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FAQ
Seit Tagen anhaltende Gewalt:Konflikt über Drusen: Was in Syrien passiert
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Syrien kommt nicht zur Ruhe. Nach heftigen Gefechten nahe Damaskus startete Israel nun einen Luftangriff. Wie kam es zu dem neuen Gewaltausbruch? Ein Überblick.
Wenige Monate nach der Übernahme der neuen Regierung in Syrien kommt es in dem Land erneut zu blutigen Gefechten. Bei Kämpfen zwischen Angehörigen der drusischen Minderheit, regierungsnahen Milizen und staatlichen Sicherheitskräften nahe Damaskus sind nach Angaben von Aktivisten in den vergangenenen Tagen mehr als hundert Menschen getötet worden.
Der religiöse Anführer der syrischen Drusen spricht von einer "Völkermordkampagne" der regierungsnahen Truppen. Die Kritik an Syriens Regierung wird lauter. Was steckt hinter der seit Tagen anhaltenden Gewalt? Ein Überblick.
Was hat die jüngste Gewalt in Syrien ausgelöst?
Auslöser war laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte die Veröffentlichung einer von Muslimen als "blasphemisch" eingestuften - und einem Drusen zugeschriebenen - Audiobotschaft. Bei den Kämpfen standen sich der Beobachtungsstelle zufolge "Truppen des Innen- und des Verteidigungsministeriums und mit ihnen verbündete Truppen" den drusischen Kämpfern gegenüber.
Die syrische Regierung machte "gesetzlose Gruppen" für die Kämpfe verantwortlich. Drusenführer Hikmat al-Hidschri warf der Regierung dagegen vor, "extremistische Milizen zu entsenden" und anschließend "nach den Massakern zu behaupten, es handele sich um ungehorsame Elemente".
Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, die heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien angesiedelt ist. In Syrien leben etwa 700.000 Drusen. Die aus dem Islam hervorgegangene religiöse Minderheit macht etwa drei Prozent der syrischen Bevölkerung aus.
Die Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. In den jeweiligen Ländern legen ihre Angehörigen Wert auf inneren Zusammenhalt und Loyalität zum jeweiligen Staat. In Israel dienen viele Drusen freiwillig in der Armee. Während der Herrschaft des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad standen viele Drusen in Syrien der Regierung nahe.
Quelle: dpa, AFP
Die Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. In den jeweiligen Ländern legen ihre Angehörigen Wert auf inneren Zusammenhalt und Loyalität zum jeweiligen Staat. In Israel dienen viele Drusen freiwillig in der Armee. Während der Herrschaft des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad standen viele Drusen in Syrien der Regierung nahe.
Quelle: dpa, AFP
Warum fliegt Israel Luftangriffe auf Damaskus?
Am Freitagmorgen startete das israelische Militär einen Luftangriff auf Ziele um den syrischen Präsidentenpalast in Damaskus. Zuvor hatte Israel die syrische Regierung gewarnt, nicht auf Dörfer im Süden Syriens vorzurücken, die von den Drusen bewohnt werden.
"Wenn die Angriffe auf die Drusen in Syrien nicht aufhören, werden wir mit großer Härte reagieren", sagte Verteidigungsminister Israel Katz nach Angaben seines Sprechers an den Übergangspräsidenten des Nachbarlandes, Ahmed al-Scharaa, gerichtet. "Wir sind dem Schutz der Drusen verpflichtet und beobachten die Lage genau."
Sollte es erneut zu Angriffen kommen und das Regime diese nicht unterbinden - werden wir mit großer Härte reagieren.
Israel Katz, israelischer Verteidigungsminister
Am Mittwoch hatte die israelische Luftwaffe bereits mehrmals Ziele in Syrien angegriffen. Nach israelischen Militärangaben wurden nahe Damaskus Personen beschossen, die Drusen angriffen.
Die syrische Übergangsregierung forderte die Verurteilung der Angriffe. Die internationale Gemeinschaft und die arabischen Staaten müssten "der wiederholten israelischen Aggression" entgegentreten und alles tun, um sie zu beenden, hieß es in einer Mitteilung des Präsidentenpalasts.
Wie reagiert Berlin auf die jüngsten Ausschreitungen?
Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Gewalt und forderte Gespräche zwischen der Regierung und den Minderheiten in dem Land. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte:
Die Regierung in Damaskus muss für ein Ende der Gewalt und den Schutz der zivilen Bevölkerung sorgen.
Sprecherin des Auswärtigen Amts
"Jede Form der Aufstachelung und Hassrede müssen beendet werden." Alle Seiten seien aufgefordert, zur friedlichen Beilegung der Konflikte beizutragen. Das Auswärtige Amt rief zudem "die syrische Regierung auf, Gespräche mit den einzelnen Bevölkerungsgruppen zu ihrer künftigen Rolle in Syrien zu führen".
Hier muss es so schnell wie möglich Fortschritte geben, um eine umfassende Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen in den politischen Prozess zu garantieren.
Sprecherin des Auswärtigen Amts
Die Aufklärung von begangenen Verbrechen sowie die Aussöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen Syriens sei "unverzichtbar", führte die Sprecherin weiter aus. Jahrzehnte der Diktatur und des Bürgerkrieges hätten "tiefe Wunden" hinterlassen, die durch einen transparenten Prozess und mit Hilfe von Übergangsjustiz geheilt werden müssten. Deutschland sei bereit, dabei zu helfen.
Die Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen in Damaskus und im Süden des Landes bezeichnete die Sprecherin als "zutiefst besorgniserregend". Das Auswärtige Amt warnte, Syrien dürfe "nicht zum Spielfeld regionaler Spannungen werden". Die Sprecherin rief "alle Akteure - inländische wie ausländische - dringend zu maximaler Zurückhaltung auf".
Wie sieht die aktuelle Situation der Minderheiten aus?
Die islamistische, syrische Führung hat nach dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad im Dezember wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa gibt sich zwar betont gemäßigt. Im März war es jedoch in vorwiegend von Angehörigen der religiösen Minderheit der Alawiten bewohnten Regionen zu Massakern gekommen, bei denen Aktivisten zufolge mehr als 1.700 Zivilisten getötet wurden.
Sie fürchten weitere Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Gemeinschaft - sowohl als religiöse Minderheit als auch wegen ihrer angeblichen Treue zur Assad-Familie.
Im April hat al-Scharaa eine neue Regierung berufen, die den Umbau des Landes nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad vorantreiben soll. Unter den 22 Ministern sind auch Vertreter religiöser Minderheiten.
So übernimmt die Christin Hind Kabawat das Ressort Soziales und Arbeit. Sie ist zugleich die erste Frau in der syrischen Führung seit dem Sturz von Baschar al-Assad. Verkehrsminister Jarub Badr ist Alawit. Der Druse Amgad Badr leitet das Landwirtschaftsressort. Dies sollte als Botschaft an die westlichen Länder verstanden werden, die fordern, dass Frauen und Minderheiten in den politischen Prozess in Syrien einbezogen werden.
Quelle: dpa
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Quelle: AFP, dpa
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