Migration: Schwarz-rote Koalition will Familiennachzug aussetzen

Koalition will Nachzug aussetzen:Geflüchtete bangen um ihre Familien

Lisa Jandi, ZDF-Landesstudio Berlin
von Lisa Jandi
|

Laut dem Koalitionsvertrag soll der Familiennachzug für Geflüchtete ausgesetzt werden. Sie bangen um ihre Angehörigen, Hilfsorganisationen fordern: Familien gehören zusammen.

Flüchtlinge mit Koffern und Plastiktüten gehen im Grenzdurchgangslager Friedland an Unterkünften vorbei.
Die Bundesregierung setzt den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aus. Rund 380.000 Menschen sind betroffen, die meisten aus Syrien.28.05.2025 | 1:38 min
Mohamad Rafaat Haitalani ist Tierarzt, er kommt aus Aleppo, Syrien. Seit drei Jahren lebt er in Deutschland. Seitdem hat er seine Frau und seinen inzwischen sieben Jahre alten Sohn nicht mehr gesehen. "Ich vermisse meine Familie", sagt er "Sie fehlen mir sehr. Mein Sohn fragt mich ständig, wann wir zusammenleben."

Er hat Angst, dass wir uns nie wieder sehen. Er sagt, ich will mit dir Fahrradfahren oder Fußballspielen. Aber was kann ich ihm sagen?

Mohamad Rafaat Haitalani, Tierarzt

Warten auf Termin in deutscher Botschaft

Seit dem Start der neuen Bundesregierung ist er am Boden zerstört. Schwarz-Rot plant die Aussetzung des Familiennachzugs, an diesem Mittwoch hat das Kabinett entsprechende Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht. In den nächsten zwei Jahren sollen Geflüchtete mit subsidiärem Schutz keine Angehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. Insgesamt gibt es in Deutschland knapp 400.000 Menschen mit diesem Schutzstatus, viele von ihnen kommen aus Syrien.
Mohamad Rafaat Haitalanis Familie wartet seit Februar 2023 auf einen Termin in einer deutschen Botschaft. Sie sind auf der Warteliste. "Wegen der hohen Nachfrage kann dies mehrere Monate dauern", so die Antwort aus der Auslandsvertretung im benachbarten Irak. Seitdem ist nichts passiert.
ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann in Berlin.
"Kritik gibt es von den Grünen. Sie sind der Ansicht, dass die Aussetzung des Familiennachzugs die Integration von Geflüchteten erschwert" sagte Diana Zimmermann in Berlin.28.05.2025 | 2:05 min

Gewalt und Instabilität in Syrien

Von dem geplanten Stopp für Familienzusammenführungen hat er aus dem Internet erfahren. "Ich habe Deutsch gelernt, ehrenamtlich gearbeitet, Praktika beim Tierarzt gemacht, um hier eine Zukunft für uns aufzubauen. Und jetzt nach drei Jahren warten, passiert das."
Seine Frau, gelernte Apothekerin, hat bereits ihre Zeugnisse nach Deutschland geschickt und in Syrien Deutschkurse absolviert. Und jetzt? Ratlosigkeit. Verzweiflung. Während in Syrien weiter Unsicherheit, Gewalt und Instabilität herrschen.

Protest von Hilfsorganisationen

Organisationen wie Save the Children, Pro Asyl oder Terre des Hommes protestieren, ihr Appell: Familien gehören zusammen, überall. "Da sind Kinder und Jugendliche, die auf ihre Eltern warten, da sind Eltern, die immer noch zittern und bangen um ihre Kinder, die in Kriegsgebieten sind", sagt Teresa Wilmes von Terre des Hommes. Das stehe in keinem Verhältnis zu dieser Maßnahme, "die am Ende eine sehr, sehr kleine Auswirkung haben wird in den Zahlen".
Auch bislang war der Nachzug auf maximal 1.000 Angehörige pro Monat begrenzt. Die Mehrheit sind Frauen und Kinder.

Die Koalition spricht immer davon, dass sie irreguläre Migration begrenzen will. Stattdessen schafft sie aber die legalen Fluchtwege für Schutzsuchende ab.

Teresa Wilmes, Terre des Hommes

Dazu kommt: "Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, wie wichtig die eigene Familie ist, damit Menschen sich integrieren können."
Grenzkontrollen durch die Bundespolizei
Die Bundesregierung will illegale Einwanderung verhindern und hat dafür die Kontrollen an den Grenzen verstärkt. 3.000 zusätzliche Bundespolizisten sind dafür im Einsatz.14.05.2025 | 1:36 min

Kinder und Jugendliche warten auf ihre Eltern

Viele, die jetzt nicht weiterwissen, sind Kinder und Jugendliche. Wie Mohamad Ibrahim Alnemr. Er ist 17 Jahre alt. Als er aus Syrien nach Deutschland kam, war er 14. Seinen Vater kennt er nur vom Foto. Er starb im Folter-Gefängnis Sednaja. Erfahren hat Mohamad Ibrahim das erst vor Kurzem, nach dem Sturz Assads bekam er eine E-Mail.
Mohamad Ibrahim Alnemr
Mohamad Ibrahim Alnemr ist aus Syrien nach Deutschland geflohen und wartet auf seine Mutter.
Quelle: ZDF

Seine Kindheit? Arbeiten gehen, um Geld zu verdienen. Eines Tages wurde auch er inhaftiert - mit 13. Danach floh er nach Deutschland, ganz alleine. Seitdem wartet auch er.

Ohne meine Mutter hier zu leben, ist schwer. Ich habe sie seit drei Jahren nicht gesehen. Ich möchte mit ihr zusammenleben. Ich möchte einfach normal leben.

Mohamad Ibrahim Alnemr, 17 Jahre

"Ich habe meiner Mutter noch nichts gesagt, ich habe sie eigentlich angelogen. Ich will nicht, dass sie weint", erzählt er. "Jedes Mal, wenn sie mich anruft, fragt sie, wann sie kommen kann. Dann sage ich, wir müssen warten."
Alexander Dobrindt
"Nationales Recht wird angewendet, weil wir es für notwendig halten", so Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, CSU, zu Grenzkontrollen und Zurückweisungen. 14.05.2025 | 6:26 min

NGOs fordern Recht auf Familie

Mohamad Ibrahim lebt in einer Wohngemeinschaft und hat eine Vormundin, die Berlinerin Sandra Young: "Es ist eigentlich eine Katastrophe für ihn. Ich kann viel tun, aber die Mutter bleibt die Mutter."
Es geht um 12.000 Visa im Jahr. Nichtregierungsorganisationen kritisieren die geplante Maßnahme als Symbolpolitik, den Preis würden Kinder, Mütter und Väter zahlen.
Mohamad Rafaat Haitalani
Das Zimmer für seinen Sohn hat Mohamad Rafaat Haitalani schon eingerichtet.
Quelle: ZDF

Tierarzt Mohamad Raafaat Haitalani hat in Neubrandenburg eine eigene Wohnung gefunden. Das Kinderzimmer für seinen Sohn hat er schon eingerichtet. Bunter Teppich, Fußball-Lampe. "Ich habe gedacht, dass er in drei bis vier Monaten kommt, aber bis heute, drei Jahre lang ist er noch nicht gekommen". Er hofft und wartet weiter.
Lisa Jandi ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Berlin.
Der Artikel ist bereits am 17. Mai erschienen. Da das Kabinett an diesem Mittwoch den Gesetzentwurf für verschärfte Regeln beim Familiennachzug auf den Weg gebracht hat, wurde er aktualisiert.

Migrationsdebatte bei "Lanz"
:Wissler: Europa kann sich nicht abschotten

Thomas De Maizière (CDU) pocht bei "Lanz" auf konsequenten Grenzschutz, um das Schengen-Abkommen zu retten. Linken-Politikerin Janine Wissler kontert: Abschottung sei eine Illusion.
von Bernd Bachran
Thomas de Maizière (CDU) und Janine Wissler (Die Linke) diskutieren bei "Markus Lanz" am 13. Mai.
mit Video

Mehr zum Thema Migration in Deutschland