Vor dem Stahlgipfel im Kanzleramt:Wie kann der deutschen Stahlproduktion geholfen werden?
von Dominik Müller-Russell
Hohe Produktionskosten, Druck durch Billigkonkurrenz: Die deutschen Stahlproduzenten stecken seit Jahren in der Krise. Kann der Stahlgipfel heute in Berlin die Wende bringen?
Die Stahlindustrie ist in Deutschland von mehreren Seiten unter Druck.
Quelle: dpaWer kommt zusammen?
Bei einem Stahlgipfel beraten Regierung, Branchenvertreter und Gewerkschafter am Donnerstag, wie die Politik die kriselnde Stahlbranche unterstützen kann. Für die Regierung wollen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) teilnehmen.
Außerdem sind die Ministerpräsidenten aus den stahlproduzierenden Ländern geladen. Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und das Saarland haben bereits gestern einen umfangreichen Forderungskatalog an die Bundesregierung veröffentlicht.
Die Feier zum Tag der Deutschen Einheit findet 2025 in Saarbrücken statt. Im Saarland wird die Einheit ohnehin europäisch gedacht, etwa durch eine Zusammenarbeit bei grünem Stahl.
02.10.2025 | 1:30 minWie ist die Lage bei den deutschen Stahlherstellern?
Die Branche ist von mehreren Seiten unter Druck. Zum einen ist die Stahlproduktion sehr energieintensiv - die Hersteller Thyssenkrupp, ArcelorMittal, Salzgitter, HKM, Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl ächzen unter hohen Kosten für Strom und Gas. Im benachbarten Ausland und in anderen Weltregionen sind diese deutlich günstiger.
Hinzu kommt, dass die Umstellung auf sogenannten grünen Stahl inklusive einer Wasserstoffinfrastruktur sehr teuer ist. Mehrere Stahlproduzenten wollen diesen Weg beschreiten, weil sie hoffen, dass grüner, umweltverträglich hergestellter Stahl in Zukunft immer wichtiger wird. Gleichzeitig bricht den Herstellern der Markt weg. Abnehmer wie die Baubranche, Maschinenhersteller oder die Automobilindustrie stecken in einer Krise und benötigen weniger Mengen.
Auch wenn die von den USA geplanten Strafzölle anscheinend keine Unterscheidung zwischen Basis-Werkstoffen und hochwertigen High-Tech-Produkten vorsehen, ist die Welt des Stahls extrem vielfältig. Nach einer Übersicht der Wirtschaftsvereinigung Stahl produziert allein die europäische Industrie rund 2.500 genormte Stähle. Bis zu 30 völlig neue Stahlsorten kommen jedes Jahr hinzu. Das Angebot reicht von vergleichsweise simplen Qualitäten für die Konservendosen-Herstellung oder die Bauindustrie bis zu hoch- und höchstfesten Stählen für die Automobilhersteller und die Maschinenbauer.
Die Karosserie des aktuellen VW Golf etwa besteht nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung zu 80 Prozent aus hoch- und höchstfesten Stahlsorten. Eine wichtige Rolle spielen dabei Mangan-Bor-Stähle, die hohe Crash-Sicherheit bei geringem Gewicht bieten.
In Kraftwerken kommen Stahlsorten zum Einsatz, die besonders darauf optimiert sind, hohen Temperaturen und Druckbelastungen zu widerstehen. Bei Baggerschaufeln garantiert Spezialstahl hohe Abriebfestigkeit, bei Stoßdämpfern hohe Formfestigkeit auch nach zahllosen Stoßbeanspruchungen. Stahl kann in so vielfältiger Weise verwendet werden, weil sich seine physikalischen und chemischen Eigenschaften in weiten Grenzen gezielt verändern lassen.
Die Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten spiegelt sich in der Vielzahl der Kunden der Stahlindustrie wider. Die wichtigsten Abnehmerbranchen sind die Automobilindustrie, die Bauindustrie und der Maschinenbau. Auf sie entfallen zusammen fast drei Viertel des Stahlverbrauchs.
Quelle: dpa
Und schließlich wird der europäische Markt zurzeit mit billigem Stahl aus Asien geflutet. Weil es in China riesige Überkapazitäten gibt und weil der amerikanische Markt durch hohe Schutzzölle wegbricht, bieten asiatische Produzenten ihren Stahl zu Dumpingpreisen in Europa an.
Die Unternehmensleitung des Stahlriesen ThyssenKrupp kündigt die Schließung des Werks im Siegerland an. Wenn das „Zukunftskonzept“ umgesetzt wird, wären mehr als 600 Arbeitsplätze davon betroffen.
26.11.2024 | 1:50 minWie ist die Situation beim größten deutschen Stahlproduzenten Thyssenkrupp Steel?
Das Traditionsunternehmen aus Duisburg steckt seit Jahren in der Krise. Der Mutterkonzern Thyssenkrupp plant seit langem, seine defizitäre Stahlsparte abzustoßen und sucht dafür einen Investor, doch die Stahltochter Thyssenkrupp Steel ist vor allem mit sich selbst beschäftigt und tauscht in kurzen Abständen seine Führungsspitzen aus.
Gleichzeitig versucht man in Duisburg, sich fit zu machen für die Zukunft durch den Aufbau einer Produktionsanlage, mit der sich umweltverträglicher grüner Stahl herstellen lässt. Nachdem ein tschechischer Investor abgesprungen ist, hofft Thyssenkrupp nun auf einen Einstieg des indischen Stahlkonzerns Jindal Steel.
Die Inder versprechen sich von einer Übernahme, besser in Europa Fuß zu fassen. Außerdem wollen sie die Transformation hin zu grünem Stahl vorantreiben. Die IG Metall begrüßt die Einstiegspläne.
15 Prozent Zölle auf die meisten EU-Produkte sowie 50% Sonderzölle für Stahl- und Aluminium -all das verbunden mit mehr Bürokratie. Der VDMA warnt: Ohne Einigung steht das US-Geschäft vieler Unternehmen in Deutschland vor dem Aus.
08.09.2025 | 2:01 minWas fordert die Branche von der Politik?
Die Stahlproduzenten wünschen sich vor allen Dingen einen Industriestrompreis, um konkurrenzfähig zu sein, aber auch niedrigere Gaspreise. Außerdem soll ihnen die Politik bei den Kosten für CO2-Emissionen entgegenkommen. Die Bundesregierung soll sich außerdem stark machen für die EU-Pläne zu verschärften Schutzzöllen, um die hiesigen Märkte etwas zu entspannen. Schließlich fordern die Unternehmen verlässliche Zusagen der politischen Entscheider zum Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur für die grüne Stahlproduktion.
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