Digitalgipfel: Wie kann Europa digital unabhängiger werden?

KI und digitale Souveränität:Was vom Digitalgipfel in Berlin erwartet wird

Jan Henrich aus dem ZDF-Hauptstadtstudio

von Jan Henrich, Berlin

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In Berlin treffen sich Größen aus Politik und Wirtschaft, um über die digitale Zukunft Europas zu diskutieren. Der Gesprächsbedarf ist groß, die Herausforderungen auch.

Bayern, München: Glasfaserkabel stecken in einem Rechenzentrum vom bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) in einem Netzwerk-Switch.

In Berlin findet heute ein Digitalgipfel statt. Eingeladen haben die Digitalministerien Deutschlands und Frankreichs.

Quelle: Matthias Balk/dpa

Die Ausgangslage ist alles andere als rosig für den europäischen Digitalstandort. US-amerikanische Unternehmen wie Meta und Alphabet dominieren den Kommunikationsmarkt und auch im Bereich Künstlicher Intelligenz und Cloud-Infrastruktur kommen die großen Player häufig nicht aus Europa. Eine erfolgreiche Digitalpolitik ist längst auch zu einer Frage von geopolitischen Interessen und Souveränität geworden.

Beim Digitalgipfel soll darüber diskutiert werden, wie sich Abhängigkeiten abbauen und europäische Strukturen stärken lassen. Die Konferenz ist hochkarätig besetzt, doch Experten bezweifeln, dass es einfache Lösungen für die Versäumnisse der Vergangenheit gibt.

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Deutschland und Frankreich hoffen auf "mutige Entscheidungen"

Schon der Blick auf das Programm des Gipfels lässt erahnen, wie breit gefächert die Herausforderungen liegen: Vom Ausbau der Daten-Infrastruktur über die Förderung von KI-Startups bis hin zu Datenschutz-Regeln und der digitalen Geldbörse. Regierungsvertreter aus mehr als 23 EU-Staaten haben sich angekündigt. Der deutsche Digitalminister Karsten Wildberger hatte gemeinsam mit seinem französischen Pendant zu dem Gipfel eingeladen.

Deutschland und Frankreich wollen Motor für mehr europäische digitale Souveränität sein.

Karsten Wildberger, Bundesdigitalminister

Wildberger betonte im Vorfeld, dass es mutige Entscheidungen brauche. Dafür solle von dem Gipfel ein Signal ausgehen, insbesondere in Richtung EU-Ebene.

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Brüssel in vielen Fragen zuständig

Denn ein Alleingang wäre ohnehin im Bereich Digitalpolitik kaum möglich. Brüssel ist für den digitalen Binnenmarkt und damit sowohl für Gesetze über KI-Anwendungen als auch für die Regulierung von Social-Media-Plattformen zuständig. Zu beiden Bereichen hatte die EU in den vergangenen Jahren Gesetze erlassen.

Doch die digitale Welt ist schnelllebig. Erst im August 2024 war das neue europäische KI-Gesetz in Kraft getreten, nun plant die EU-Kommission schon wieder einen neuen Regelungsrahmen. Mit dem sogenannten "digitalen Omnibus" sollen Datenschutzgesetze und KI-Regeln neu gefasst und gebündelt werden.

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Open-Source für die öffentliche Verwaltung

Eines der konkreten Projekte, die Deutschland und Frankreich auch ohne Brüssel anstoßen können und beim Gipfel zeigen wollen, betrifft Arbeitsplatz-Anwendungen in den eigenen Behörden. Mit dem deutschen "openDesk" und dem französischen "La Suite" verfügen die beiden Staaten über Open-Source-Alternativen zu Produkten von Microsoft oder Google. Geht es nach den Gipfel-Initiatoren, könnten die Anwendungen künftig europaweit in öffentlichen Verwaltungen zu einem Standard werden.

Dass solche Lösungen im Zweifel unerlässlich werden können, zeigt aktuell der Fall des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Die US-Regierung hatte einzelne Richterinnen und Richter mit Sanktionen belegt, nachdem der Gerichtshof zuvor Haftbefehle im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg erlassen hatte.

Das Microsoft-Konto des Chefanklägers wurde Berichten zufolge daraufhin gesperrt. Das Unternehmen dementiert zwar die Berichte. Dennoch hat der Gerichtshof angekündigt, künftig auf die deutsche "openDesk"-Lösung umzustellen.

Experte: Wir sind von einer Handvoll Digitalkonzernen abhängig

Solche Nischen seien es, die gestärkt werden müssten, sagt Digitalexperte Torben Klausa vom Thinktank "Agora Digitale Transformation". Die Erwartung, dass auf einen Schlag ein europäisches Facebook oder Google entstehen könnte, dämpft er.

Wir müssen aufhören zu glauben, wir könnten von jetzt auf gleich alles an Big Tech ersetzen.

Torben Klausa, Agora Digitale Transformation

Es ginge darum, Potenziale bestehender Alternativen so weit zur Marktreife zu verhelfen, dass man zumindest nicht mehr in der Abhängigkeit stecke, so Klausa. Am Ende sei das nicht nur für die europäische Wirtschaft essenziell, die auf dem Gipfel im Vordergrund steht, sondern auch für die Stärkung der demokratischen Institutionen in Europa.

Jan Henrich ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.

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