Doku:Inside CDU
Wahlkampf, Macht, Strategien: „INSIDE CDU“ begleitet die Union exklusiv auf dem Weg zur Kanzlerpartei – nah dran an Entscheidungen, Konflikten und Wendepunkten.
Zwischen Hoffnung und Enttäuschung:"Inside CDU": Der Weg des Friedrich Merz
von Steffen Haug
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Friedrich Merz steht nach dem enttäuschenden Wahlergebnis und gebrochenen Versprechen bereits massiv unter Druck. Wie konnte es so weit kommen?
Es sollte eine Kampagne werden, ganz auf Friedrich Merz ausgerichtet. Die Wirtschaft am Boden, die Ampel gescheitert, das Land verunsichert in einer Zeit historischer Wendungen. Der Sauerländer konnte die Bundestagswahl eigentlich nur gewinnen. Ein Politikwechsel schien möglich, Merz der richtige Mann für diese Zeit. Ein Mann mit Wirtschaftserfahrung - zwar nicht besonders beliebt, aber kompetent auf den Politikfeldern, die aktuell gefragt sind.
Ein halbes Jahr nach dem Ampel-Bruch ist die Realität eine andere. Merz wird Kanzler, mit Ach und Krach wurde die Union am 23. Februar stärkste Kraft. Aber zwei Monate nach der Wahl hat Merz viele Wahlversprechen gebrochen, die Umfragewerte sind im Keller und die AfD fast gleichauf. Wie konnte es dazu kommen?
Vier Begegnungen mit dem zukünftigen Kanzler.
Wie Merz nach dem Ampel-Bruch agiert
Es ist der 7. November 2024, kurz nach sieben Uhr morgens, Friedrich Merz scheint hellwach. Am Abend zuvor ist die Ampel zerbrochen. Er trifft sich mit engsten Vertrauten in seinem kleinen Büro in Berlin im Reichstagsgebäude. Thorsten Frei und Alexander Dobrindt sind dabei, ebenso sein Stabschef und sein Pressesprecher.
Für die fünfteilige ZDF-Reihe "Inside CDU" ließen sich Friedrich Merz und weitere CDU-Politiker über Monate mit der Kamera begleiten. Entstanden ist eine Dokumentation mit seltenen Einblicken in den Maschinenraum einer Partei. So konnten die Autoren auch bei internen Meetings, Strategiebesprechungen und Hintergrundgesprächen mit der Kamera exklusiv dabei sein. Friedrich Merz stand für mehrere Interviews während der Dreharbeiten zur Verfügung, das erste fand am Tag nach dem Bruch der Ampel-Koalition statt.
Was ist jetzt zu tun, wie schnell kann es Neuwahlen geben? Merz strahlt aus: Endlich geht es los. "Was für ein guter Tag für Deutschland", sagt Merz wenige Minuten später zu seiner Fraktionsspitze. "Die Lage ist eingetreten. Die Ampel ist zu Ende", ruft er den schnell herbeigerufenen Unions-Abgeordneten zu. So beschreibt der Kandidat seine Gefühle:
Ich spüre ein wenig Erleichterung, dass die Quälerei mit dieser Regierung zu Ende ist. Ich empfinde es aber nicht als Genugtuung.
Friedrich Merz
Nach der außerordentlichen Sitzung will Merz mit dem Aufzug fahren. Ein Problem, denn viele Abgeordnete versuchen, sich zu ihm in den Lift zu drängeln. Die Tür geht immer wieder auf. "Kommt, kommt rein", sagt der Kandidat, die Stimmung ist euphorisch. Alle wollen dem möglichen Kanzler ganz nah sein.
Der Start der Wahl-Kampagne
Ende November 2024: Friedrich Merz soll ein Video aufnehmen, in dem er den Wahlkampf-Slogan "Wieder nach vorne" den Parteimitgliedern vorstellt. Jedes Wort ist vorher abgestimmt, der Inhalt soll den Ton für den Wahlkampf setzen. Konzentriert liest Merz vom Teleprompter ab:
Wieder nach vorne steht für die Bewahrung unserer Freiheit, unserer Sicherheit und unseres Wohlstandes.
Friedrich Merz
Beim zweiten Versuch scheint alles im Kasten, doch der Parteivorsitzende scheint nicht zufrieden. "Da war das Thema 'Bewahrung unserer Schöpfung' nicht dabei. Bewusst oder unbewusst?", fragt er in die Runde. "Es wird auffallen, dass das nicht drin gewesen ist."
Merz möchte die Passage nochmal aufnehmen, er diktiert den Text selbst: "Und nicht zuletzt für die Bewahrung unserer Schöpfung". Im dritten Versuch klappt es, doch zufrieden ist der CDU-Vorsitzende nicht. "Es sind immer noch Schreibfehler drin", ärgert er sich, auch wenn kein Zuschauer des Videos das jemals bemerken wird.
So erlebt Merz den Wahlabend
Gegen 16 Uhr am Wahltag erreichen die ersten Umfrageergebnisse den Kanzlerkandidaten. Friedrich Merz weiß ab diesem Moment, sein großer Tag wird wohl kein fulminanter Sieg. Enttäuschung stellt sich ein, noch hofft er, "dass wir die 30 Prozent doch erreichen". Er setzt sich mit Generalsekretär Carsten Linnemann zusammen, es ist eine Art Krisentreffen. Auch Linnemann ist frustriert, die Zahlen haben ihm, so sagt er selbst, "den Boden unter den Füßen weggerissen".
Merz entscheidet sich, die Prognose um 18 Uhr im kleinstmöglichen Kreis zu schauen. Nur CSU-Chef Markus Söder ist dabei, als der Unions-Balken bei 29 Prozent aufhört zu wachsen. Damit steht die Frage im Raum: Kann die Union, wie erhofft, mit nur einem Koalitionspartner eine Regierung bilden? "Wir haben die Wahl gewonnen", ruft er eine Viertelstunde später den Mitgliedern des Bundesvorstandes zu. Es gibt freundlichen Applaus.
Der Wahlkampf hat Kraft gekostet. "Ich hätte unter normalen Umständen ein paar Tage Urlaub gemacht", sagt Merz. Doch um Kanzler zu werden, muss er "den Hebel am nächsten Morgen umlegen".
Der Wortbruch
Die Wahl ist gewonnen. Doch in den Sondierungsverhandlungen mit der SPD verabschiedet sich Merz schnell von seinen Wahlversprechen. Er stimmt unbegrenzten Schulden für die Verteidigung und einem 500 Milliarden Infrastruktur-Schuldenpaket zu.
Im Gespräch räumt Merz ein, es wäre für ihn "ausreichend gewesen", eine Grundgesetzänderung "ohne das Sondervermögen Infrastruktur zu machen". Er habe sich aber von den Argumenten überzeugen lassen, die auch aus den eigenen Reihen kamen: "Ihr könnt nicht nur etwas für das Militär tun. Ihr müsst auch etwas für die deutsche Bevölkerung tun."
Wortbruch, Täuschung und Umfaller sind Vorwürfe, mit denen Merz jetzt konfrontiert wird. "Ich persönlich bezahle das mit einem erheblichen Verlust auch an Glaubwürdigkeit", sagt der designierte Kanzler. "Aber ich glaube, im Abstand von einigen Jahren wird auch der Teil der Bevölkerung, der es heute verständlicherweise sehr kritisch sieht, sagen, es war eine richtige Entscheidung."
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