Sicherstellungsauftrag verbindlich in die Pflicht zu nehmen.

Eugen Brysch, Deutsche Stiftung Patientenschutz

Psychologe Leon Windscheid schaut mit traurigem Blick in die Kamera. Neben ihm die bunten Silhouetten von Menschen mit Tränen im Gesicht. Eine Figur ist ausgegraut.
Tabuthema Suizid? Familie Kelter spricht mit Leon Windscheid über den Verlust ihres Sohnes. Leon erfährt, inwiefern Depression und Pubertät Risikofaktoren für Suizidgedanken sind.24.03.2025 | 26:59 min
Trotz politischer Debatten über das Thema Suizid und mögliche Präventionsmaßnahmen fehle es an einem umfassenden Schutz. Dazu gehört aus Sicht der Patientenschützer etwa ein Rechtsanspruch auf die Vorbeugung von Suizid in der gesetzlichen Krankenversicherung.
"Dazu zählen kurzfristige Sprechstunden, Behandlungsplätze und aufsuchende Therapie", so Brysch. Schwerstkranke bräuchten "passgenaue, schnelle Angebote".

Telefonseelsorge:
  • Erreichbarkeit rund um die Uhr: 0800 111 0 111/ 0800 111 0 222 oder 116 123
  • Sonst per Mail oder Chat unter online.telefonseelsorge.de

Nummer gegen Kummer für Kinder & Jugendliche
  • 116 111 - erreichbar Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr

Krisenchat per WhatsApp oder SMS

Quelle: dpa

Mehr zum Thema psychische Erkrankungen