SPD-Parteitag: Wahlergebnis ein "Tiefschlag für Klingbeil"
Interview
Experte zum SPD-Parteitag:"Tiefschlag für Klingbeil, mehr als ein Denkzettel"
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Lars Klingbeil bleibt SPD-Vorsitzender - wurde aber mit einem schlechten Ergebnis abgestraft, analysiert Politikwissenschaftler von Lucke. Auf ihn komme eine Bewährungsprobe zu.
Lars Klingbeil ist mit nur knapp 65 Prozent wiedergewählt worden. Das sei eine “Abrechnung, weil er sich machtpolitisch durchgesetzt hat”, so Politikwissenschaftler von Lucke.
27.06.2025 | 12:26 min
Beim Bundesparteitag der SPD in Berlin ist Lars Klingbeil als Parteivorsitzender bestätigt worden - allerdings stimmten nur 64,9 Prozent der Delegierten für den Bundesfinanzminister und Vizekanzler. Arbeitsministerin Bärbel Bas hingegen wurde mit 95 Prozent neu in die Parteispitze gewählt.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sieht in dem Wahlergebnis "weit mehr als einen Denkzettel". Es sei ein "Tiefschlag für Lars Klingbeil", sagte er bei ZDFheute live.
Es war die Bestrafung beziehungsweise die Abrechnung dafür, dass er sich machtpolitisch sehr hart durchgesetzt hat, auch verdiente Mitglieder der letzten Regierung abgestraft hat.
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Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler
Der frühere Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Svenja Schulze bekamen in der neuen Regierung keine Posten, obwohl sie als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt worden waren.
Bei ihrem Bundesparteitag hat die SPD Altkanzler Scholz und Ex-Parteichefin Esken gewürdigt. Gerungen wurde in Berlin besonders um die Frage eines verpflichtenden Wehrdienstes.28.06.2025 | 2:52 min
SPD stellt ihrer Parteispitze Bewährungsauftrag
Für Klingbeil sei das schlechte Abschneiden überraschend gekommen, vermutete von Lucke. "Mit einem Ergebnis unter 70 Prozent hat er sicherlich nicht gerechnet, das ist hart."
Eine gewisse Tragik habe das schlechte Abschneiden auch, denn man müsse Klingbeil zugute halten, dass er der Partei Orientierung gegeben und vor den Koalitionsverhandlungen für Ordnung gesorgt habe. Klingbeil sei neben dem schlechten Bundestagswahlergebnis auch für das starke Ergebnis in den Koalitionsgesprächen verantwortlich, analysierte von Lucke.
Quelle: Imago
... ist Jurist und Politikwissenschaftler. Außerdem arbeitet er als Redakteur und Autor für das Monatsmagazin "Blätter für deutsche und internationale Politik". In seinen Publikationen befasst er sich u.a. mit der Ampel-Regierung und der AfD.
Friedensmanifest spaltet die Partei
Der Vizekanzler könne seine Wiederwahl nun als "Bewährungsauftrag" verstehen - als Auftrag, in Zukunft Fehler zu vermeiden und die Partei stärker zusammenzuführen, so von Lucke.
Er wird jetzt in Zukunft daran gemessen werden, was er mit dieser Machtfülle macht.
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Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler
Das "Manifest für den Frieden", mit dem sich mehrere SPD-Politiker um Rolf Mützenich und Ralf Stegner von Waffenlieferungen an die Ukraine distanzierten, bezeichnete von Lucke als "ein riesiges Problem für die Parteiführung".
Das so genannte Manifest zahlreicher prominenter SPD-Politiker, das eine Kehrtwende in der Außenpolitik und eine Annäherung an Russland fordert, richtet sich auch gegen Parteichef Lars Klingbeil.15.06.2025 | 4:06 min
Der Politikwissenschaftler sieht einen "generationellen Riss" in der SPD: Es seien vor allem Stimmen der "80er-Jahre-SPD", die sich gegen die Aufrüstungspolitik stellten. Diese Stimmen davon zu überzeugen, dass sich die Situation unter dem für Reformen offenen Michail Gorbatschow nicht mit der heutigen vergleichen lasse, werde "ungemein schwierig".
Dieser Streit geht tief in die Partei und ist noch lange nicht ausgestanden.
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Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler
Wo steht die SPD nach dem schwachen Wahlergebnis gestern für den neuen alten SPD-Chef Klingbeil? Die Partei will zurück in die Erfolgsspur. Shakuntala Banerjee berichtet.28.06.2025 | 1:17 min
Um den Absturz der SPD zu stoppen, reiche es aber nicht, die innerparteilichen Risse zu kitten, so von Lucke. Er sieht mehrere Aufgaben für die Partei:
Die SPD müsse wieder in die Gesellschaft wirken, wieder "Kern der interessanten Debatten" werden.
Sie müsse eine Vision liefern, die über die Regierungsarbeit hinausgeht, und dabei beantworten: "Was ist eigentlich die Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts?"
Und die SPD müsse die jüngere Generation wieder besser erreichen.
Wenn ihr das gelingt, hat die Sozialdemokratie eine Zukunft. Aber im Moment ist sie davon noch weit entfernt.