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Analyse
Nach Koalitionsausschuss:Die Stromsteuer-Pleite von Merz und Klingbeil
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Keine Senkung der Stromsteuer für alle. Das spart dem Haushalt 5,4 Milliarden Euro pro Jahr, kostet die junge Regierung aber Ansehen. Sie erlebt ihre erste Kommunikationspleite.
Als zerstritten, ungerecht und irgendwie geizig gilt die Bundesregierung nun. Hingegen wollte sie als geschlossen, fair und großzügig rüberkommen - und hatte ja durchaus etwas geschafft.
Ein Haushalt für 2025, an dem die Ampel-Koalition zerbrochen war, ist ihr binnen 50 Tagen gelungen inklusive zehn Milliarden an Energiekosten zu übernehmen, die bislang die Verbraucher zahlten. Aber weil im Koalitionsvertrag vollmundig eine Senkung der Stromsteuer für alle zugesagt worden war, gibt es nun Druck statt Dank.
Heftige Kritik an Stromsteuer: "Wortbruch", "Sauerei"
Von der Opposition sowieso, Grüne, Linke und AfD reden allesamt von Wortbruch. "Stromsteuer-Sauerei" lesen der Kanzler und seine Mitstreiter nun erschrocken aber auch in den Medien und reagieren. Kanzler Friedrich Merz (CDU) setzt den Ton:
Mir ist bewusst, dass im Koalitionsvertrag eine noch höhere Reduzierung in Aussicht gestellt wird. Aber alle Pläne aus dem Koalitionsvertrag stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Sein im Rückblick leichtsinniges Stromsteuersenkungs-Versprechen aus dem Koalitionsvertrag versucht Merz nun semantisch wegzuwischen:
"Der Strompreis setzt sich aus vielen Elementen zusammen - dem Preis, den Netzentgelten und den Steuern. Selbst wenn das Wörtchen Netzentgelte komplizierter ist als das Wörtchen Stromsteuer: Es handelt sich am Ende um dieselben Kosten. Diese Kosten werden nun deutlich gesenkt."
Was Merz Klingbeil hoch anrechnet
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der sich mit dem Kanzler haarklein abgesprochen hat, bemüht sich ebenfalls um das Bild von Geschlossenheit, Gerechtigkeit und Großzügigkeit:
Der Koalitionsausschuss hat sich klar hinter die Beschlüsse des Bundeskabinetts aus der letzten Woche gestellt.
Lars Klingbeil, SPD
Soll heißen: Wir wackeln nicht. Das rechnet der Kanzler seinem Vize Klingbeil hoch an, weil der angesichts mieser SPD-Umfragen und einem peinlich mageren Wiederwahlergebnis als Parteichef nun versucht sein könnte, es allen recht zu machen.
Welches Geschenk Söder bekommt
Stattdessen konzentriert sich Klingbeil auf "Energiepreise senken, um Arbeitsplätze zu sichern" in gut 600.000 produzierenden Betrieben. Zudem zahle eine Familie "künftig bis zu 100 Euro im Jahr weniger" für Energie, so Klingbeil.
Weitere Schritte sollten folgen, "sobald wir die notwendigen finanziellen Spielräume haben". Klingt mehr nach Wunsch als Versprechen. Genauso wie bei CSU-Chef Markus Söder, er redet heute vor der Bayerischen Wirtschaft von der Stromsteuer-Senkung für alle auch als möglichem zweiten Schritt:
Der Wille ist zu hundert Prozent da, und das Ergebnis ist sehr, sehr gut möglich.
Markus Söder, CSU-Chef
Wie Wüst auf den Kanzler zielt
Söder hat hier die größte Kurve hingelegt, weil er seine Mütterrente dafür ein Jahr vorverlegt bekommen hat. Gestern gab er sich noch als Kritiker der Bundesregierung bei der Stromsteuer. Wie er, sind auch Unions-Fraktionschef Jens Spahn und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eingeschwenkt nach dem Motto: Wenn Du nichts aufhalten kannst, begrüße, was kommt.
Verblieben als Promi-Kritiker ist Hendrik Wüst, der Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen, der den ganzen Streit um Senkung der Stromsteuer begonnen hatte: "Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen - und es gibt eine Menge Möglichkeiten", sagt Wüst Richtung Klingbeil. Aber nicht nur der, sondern auch Merz ist sicher: Diese Kritik gilt dem Bundeskanzler.
Es geht also manchen um viel mehr als nur um die Senkung der Stromsteuer.
Wulf Schmiese ist stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.
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