Leiter von Schulen befragt:Schulleiter: "Ich verwalte den Mangel"
Wachsende Aufgaben, weniger Zeit: Eine Umfrage zeigt, dass viele Schulleiter unzufrieden sind mit der Politik. Einer von ihnen: Lars Lamowski. Im Interview erklärt er die Gründe.
Schulleiter schlagen seit vielen Jahren Alarm, dass es zu wenig Lehrer an Schulen gibt. Die Ressourcen und die Zeit fehlt, um Lehrkräfte einzustellen.
28.11.2025 | 1:45 minEine vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegebene bundesweite Befragung von rund 1.300 Schulleitern zeigt, dass mehr als 80 Prozent unzufrieden sind mit der Schulpolitik.
Im ZDFheute-Interview erklärt Lars Lamowski, woran es hakt. Er leitet eine Grundschule in Rheinland-Pfalz.
ZDFheute: Herr Lamowski, was würden Sie als die größte Herausforderung Ihres Berufs bezeichnen?
Lars Lamowski: Ganz klar den Lehrkräftemangel. Das zeigt auch unsere VBE-Befragung. Und natürlich auch die Bürokratie. Wir haben ein unglaubliches Maß an Bürokratie - und es kommt immer mehr dazu. Immer mehr dokumentieren, immer mehr Daten eingeben.
Das muss aufhören, das darf so nicht weitergehen.
Lars Lamowski, Schulleiter
In Baden-Württemberg sind aufgrund einer schweren IT-Panne 1.440 Lehrstellen fälschlicherweise als belegt verbucht worden. Der Fehler geht offenbar bis ins Jahr 2005 zurück.
17.07.2025 | 1:47 minZDFheute: Wie hat sich denn Ihr Berufsbild über die Jahre verändert?
Lamowski: Ich bin jetzt 20 Jahre Schulleiter und ich muss feststellen, dass die Mangelverwaltung eigentlich immer mehr Umfang annimmt. Das heißt, die Schulentwicklung, die uns Schulleitern am Herzen liegt, weshalb ich diesen Beruf mal angetreten bin, rückt immer mehr ins Hintertreffen.
Da wünschen wir uns als Schulleiter auch mehr an Freiraum, mehr Möglichkeiten, den Unterricht fortzuentwickeln. Aber dafür fehlt schlichtweg die Zeit.
ZDFheute: Was stresst Sie besonders?
Lamowski: Wenn sie tagtäglich damit zu kämpfen haben, dass zu wenige Lehrkräfte da sind, dass sie teilweise gezwungen sind, Leute einzustellen und vor eine Klasse zu bringen, die überhaupt nicht dafür ausgebildet sind, dann sind das Stresssituationen, die man sich sparen könnte, wenn man genügend Lehrkräfte hätte.
… ist 49 Jahre alt und leitet in Kirchen im Westerwald die Michaelschule, eine Ganztags-Grundschule mit derzeit 255 Schülern. Er ist Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung VBE Rheinland-Pfalz und seit 20 Jahren in der Schulleitung tätig.
Der VBE ist eine der beiden großen Bildungsgewerkschaften in Deutschland und vertritt eigenen Angaben zufolge rund 164.000 Pädagoginnen und Pädagogen in allen Bundesländern.
Allgemeiner Lehrkräftemangel, hohes Arbeitspensum, gestiegende gesellschaftliche Erwartungen. Viele Lehrkräfte fühlen sich nach dem Berufseinstieg alleingelassen.
05.05.2024 | 27:09 minZDFheute: Bedeuten mehr Mittel gleich Verbesserungen auf allen Ebenen?
Lamowski: Nein. Wir müssen auch umstrukturieren. Das heißt, wir müssen Schule neu denken, wir müssen am großen Rad drehen sozusagen, um die Schule besser zu machen: für Schulleitungen, für die Kolleginnen und Kollegen und vor allem für die Kinder.
Wir brauchen eine Schule, in der selbstverständlich ist, dass die Schulsozialarbeit mit rein gehört, genauso wie die Psychologie, wo die Förderschullehrerin und der Förderschullehrer mit im Team sind.
Lars Lamowski
Diese Aufgaben übernehmen mittlerweile mehr und mehr Schulleitungen und natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die eigentlich für den Unterricht da sein sollten.
ZDFheute: Sind die Schulen ausreichend finanziert?
Lamowski: Es wird immer so gesagt, wenn Sie mit den Politikern sprechen, der Bildungshaushalt ist der größte Haushalt, den das Land zur Verfügung stellt. Das ist schön und gut, aber es reicht nicht aus.
Wir brauchen mehr Geld im System, um Lehrkräfte einzustellen, es braucht mehr Planstellen für Lehrerinnen und Lehrer.
Lars Lamowski, Schulleiter
Und natürlich auch für die Ausstattung der Schulen, die Digitalisierung. Es gab einen Riesenschub damals bei Corona und jetzt müssen wir schon wieder darum kämpfen, dass ein gewisser Mindeststandard an den Schulen gegeben ist.
ZDFheute: Können Eltern was dazu tun, dass Ihre Arbeit erleichtert wird?
Lamowski: Es sind in unserer Schule viele engagierte Eltern dabei. Aber die Erwartungshaltung ist mittlerweile eine andere. Dadurch, dass wir Betreuungssysteme und Ganztagssysteme haben, wird oft einfach erwartet, die Schule ist für alles zuständig. Das heißt, ich gebe mein Kind morgens rein und es kommt sozusagen in ein paar Jahren bitte als Professor wieder raus. Das funktioniert so nicht.
Und da ist es natürlich notwendig, auch da eine Haltung in der Gesellschaft wieder zu verändern. Schule bedeutet nicht: Da sind wir außen vor als Eltern, sondern wir engagieren uns mit.
Es fehlen bundesweit mehrere Tausend Lehrer. Deswegen will Sachsen die vorhandenen Lehrer nun mehr arbeiten lassen. Der Lehrerverband warnt vor Überlastung und ruft zum Protest auf.
08.04.2025 | 1:30 minZDFheute: Wie sieht es denn mit Ihrer persönlichen Berufszufriedenheit aus?
Lamowski: Ich bin zufrieden als Schulleiter. Dennoch ärgere ich mich aber über vieles, ich habe auch viel zu wenig Zeit um Schulentwicklung möglich zu machen, weil ich den Mangel verwalte.
Aber ich tue das in diesem System für die Kinder und für die Kolleginnen und Kollegen, da liegt meine Motivation, und deshalb bleibe ich auch gerne dabei.
ZDFheute: Würden sie es nochmal machen?
Lamowski: Ich persönlich ja. Ob ich den Job weiterempfehlen würde, da müsste ich länger darüber nachdenken.
Das Interview führte Christopher Heinze aus dem ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.
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