Stegner zu SPD-Manifest: "Besiegen kann man Russland nicht"

Interview

Streit um SPD-Manifest:Stegner: "Besiegen kann man Russland nicht"

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In einem stark umstrittenen "Manifest" fordern mehrere SPD-Politiker einen anderen Umgang mit Russland. Erstunterzeichner Ralf Stegner verteidigt im ZDF-Interview das Vorgehen.

Ralf Stegner
Sehen Sie hier das komplette Interview mit Ralf Stegner oder lesen Sie es nachfolgend in Auszügen.12.06.2025 | 6:58 min
Es sind rund sechs Seiten, die für Streit in der SPD sorgen. In einem sogenannten Manifest mit dem Titel "Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung" fordern mehrere prominente Sozialdemokraten eine Annäherung an Russland. Eine Stärkung der sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Europas sei zwar notwendig, diese müsse aber in eine Strategie der Deeskalation und schrittweisen Vertrauensbildung eingebettet sein.
Der Text stößt auch parteiintern auf heftige Kritik. Der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels erklärt: "Dass manches klingt wie das Narrativ des Kreml, ist hoffentlich keine Absicht". Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnet das Papier als "Realitätsverweigerung".
Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der zu den Erstunterzeichnern gehört, spricht dagegen im ZDF-Morgenmagazin über notwendige diplomatische Anstrengungen, die SPD als Friedenspartei und das "Manifest" als Folge des erstarkten Populismus.
Boris Pistorius vor Kameras - er äußert sich zu Manifest
Ein Manifest prominenter SPD-Politiker fordert von der Bundesregierung eine grundlegende Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik - und entfacht einen innerparteilichen Streit.11.06.2025 | 2:29 min

Stegner: Alleinige Aufrüstung kann nicht die Lösung sein

Angesichts der weltweiten Kriege - insbesondere in der Ukraine und Gaza - müsse neben Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit mehr in Sachen diplomatischer Anstrengungen getan werden, erklärt Stegner. Das schließe eine Unterstützung der Ukraine beispielsweise mit Flugabwehraketen jedoch nicht aus. Die Strategie, den russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, sei jedoch "gescheitert". Alleinige Aufrüstung könne nicht die Lösung sein.

Totrüsten werden wir uns wechselseitig nicht und militärisch besiegen kann man Russland auch nicht.

Ralf Stegner, SPD-Außenpolitiker

Der SPD-Politiker hebt zudem hervor, dass es nicht um Pazifismus gehe. Man müsse sich auch mit Ländern verständigen, deren Werte man nicht teile. Er glaube, es sei "nicht naiv, auch diplomatische Antrengungen zu verstärken", so Stegner. Sicherlich gebe es bereits beharrliche, mühselige, diplomatische Verhandlungen hinter den Kulissen, aber die hätten bislang nicht zum Erfolg geführt.
SGS Zimmermann Sievers
Die Position des "Manifests" mehrerer SPD-Politiker sei in der Partei "nicht mehrheitsfähig", so die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Diana Zimmermann. 11.06.2025 | 2:46 min

Manifest soll auch Antwort auf Populisten sein

Ein Nato-Ausgabenziel von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukt bedeute "irrsinnige Summen in Rüstung", das sei ein gefundenes Fressen für Populisten, sagt Stegner. Man dürfe das Thema nicht den Populisten überlassen, das müssten "demokratische Parteien" tun - insbesondere die SPD als Friedenspartei.

Man muss die Debatte auch führen, weil bei der letzten Bundestagswahl die Populisten und Rechtsradikalen mit dem Friedensthema Prozente geholt haben.

Ralf Stegner, Mitglied Auswärtiger Ausschuss

Gerade wegen der Niederlage der vergangenen Bundestagswahl müsse die Debatte jetzt - zwei Wochen vor dem SPD-Parteitag und kurz vor dem anstehenden Nato-Gipfel - geführt werden, so der Bundestagsabgeordnete. Eines der Probleme seiner Partei sei gewesen, dass man die Themen Frieden und Migration "geradezu kampflos den Populisten überlassen" habe.
SGS Goekdemir Ahmetovic
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion distanziert sich: Man wolle zwar auf Diplomatie setzen zum Beenden des Krieges, dazu brauche man allerdings auch militärische Stärke.12.06.2025 | 4:07 min

Stegner: Papier ist ein "Debattenbeitrag"

Unter den mehr als 100 Unterzeichnern des sogenannten Manifests befinden sich aktuell nur fünf aktive SPD-Bundestagsabgeordnete. Stegner verweist darauf, dass die SPD immer eine Friedenspartei gewesen sei. Zudem habe man gerade erst begonnen, Unterzeichner zu sammeln. Er sieht das "Manifest" als wichtigen "Debattenbeitrag".

Wenn wir nicht mehr diskutieren, was soll denn die Alternative dazu sein? Die SPD ist überhaupt die einzige Partei, die über friedenspolitische Konzepte diskutiert. Andere tun das gar nicht, reden nur noch über Waffen.

Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter

Er wünsche sich manchmal ein bisschen mehr Toleranz für andere Positionen. Es sei ihm unterstellt worden, er sei ein "Trottel" oder "Putin-Freund". Das sei alles großer Humbug, so der SPD-Politiker.
Das Interview führte ZDF-Morgenmagazin-Moderator Mitri Sirin. Zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Kai Remen.

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