Schwarz-rote Klimapolitik: Greenwashing im Ausland?
Klimapolitik der neuen Regierung:Greenwashing im Ausland im Koalitionsvertrag?
von Elisa Miebach und Nathan Niedermeier
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Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag auch CO2-Minderungen durch Projekte im Ausland erreichen. Eine Aufweichung der deutschen Klimaziele durch die Hintertür?
Viele Konzerne setzen bei ihrer Klimaschutz-Strategie auf den Ausgleich von klimaschädlichen Emissionen, etwa durch Bäume irgendwo in den Regenwäldern des globalen Südens.
Quelle: dpa
Wenig ist in der Klimapolitik von so viel Misstrauen geprägt wie der Versuch, Klimaschutz-Zertifikate im Ausland zu kaufen, damit zu Hause weniger CO2 reduziert werden muss. Windparks in Indien, ein Stück Regenwald in Brasilien, Einsparungstechnologien in China: Das sind nur einige Projekte, die CO2 einsparen sollen. Die Idee dahinter: Sie sollen am Ende auf die eigene Klimabilanz - etwa in Deutschland - angerechnet werden.
Doch in der Vergangenheit entpuppten sich solche Projekte oft als Greenwashing, als schlecht umgesetzt oder im Extremfall als gar nicht existent. So wurden Emissionen zwar auf dem Papier, aber nicht in der Realität eingespart.
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Schwarz-Rot setzt beim Klimaschutz auch aufs Ausland
Im neuen Koalitionsvertrag befindet sich jetzt genau ein solcher Mechanismus. Die deutschen und europäischen Klimaziele sollen auch durch "CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern" erreicht werden. Können sich Politik und Unternehmen in Deutschland jetzt zurücklehnen und den Klimaschutz einfach in anderen Ländern kaufen, statt in Deutschland vor Ort umzusetzen?
Ganz so einfach ist es nicht. Immerhin steht im Koalitionsvertrag, dass diese CO2-Minderungen "hochqualifiziert", "zertifiziert", "glaubwürdig" und "permanent" sein sollen. Christof Arens vom Wuppertal Institut erklärt:
Auf dem Papier sieht das erstmal schön aus und da muss man sagen, da hat sich jemand Mühe gegeben diese Öffnung robust auszugestalten, aber der Teufel liegt natürlich im Detail.
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Christof Arens, Wuppertal Institut
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Kooperationen beim Klimaschutz: Darauf kommt es an
Und genau an diesen Details hängt es jetzt. Viele Experten halten die Möglichkeit für solche internationalen Kooperationen bei Klimaschutzprojekten prinzipiell für nicht verwerflich, aber nur unter bestimmten Bedingungen.
Wenn reiche Länder in ärmeren Ländern Klimaschutzprojekte finanzieren, sei es wichtig, dass die ärmeren Länder diese nicht sowieso umgesetzt hätten. Nur dann werden zusätzlich Emissionen eingespart. Entscheidend ist auch, dass nur eines der Länder die Minderung auf seine Klimabilanz anrechnet - damit nicht doppelt gezählt wird.
Die Möglichkeit der CO2-Minderungen im Ausland besteht seit dem Kyoto Abkommen 1997. Nach einigen Greenwashing-Skandalen wurde die Idee im Pariser Klimaabkommen in Artikel 6 weiterentwickelt. Es folgten jahrelange weitere Verhandlungen, welche Standards und Methoden gelten sollen, bis eine Formulierung dazu auf der vergangenen Klimakonferenz in Baku im November 2024 festgelegt wurde. Die ganz genauen Regelungen werden jetzt noch in technischen Arbeitsgruppen diskutiert.
Sinnvoll sein könne der Mechanismus, wenn die letzte Meile der CO2-Reduktion in Industrieländern erreicht ist, die besonders schwer und teuer umzusetzen ist, während es vielleicht im globalen Süden noch Potenziale gibt, die noch leichter zu heben seien, sagt Christof Arens vom Wuppertal Institut.
Das betrifft unter anderem Projekte in der Zukunft: Wenn zum Beispiel in den 2040er-Jahren Emissionen in Industrieländern übrig bleiben, die nur extrem schwer und mit heute noch nicht marktreifen Technologien reduziert werden können. Darunter fallen könnte etwa der Ausstoß von Zementwerken. Nicht sinnvoll wäre es für Emissionsminderungen in Industrieländern, die mit heutiger Technologie einfach und bezahlbar umgesetzt werden können, wie etwa mit einem neuen Windpark.
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SPD: Keine Aufweichung der Klimaziele
Der Mechanismus könne also Teil des europäischen Klimaziels von netto Null bis 2050 sein. Dann, wenn alles reduziert wurde und nur die allerletzten schwer vermeidbaren Emissionen übrig bleiben. Aber es sei wichtig, dass die Projekte im Ausland nicht schon auf das deutsche Klimaziel von 88 Prozent bis 2040 angerechnet würden, so Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives:
Das scheint politisch für manche attraktiv, ist aber aus wirtschaftlicher Perspektive kurzsichtig.
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Linda Kalcher, Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives
Diese Reduktionen bis 2040 können mit den Technologien von heute umgesetzt werden. Wenn Unternehmen sich langsamer auf vorhandene klimafreundliche Technologien umstellen, ist auch ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Die klimapolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, erklärt dazu auf ZDF-Anfrage, dass auch die SPD generell außereuropäische Anrechnung kritisch sehe. Eine Aufweichung der Klimaziele sei die Änderung aber insofern nicht, "als dass eine entsprechende Anrechnung im europäischen Klimaschutzgesetz sowie im EU-Emissionshandel abzubilden ist, womit die nationalen Klimaschutzziele nicht tangiert werden."
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Noch viele Hürden auf dem Weg
Für Experten unabdingbar ist, dass die Projekte transparent und unabhängig überprüfbar sind. Eine internationale starke Institution müsse diese nach gleichen und hohen Standards zertifizieren. Damit es überhaupt auch in Deutschland möglich sei, müsse außerdem zuerst deutsches und europäisches Recht geändert werden.
Bis diese Standards und Rechtsänderungen umgesetzt sind und dann überhaupt Projekte gefunden werden, die die Anforderungen glaubwürdig erfüllen, dauert es. Dann könnten diese Zertifikate im europäischen Emissionshandel verkauft werden - die Preise dafür sind kaum abzusehen. Für deutsche Unternehmen, die ihre Klimaziele einhalten müssen, heißt es also weiterhin, erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren.
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