Der Sozialstaat soll umgebaut werden - nur wie?

Expertenpositionen und Politik:Der Sozialstaat soll umgebaut werden - nur wie?

von Anja Heyde
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Wie wird der Sozialstaat künftig aussehen? Darüber wird heftig debattiert, auch unter Experten. Die einen wollen Menschen länger arbeiten lassen, die anderen setzen auf Umverteilung.

Koalition

Wie soll unser Sozialstaat in Zukunft finanziert werden? Vorschläge dazu gibt es auch von Experten.

02.09.2025 | 2:42 min

Es klafft eine Lücke im Bundeshaushalt: Schon 2027 könnten 30 Milliarden Euro fehlen. Um das Problem zu lösen, wollen die einen an die Vermögen ran, die anderen an den Sozialstaat. Fakt ist: Von den insgesamt 476 Milliarden Euro, die der Bund 2024 ausgegeben hat, waren 218 Milliarden Sozialausgaben.

Darin waren die mit 137 Milliarden Euro mit Abstand größte Posten Zuschüsse für Rente, Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Um das in den Griff zu bekommen, könnten die Menschen beispielsweise länger arbeiten. Der frühere Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, sagt dazu:

Dieser Modellrentner, der heute ja 45 Beitragsjahre hat, der könnte ja in Zukunft 47 Beitragsjahre haben, wenn wir in die Rente mit 67 kommen und dann wäre schon ein bisschen was gelöst.

Lars Feld, Ökonom

Merz Sozialstaat

Berlin ringt um eine Reform des Sozialstaats. Während Kanzler Merz Reformen für überfällig hält, bezeichnete Arbeitsministerin Bas die Debatte als "Bullshit".

01.09.2025 | 2:06 min

Umverteilung bei Renten?

Das würde aber für die kommenden Generationen bedeuten, dass sie länger arbeiten müssten - für das gleiche Geld. Ein anderer Vorschlag setzt auf Umverteilung. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, hat sich für einen Soli ausgesprochen. Demzufolge sollen "die 20 Prozent der reichsten Rentnerinnen und Rentner" ungefähr drei bis vier Prozent ihres monatlichen Einkommens abgeben, damit die unteren 40 Prozent mit den geringsten Einkommen mehr Geld in der Tasche haben.

Und noch ein Posten im Haushalt wird diskutiert: 47,3 Milliarden Euro gingen 2024 aus dem Bundeshaushalt ins Bürgergeld und die dazugehörigen Kosten. Ökonom Lars Feld schlägt dazu vor, dass man Bürgergeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag so aufeinander abstimmen müsse, "dass Doppelungen wegfallen und dass die Arbeitsanreize gestärkt werden, insbesondere im unteren Einkommensbereich".

Katharina Dröge  Bündnis 90/Die Grünen | Fraktionsvorsitzende

Der Streit um das Bürgergeld sei eine "schäbige Ablenkungsdebatte der CDU", sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge.

02.09.2025 | 6:02 min

Vermögen besteuern - würde der Bund profitieren?

Wirtschaftsforscher Fratzscher bringt ein weiteres Thema ins Spiel: "Wenn Deutschland Vermögen genauso stark wie Frankreich, Großbritannien oder die USA besteuern würde, dann hätte der deutsche Staat jedes Jahr 120 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen und könnte darüber alle zusätzlichen Ausgaben für Verteidigung, für Investitionen und für die Sozialsysteme finanzieren", sagt er.

Als es die Vermögenssteuer noch gab, war sie allerdings Ländersache - der Bund hätte davon nicht profitiert. Es ist also fraglich, ob er es nun würde. Welche Stellschrauben bleiben also noch? Der ehemalige Wirtschaftsweise Feld und auch Wirtschaftsforscher Fratzscher nennen in diesem Zusammenhang Subventionen des Bundes. Sie seien seit 2015 um das Dreieinhalbfache gestiegen.

Wir brauchen eine große Steuerreform, die parallel zur Sozialstaatreform geht. Und das sollte beinhalten, erstens, die vielen Subventionen und Privilegien abzuschaffen.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

An diesem Punkt sind sich die Wirtschaftsexperten also einig. Die Politik allerdings auch. Subventionen zu streichen ist derzeit nicht vorgesehen.

René Springer  AfD | Arbeits- und sozialpolitischer Sprecher

Mit dem Vorschlag einer stärkeren Vermögensbesteuerung gehe man "natürlich nicht mit", so der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD-Fraktion René Springer. Deutschland habe "kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem".

02.09.2025 | 7:47 min

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