Kommunalwahl in NRW - AfD vs. SPD: Gelsenkirchen in der Stichwahl

Kommunalwahl in NRW:AfD vs. SPD: Gelsenkirchen geht in die Stichwahl

von Jenifer Girke, Gelsenkirchen
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0,44 Prozent trennen SPD und AfD im Stadtrat von Gelsenkirchen. Für das Oberbürgermeisteramt müssen sie nun in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Die SPD bleibt kämpferisch.

CDU-Feier

Nach den Kommunalwahlen in NRW bleibt die CDU stärkste Kraft, die AfD legt stark zu. Reaktion und Analyse aus NRW und Berlin.

15.09.2025 | 4:37 min

Es blieb bis zum Schluss spannend: Die Auszählungen der Stadtrat-Ergebnisse waren ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und SPD. Letztendlich liegt weniger als ein halbes Prozent zwischen den Parteien (SPD: 30,36 Prozent, AfD 29,92 Prozent). Es sind 0,44 Prozent, die für die SPD einen wichtigen Unterschied machen. Denn sie bleibt damit stärkste Kraft im Stadtrat.

Aber der Wahlkampf ist noch nicht vorbei. Bei der Wahl des Oberbürgermeisters kommt es zur Stichwahl zwischen der SPD-Kandidatin Andrea Henze (37,04 Prozent) und dem AfD-Kandidaten Norbert Emmerich (29,75 Prozent). Letzterer kann sein Glück kaum fassen.

Grafik: Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen

Grafik: Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen

Quelle: ZDF

AfD wertet Ergebnisse in Gelsenkirchen als "phänomenal"

In ganz NRW kann die AfD ihr Ergebnis fast verdreifachen und landet bei 14,5 Prozent. Auch in Gelsenkirchen machten einige Wähler ihr Kreuzchen bei Blau. In der ehemaligen Bergbaustadt landet die Partei bei knapp 30 Prozent, für die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der nordrhein-westfälischen AfD "phänomenal". "Es geht nicht mehr um Frust. Die Menschen wählen die AfD aus purer Überzeugung", so Stadtratskandidatin Enxhi Seli-Zacharias gegenüber ZDFheute. Und weiter:

Wir haben hier unsere Macht nicht nur zementiert, sondern wir haben auch ein Fundament gelegt.

Enxhi Seli-Zacharias, Stadtratskandidatin AfD Gelsenkirchen

Presseschau mit Nico Fried

"Die demokratischen Parteien in der Mitte werden immer schmaler", sagt Nico Fried vom Stern, nach den Kommunalwahlen in NRW.

15.09.2025 | 3:35 min

Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf hat daran Zweifel. Um sich als Partei zu verankern, müsse man auch in der Fläche ankommen. Das habe die AfD noch nicht geschafft. "Aber die Zeiten von einstelligen Wahlergebnissen der AfD scheint vielerorts vorbei", so Marschall.

AfD: Veränderung mit "harter Hand"

Der AfD-Oberbürgermeister-Kandidat Norbert Emmerich scheint fast gerührt: "Die Zahlen haben mich überwältigt. Stichwahl nehme ich an, gar keine Frage." Die Menschen, die die AfD gewählt hätten, wollten eine Veränderung, sagt der 72-Jährige. Und diese Veränderungen gingen auch "mit harter Hand einher", so seine Parteifreundin Seli-Zacharias.

Post: "Kommunen nicht alleine lassen"

"Das ist ein schlechtes Ergebnis für die SPD", sagt SPD-Landesvorsitzender Achim Post zu den Kommunalwahlen in NRW. Jetzt müsse man "Probleme nicht nur ansprechen, sondern lösen".

15.09.2025 | 5:15 min

Harte Hand, so liest sich auch das Wahlprogramm der AfD Gelsenkirchen. Mit Sätzen wie "Der Islam gehört nicht zu Gelsenkirchen" und Forderungen wie die Abschaffung jeglicher arabischer Beschriftung, kein Halal-Essen an Schulen, keine Erweiterung des muslimischen Friedhofs fällt es durch islamfeindlichen Ton auf. Auch das Wort "Remigration" wurde ins Stadtprogramm übernommen.

Norbert Emmerich, Kandidat der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD) für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Gelsenkirchen am 14.09.2025 im Rathaus von Gelsenkirchen.

Norbert Emmerich zieht für die AfD ins Rennen um das Oberbürgermeisteramt.

Quelle: AFP

Zuwanderung aus Osteuropa will die AfD Gelsenkirchen gänzlich unterbinden, zum Beispiel indem sie alle freiwilligen Programme für Menschen aus Ländern wie Rumänien und Bulgarien streichen - in der Hoffnung, sie würden dann freiwillig die Stadt verlassen.

SPD-Vorsitzende: "Berlin muss nach Gelsenkirchen gucken"

Bei der SPD zeigt man sich am Wahlabend kämpferisch. Die Erleichterung, Platz eins verteidigen zu können, ist trotz Verlusten groß. "Für mich ist das ein freudiges Ereignis, denn wir haben eine deutliche Mehrheit an demokratischen Stimmen insgesamt", so die SPD-Kandidatin fürs Rathaus, Andrea Henze.

Linnemann: "Wir haben klar gewonnen"

"Wir sind die Kommunalpartei Nummer eins" und nun müsse "der Staat seinem Ordnungsversprechen nachkommen", so der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, nach der Kommunalwahl in NRW.

15.09.2025 | 4:44 min

Bei der Stichwahl ginge es darum, die Menschen, die AfD gewählt haben, zurückzugewinnen. Und wie will sie das schaffen? "Ich werde durch die Stadt gehen und mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen, um für unseren Aufstiegsplan zu werben."

Im Rahmen de Komunalwahl 2025 warten die Mitglieder der SPD um die Bürgermeisterkanditatin Andrea Henze auf die Ergebnisse am 14.09.2025 im Rathaus in Gelsenkirchen.

Zeigt sich im Rennen um das Oberbürgermeisteramt kämpferisch: Andrea Henze (SPD).

Quelle: Imago

Aufstieg gegen den jahrelangen Abstieg. Klingt gut - ob das reicht, wird man sehen. Denn viele Gelsenkirchener machen auch die SPD verantwortlich für den wirtschaftlichen Abstieg seit Ende des Bergbaus. Die Vorsitzende der SPD in Gelsenkirchen kennt den Frust und weiß, dass es ohne Hilfe von oben nicht geht. Ihr Appell an diesem Abend richtet sich an die Bundesregierung: "Berlin muss nach Gelsenkirchen gucken. Berlin muss Andrea Henze unterstützen." Und weiter:

Berlin muss sich bewusst sein, dass wir mehr finanzielle Mittel hier im Ruhrgebiet benötigen. Aus meiner Sicht sollten wir über ein Soli für das Ruhrgebiet nachdenken.

Nicole Schmidt, Vorsitzende SPD Gelsenkirchen

sgs - hayali wüst

"Dieses Wahlergebnis gibt jedem Demokraten der Mitte zu denken, auch mir", so Ministerpräsident Hendrik Wüst über das Abschneiden der AfD bei den Kommunalwahlen in NRW.

14.09.2025 | 4:56 min

Wie stehen die Chancen der AfD in der Stichwahl?

Der Wahlkampf-Modus bleibt angeschaltet, so Experte Marschall: "Die wirkliche Aufarbeitung wird erst nach der Stichwahl kommen."

Die SPD muss jetzt signalisieren: Es ist gut gelaufen, wir schaffen das.

Stefan Marschall, Politikwissenschaftler Universität Düsseldorf

Dass die AfD die Stichwahl gewinnen wird, hält Professor Marschall für unwahrscheinlich. Zwar zeigen die Wahlergebnisse, dass die Partei extrem gut mobilisieren konnte, "allerdings könnte das Wählerpotenzial jetzt auch ausgeschöpft sein".

Bedeutet: Es wollen möglicherweise nicht mehr Menschen die AfD wählen, als die, die es bereits getan haben. Währenddessen kann die SPD darauf hoffen, dass Wähler der anderen Parteien in der Stichwahl den Sozialdemokraten eine Chance geben.

Jenifer Girke ist Reporterin im ZDF-Studio Nordrhein-Westfalen.

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