Debatte über Ausladungen: Weltkriegsgedenken ohne Russland?

Debatte über Ausladungen:Weltkriegsgedenken ohne Russland?

Jan Meier, ZDF-Landesstudio Brandenburg in Potsdam, mit Mikrofon.
von Jan Meier
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An vielen Weltkriegsgedenken soll Russland nicht teilnehmen - auch nicht in Sachsenhausen und Ravensbrück. Doch wie damit umgehen, wenn russische Vertreter dennoch kommen?

Gedenkstätte Sachsenhausen
Gedenkstätte Sachsenhausen (Archiv)
Quelle: dpa

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat offizielle Vertreter Russlands und von Belarus zu Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus ausgeladen - und verteidigt das nun.
Das sei "aus Rücksicht auf unsere ukrainischen Gäste" geschehen, sagt der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll. "Wir können das unseren Gästen aus der Ukraine nicht zumuten, wenn gleichzeitig offizielle russische Vertreter bei dem Gedenken auftauchen."

Überlebende bei Gedenken in Sachsenhausen

Zu den Hauptveranstaltungen in Brandenburg anlässlich der Befreiung der Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen vor 80 Jahren kommen somit etwa Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne) - aber keine Vertreter Russlands.
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Zum Gedenken in Sachsenhausen werden auch fünf Überlebende erwartet, darunter ein 100-Jähriger aus der Ukraine, der nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs in die Schweiz floh und somit wieder die Folgen eines Krieges zu spüren bekam.

Russische Botschaft protestiert

Die russische Botschaft in Deutschland protestiert indes: "Der Jahrestag des Sieges über den Nazismus ist ein heiliger Tag für alle Völker der ehemaligen Sowjetunion", heißt es in einer Erklärung. Man brauche keine besondere Einladung, "um an öffentlich zugänglichen Orten das Andenken an die sowjetischen Befreier und die Opfer des Nazismus zu ehren und den Tag des Sieges feierlich zu begehen".
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Ohne Zweifel hat Russland, so wie andere Sowjetrepubliken auch, einen riesigen Blutzoll für die Niederringung Hitler-Deutschlands und die Befreiung Europas entrichtet. Etwa elf Millionen sowjetische Soldaten gaben ihr Leben. Mehr als in jeder anderen Armee. Auf der anderen Seite bringen russische Soldaten seit Februar 2022 täglich Tod und Terror über die Ukraine in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.

Botschafter ohne Einladung in Seelow

Bereits Mitte April war Botschafter Sergej Netschajew ohne Einladung zum Gedenken an die Schlacht um die Seelower Höhen erschienen. Der Angriff im April des Jahres 1945 ging als schwerste Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden in die Geschichte ein. Auf den Seelower Höhen sind Gräber von mehr als 7.000 sowjetischen Soldaten, auf Gedenktafeln werden jedes Jahr neue Namen von Gefallenen eingraviert, deren Schicksal erst Jahrzehnte nach dem Krieg geklärt werden konnte. Darunter sind Russen und Ukrainer.
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Deshalb wollte der Vize-Landrat von Märkisch-Oderland und Gastgeber der Veranstaltung, Friedemann Hanke (CDU), dem Diplomaten den Zutritt an diesem Tag nicht verwehren: "Unsere Erfahrung ist, was vielleicht an Instrumentalisierung passiert, passiert dann vor allen Dingen den russischen Medien gegenüber in Interviews. Das ist dann aber nicht mehr unsere Sache."

Auswärtiges Amt warnte vor Instrumentalisierung

Auch die Teilnahme am "Elbe-Day" am vergangenen Freitag hatte sich Botschafter Netschajew nicht nehmen lassen. Am 25. April 1945 trafen sich nahe der Elbbrücke in Torgau US-amerikanische und sowjetische Soldaten. Die USA hatten ihre Teilnahme an der Gedenkveranstaltung abgesagt.
Nicht nur der Jahrestag sorgt dafür, dass intensiver als in den Vorjahren über den Umgang mit russischen und belarussischen Vertretern bei offiziellen Gedenkveranstaltungen diskutiert wird. Das Auswärtigen Amt hatte davor gewarnt, dass Russland die Veranstaltung für seine Propaganda nutzen könnte. Deshalb riet es von einer Teilnahme russischer und belarussischer Vertreter bei Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab.
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Botschaftsmitglieder sollen Ende April der Opfer gedenken

Der Berliner Senat und der Bundestag halten sich bei ihren Gedenkveranstaltungen am 8. Mai daran. Die Brandenburger Gedenkstätten gehen noch weiter: "Wenn der Botschafter zur offiziellen Gedenkfeier am 4. Mai trotzdem kommt, werden wir unser Hausrecht durchsetzen - in enger Abstimmung mit Sicherheitskräften", betont Direktor Drecoll.
Ein wenig kommt er der russischen Botschaft aber entgegen. An einem zusätzlichen Termin, in diesem Jahr am 28. April, können Vertreter der russischen Botschaft ein stilles Gedenken abhalten.

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