Forscher sehen Kipppunkt erreicht:Viele tropische Korallenriffe könnten bald absterben
Die tropischen Korallenriffe haben einer Studie zufolge wegen des Klimawandels mit ziemlicher Sicherheit ihren Kipppunkt erreicht. Laut Forschern könnten sie bald verschwinden.
Laut Klimaforschern wird es tropische Korallenriffe in Zukunft nicht mehr geben. In einem veröffentlichten Report bezeichnen die Forscher dies als einen ersten Kipppunkt.
13.10.2025 | 0:22 minDie berühmten Korallenriffe in tropischen Gewässern wird es nach Ansicht von Klimaforschern wohl nicht mehr lange geben. Der Klimawandel auf der Erde hat jetzt einen ersten sogenannten Kipppunkt erreicht, wie Autoren des am Montag veröffentlichten "Global Tipping Points Report 2025" in Frankfurt erklärten.
Korallenriffe nur mit "größten Anstrengungen" zu retten
Das Absterben zahlreicher tropischer Korallenriffe sei infolge steigender Temperaturen der Weltmeere nur noch unter größten Anstrengungen verhinderbar. Der Bericht geht zudem davon aus, dass sich die globale Durchschnittstemperatur in den kommenden Jahren um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöht haben werde.
Dann trete die Welt in eine Phase ein, in der das Überschreiten weiterer Klimakipppunkte riskiert werde, die dann wiederum weitreichende Folgen haben könnten. Dieses Überschreiten halten die Wissenschaftler in den nächsten Jahrzehnten für möglich, da diese bei etwa 1,5 Grad globaler Erwärmung liegen könnten.
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03.03.2023Regenwald, Meeresspiegel und Eisschilde
Sie nennen den Kipppunkt des Amazonas-Regenwaldes, der eine Versteppung in Südamerika zur Folge hätte. Der Verlust von Eisschilden auf Grönland und in der Westantarktis würde demnach einen Meeresspiegel-Anstieg um mehrere Meter verursachen. Der Kipppunkt der Ozean-Zirkulation zwischen Europa und Amerika könnte mit einer starken Abkühlung des europäischen Kontinents einhergehen.
Die verheerenden Folgen des Überschreitens von Klima-Kipppunkten bedrohen unsere Gesellschaften massiv.
Nico Wunderling, Goethe-Universität in Frankfurt
Es bestehe das Risiko, dass das Kippen eines Klimasystems das Kippen anderer Systeme auslöse oder beschleunige.
Unter einem solchen Kipppunkt verstehen die Autoren des Berichts nach eigenen Angaben das Erwärmungsniveau, ab dem solche Systeme selbstverstärkenden und oft unumkehrbaren Veränderungen unterliegen. Dann würden etwa viele der tropischen Korallenriffe absterben, selbst wenn die Menschheit die weitere Klimaerhitzung begrenzt. Rund zwei Dutzend Teilsysteme des globalen Klimasystems hätten solche Kipppunkte.
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28.09.2023 | 0:39 minWeltklimakonferenz im November
An dem Report waren den Angaben zufolge mehr als 100 Wissenschaftler aus über 20 Ländern beteiligt. Der Bericht wurde nun mit Blick auf die 30. Weltklimakonferenz veröffentlicht, die im November im brasilianischen Belem stattfindet.
Die Autoren der Studie verwiesen darauf, dass sie neben Kipppunkten im Klimasystem auch Kipppunkte in Gesellschaften wahrnehmen würden. Deren Überschreiten könne zu klimafreundlicherem Verhalten führen. So seien erneuerbare Energien global betrachtet oft günstiger als fossile Brennstoffe, auch verdrängten Elektrofahrzeuge mehr und mehr Verbrennerautos.
Kipppunkte sind erdsystemische Ereignisse von globaler Auswirkung, die nach menschlichem Ermessen nicht rückgängig gemacht werden können und den Klimawandel deutlich vorantreiben. Gefährliche Kipppunkte sind:
- das Auftauen der Permafrostböden in den nördlichen Breiten (Sibirien, Alaska, Kanada)
- das Abschmelzen der Landeismassen auf Grönland
- das Abholzen der Regenwälder Amazoniens
- die Veränderung des Golfstroms
- die Sättigung der Ozeane mit CO₂
In den dauerhaft gefrorenen Böden, den Permafrostböden, sind große Mengen organisches Material, also abgestorbene Pflanzen, enthalten. Tauen die Böden aufgrund der Erwärmung auf, verrottet das Pflanzenmaterial durch den Einfluss des Luftsauerstoffs, das Treibhausgas Methan wird freigesetzt. Methan hat ein rund 20-fach stärkeres Klimaerwärmungspotenzial als CO₂, hält sich aber mit rund zehn Jahren vergleichsweise kurz in der Atmosphäre.
Dennoch: Wenn eine genügend große Menge Methan nahezu zeitgleich frei wird, könnte sich die Erderwärmung drastisch beschleunigen. Tauende Permafrostböden werden bereits seit vielen Jahren beobachtet, die Methanmengen sind aber noch zu gering, um den Klimawandel merklich zu beeinflussen.
Ein internationales Team der University Leeds hat die Daten von 17 Satelliten-Missionen und 50 Messkampagnen ausgewertet. Das Ergebnis dieser neuen Eisbilanz zeigt (Stand 2023), wie viel die Eisschilde Grönlands und der Antarktis seit 1992 verloren haben.
Im Detail:
- Sowohl Grönland als auch die Antarktis verlieren so viel Eis wie noch nie seit Beginn der Messungen. In beiden Regionen beschleunigt sich das Abtauen rapide.
- Grönlands Eismasse hat seit 1992 um 4,8 Billionen Tonnen abgenommen. Im Schnitt lag die Abtaurate bei 169 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. Im Rekordjahr 2019 waren es dagegen 444 Milliarden Tonnen.
- Die Antarktis hat zwischen 1992 und 2020 gut 2,6 Billionen Tonnen Eis verloren. Weil die sehr kalten und hoch gelegenen zentralen und östlichen Teile der Antarktis bisher noch relativ stabil sind, tragen vor allem die rapide schrumpfenden Küstengletscher der Westantarktis zum Abtauen bei.
- Seit 1992 haben Grönland und die Antarktis den Meeresspiegel um 21 Millimeter erhöht. Knapp zwei Drittel des Schmelzwassers stammten dabei aus Grönland, wie die Auswertungen ergaben. Die Eisschmelze in Grönland und der Antarktis ist damit inzwischen für 25,6 Prozent des Pegelanstiegs verantwortlich.
Der Amazonas-Regenwald nimmt gewaltige Mengen Wasser auf und verdunstet es wieder. In der Atmosphäre bilden sich regelrechte Feuchtigkeitsflüsse, die auch die Niederschläge in Europa beeinflussen.
Intakte Wälder sind CO₂-Senken. Die Bäume nehmen CO₂ aus der Atmosphäre auf, per Photosynthese wird es in Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O) gespalten. Der Kohlenstoff dient dem Holzwachstum, der Sauerstoff wird frei. Derzeit sind bereits rund 17 Prozent der Amazonas-Regenwaldflächen abgeholzt. Sind etwa 25 Prozent erreicht, dann stirbt der Regenwald auch ohne Rodung langsam ab, weil die Feuchtigkeit fehlt. Eine wichtige CO₂-Senke wäre verloren.
Der Golfstrom transportiert warmes Oberflächenwasser aus den Subtropen bis in die Arktis. Gleichzeitig strömt kaltes Tiefenwasser von Norden nach Süden. Insgesamt sorgt diese Golfstromzirkulation in West- und Nordeuropa für ein mildes Klima.
Die Klimaerwärmung lässt nun arktische Eismassen schmelzen, das Süßwasser verändert den Salzgehalt im Meerwasser, die Dichte nimmt ab, das Wasser wird leichter und sinkt demzufolge weniger tief ab. Dadurch - so meinen Wissenschaftler - verlangsame sich die Zirkulation des Golfstroms. Geht dieser Prozess weiter, würde die Durchschnittstemperatur in Nord- und Westeuropa deutlich sinken, Niederschläge würden zunehmen und das maritime Ökosystem würde sich mit nicht absehbaren Folgen verändern.
Ozeane speichern bisher rund ein Drittel der menschengemachten CO₂-Emissionen. Doch irgendwann ist auch dieser gigantische Speicher voll. Ist das der Fall, würde das CO₂ in der Atmosphäre bleiben und den Klimawandel beschleunigen. Also bremsen die Meere den Klimawandel derzeit noch.
Aber: CO₂ wird im Meerwasser gelöst, es entsteht Kohlensäure, das Wasser versauert. Ein hoher Säuregehalt schädigt die Kalkskelette der Korallen. Auch Muscheln und Krebse könnten keine stabilen Gehäuse mehr bilden. Hinzu kommt die Erwärmung der Weltmeere. Das Ökosystem rund um Korallenriffe ist ernsthaft gefährdet. Das sogenannte Korallensterben wurde bereits an mehreren Hotspots der Weltmeere nachgewiesen.
Treten die Kipppunkte ein, besteht nach Meinung der Klimaforscher die Gefahr, dass abrupte, drastische Klimaänderungen die Anpassungsmöglichkeiten der menschlichen Gesellschaft übersteigen. Folge könnten weitreichende Verwüstungen sein, eine Ernährungskrise oder eine ernsthafte Gefährdung der Trinkwasserversorgung. Teile der Erde würden unbewohnbar, Flüchtlingsbewegungen gigantischen Ausmaßes kämen in Gang.
Einen exakten Grenzwert, ab welchem globalen Temperaturniveau Kipppunkte überschritten werden, können Klimawissenschaftler nicht angeben. Daher werden statistische Temperaturkorridore festgelegt, in dem das Risiko für das Erdsystem wächst.
von Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion
Wandel durch Sozialverhalten und Politik
Auch die Einführung und Förderung klimafreundlicherer Technologien durch die Politik könnten positive Kipppunkte etwa beim Heizen oder im Transportwesen beschleunigen. Soziale Dynamiken könnten zudem dazu führen, dass die Mehrheit der Menschen ihren Fleischkonsum einschränkt oder ihr Mobilitätsverhalten verändert.
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