UN-Generaldebatte:Anerkennung Palästinas: Wo steht Deutschland?
Die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Frankreich setzt Bundeskanzler Merz unter Druck. Für ihn steht diese erst am Ende eines Prozesses. Für die SPD nicht unbedingt.
Nach Großbritannien haben auch Frankreich und weitere Länder Palästina als Staat anerkannt.
22.09.2025 | 3:24 minDass Frankreich Palästina als Staat jetzt offiziell anerkennt, erhöht den Druck auf die Bundesregierung. International sind es inzwischen mehr als 150 von 193 Staaten, die diesen Schritt gegangen sind.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält die Anerkennung Palästinas für den ersten Schritt für den Frieden zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk. Vor Beginn der UN-Vollversammlung, die heute in New York stattfindet, sagt er:
Nichts rechtfertigt den anhaltenden Krieg in Gaza. Nichts.
Emmanuel Macron, Präsident Frankreich
In New York kommen die Vereinten Nationen zur Generaldebatte zusammen. Ein Thema wird auch der Gaza-Krieg sein. Frankreich und Belgien haben Palästina nun auch als Staat anerkannt.
23.09.2025 | 1:48 minMerz fehlt bei UN-Debatte in New York
Bei der Generaldebatte wird Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) fehlen, er lässt sich von Außenminister Johann Wadephul (CDU) vertreten. Wiederholt hatte Merz erklärt, dass eine Anerkennung Palästinas der letzte Schritt in einem Friedensprozess sei, aus dem eine Zwei-Staaten-Lösung hervorgehe.
Der CDU-Politiker und Außenexperte Jürgen Hardt rechtfertigt diese Position. Er sagt ZDFheute:
Wir sind eben nicht überzeugt, dass die Anerkennung eines Staates Palästina zum jetzigen Zeitpunkt die Chancen auf Frieden erhöhen würde.
Jürgen Hardt, CDU
Stattdessen könne damit die "Entfremdung und Polarisierung zwischen den Konfliktparteien" erhöht werden.
Die UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung könnte an Israel und den USA scheitern. Man könne es als Symbolpolitik sehen, jedoch ein starkes Symbol, so ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht aus New York.
22.09.2025 | 2:22 minCDU-Politiker Hardt warnt vor symbolischen Gesten
Die Unterstützung für die Palästinenser sei aus der Verantwortung für Israel geboren. Deutschland stehe wie kein anderer Staat seit Jahrzehnten für die Zweistaatenlösung ein. "Manchmal ist operative Politik wichtiger als symbolische Gesten", so Hardt.
"Das ändert aber nichts daran, dass Frankreich, das Vereinigte Königreich und Deutschland weiter gemeinsam für dasselbe Ziel einstehen."
ZDFheute Infografik
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SPD: Verständnis für Frankreichs Schritt
Vom Koalitionspartner SPD kommt hingegen Zustimmung für die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Frankreich. Der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetovic nennt die Entscheidung Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas einen "konsequenten Schritt in der eigenen Nahostpolitik". Er sagt ZDFheute:
Wir haben dafür Verständnis.
Adis Ahmetovic, SPD
Aus Sicht der SPD müsse die Anerkennung nicht zwingend am Ende stehen. Europa benötige eine geschlossene Position, "die auf einen neuen Prozess zur Zwei-Staaten-Lösung setzt - nur so kann dauerhafter Frieden in der Region entstehen".
Kurzfristig müsse die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu den Krieg beenden, um das Leid der Palästinenser zu verringern und die Geiseln aus den Händen der Hamas durch Diplomatie freizubekommen.
Ischinger: "Gewisser Akt der Verzweiflung"
Der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sagt im Morgenmagazin von ZDF und ARD:
Das Leid der Menschen in Gaza, die Probleme im Westjordanland werden damit nicht etwa durch einen Federstrich beseitigt.
Wolfgang Ischinger, früherer Leiter Münchner Sicherheitskonferenz
Vor Ort ändere sich durch die Anerkennung Palästinas nichts. "Erstens ist das ein gewisser Akt der Verzweiflung, weil einem nichts Besseres einfällt."
Der zweite Punkt sei, dass "wir Europäer insgesamt mit oder ohne Anerkennung Palästinas einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust erlitten haben und weiter erleiden".
Wolfgang Ischinger bei Phoenix zur Anerkennung Palästinas.
23.09.2025 | 8:39 minEuropäische Sanktionen gegen Israel?
Europa müsse sich "vom Rest der Welt, insbesondere aus dem globalen Süden, natürlich den Vorwurf anhören, auf den wir keine besonders gute Antwort haben: 'Ihr wart doch immer die Propheten der Menschenrechte, was tut ihr eigentlich, wo ist Europa?'" Die Europäische Union sei außenpolitisch zerfallen. "Ein ganz schlimmer Befund."
Die EU-Kommission hatte vergangene Woche einen Sanktionskatalog vorgestellt, um den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, langfristig sei ihre Position "ganz klar". Die Zwei-Staaten-Lösung sei die einzige Perspektive für einen langfristigen Frieden in der Region. Für ein Sanktionspaket braucht es im Rat der EU-Mitgliedstaaten die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten.
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von Nils Metzger