Müntefering und Gysi bei "Lanz": Europa muss stärker werden

Weltpolitisch schwächelnde EU?:Müntefering und Gysi fordern stärkeres Europa

von Felix Rappsilber
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Ex-Vizekanzler Müntefering (SPD) warnt bei "Lanz", Europa könne seine demokratische Stabilität verlieren. Auch Linken-Politiker Gysi fordert gemeinsames Engagement der EU-Staaten.

Markus Lanz vom 22. Juli 2025: Markus Lanz, Franz Müntefering, Gregor Gysi, Andrea Römmele
Quelle: ZDF/Cornelia Lehmann

"Im Augenblick ist Europa in dem Sinne kein wirklicher Machtfaktor." - Gregor Gysi forderte am Dienstagabend bei "Markus Lanz" Bemühungen um ein starkes Europa.
Angesichts der weltpolitischen Lage zeigte er sich betrübt, weil die Europäer "zerstritten sind und da Trump teilt und herrscht". Auch Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) habe "Sorge im Blick nach vorne":

Europa ist in der Gefahr, selbst ein heißes Eisen zu werden und seine Souveränität und seine demokratische Stabilität zu riskieren.

Franz Müntefering, ehemaliger Vizekanzler (SPD)

Müntefering: Unklar, ob Trump "uns noch mit meint"

Müntefering sagte: "Ich höre schon ganz sensibel zu, wenn über 'den Westen' gesprochen wird. Das war immer klar, über Jahrzehnte: Das ist EU, Europa, und das ist Amerika, USA."
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Er wisse nicht, "ob der amerikanische Präsident uns mit meint, ob das eigentlich noch eins ist". Nun gehe es um die Frage, wie man Europa stärken, wie man etwas "Selbstbewussteres, eigenes" daraus machen könne. Der ehemalige SPD-Chef untermauerte Gysis Forderung nach einer starken EU:

Die demokratischen Länder, die es in diesem Europa gibt, sind auf der Welt einmalig.

Franz Müntefering, SPD

Aber jetzt käme es darauf an, dass man daraus [...] schnell mehr macht, um stärker zu sein."
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Gysi: Argumente für Demokratie haben an Gewicht verloren

Gysi begründete politische Veränderungen in Deutschland mit internationalen Veränderungen:
"Die führenden westlichen, kapitalistischen Staaten hatten gegenüber den sozialistischen Ländern immer drei Vorteile: Sie hatten die breitere und bessere Waren- und Dienstleistungsdecke. Sie hatten eine frei konvertierbare Währung und deutlich mehr Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit."
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Der Politiker der Linkspartei führte weiter aus: "Die sozialistischen Länder [...] waren sozial gerechter, nicht politisch, aber sozial gerechter."
"Das hielt aber nicht", so Gysi weiter. "Die sozialistischen Länder implodierten." Damals hätte ein Trump, hätte eine AfD "gar keine Chance" gehabt. Denn:

Die Angriffe auf Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit waren ein gewichtiges Argument gegen alle sozialistischen Länder. Nun gibt es sie aber nicht mehr.

Gregor Gysi, Alterspräsident des Bundestags (Die Linke)

Daher habe dieses Argument an Gewicht verloren.

Kampf der US-Eliten gegen Parlamente und Justiz?

Gysi warnte vor den Konsequenzen: "Die Eliten, die hinter Trump stehen, machen sich Sorgen, dass China Weltwirtschaftsmacht Nummer eins werden könnte. Und die gehen davon aus [...], dass China schneller und effizienter ist, weil es eine autoritäre Struktur hat."
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Deshalb würden die US-Eliten nun "gegen die Parlamente, gegen die Justiz" kämpfen. Gysi erklärte:

Wir [...] stehen von außen unter Druck, weil Trump auch will, dass wir das abbauen, und von innen unter Druck. Die AfD will auch, dass wir das abbauen.

Gregor Gysi, Die Linke

J.D. Vance vor einer Europa-Karte
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Er kritisierte: "Die, die Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewahren wollen, sind nicht in der Lage, sich gemeinsam zu organisieren. Das ist mein Problem."

Gysi: Bundeswehr oder Sozialjahr

Aufgrund weltpolitischer Spannungen werden in Deutschland immer öfter Forderungen nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht laut. Diese lehnte Gysi nicht strikt ab, wie man es für einen Politiker der Linkspartei hätte erwarten können:
Soldaten
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Im Augenblick, glaube ich, können wir die Bundeswehr verteidigungsfähig machen ohne Wehrpflicht. Aber wenn die Zeit käme, wo man sagt, es geht nicht mehr, dann würde ich es völlig anders regeln als früher.

Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter (Die Linke)

Er sagte: "Dann würde ich ein soziales Pflichtjahr einführen. Und jeder junge Mann und jede junge Frau kann sich überlegen: Ich gehe entweder zur Bundeswehr oder ich mache ein Sozialjahr [...]."

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