Deutschlands Rohstoffabhängigkeit: Was wir importieren müssen
Von Kohle bis Seltene Erden:Rohstoffe: Wie abhängig Deutschland ist
von Jenifer Girke
|
Die deutsche Abhängigkeit von Rohstoffen ist enorm. Mehr Bergwerke in Europa, dafür weniger Seltene Erden aus China - ein unrealistisches Szenario? Jein, sagt ein Experte.
Ob Kohle, Öl oder Seltene Erden - Deutschlands Industrie ist auf Rohstoffimporte angewiesen. Besonders kritisch: Metalle für die Energiewende kommen fast ausschließlich aus dem Ausland.
Quelle: action press | Sergei Bulkin
Deutschland ist Industrie- und Technologienation, das bedeutet: Das Land braucht Rohstoffe, und zwar sehr viel davon. Durch Digitalisierung und Energiewende ändert sich der Bedarf, der Einsatz von etwa Kohle geht zurück, Rohstoffe wie Lithium oder Seltene Erden haben Hochkonjunktur. Was bedeutet das und wie kann es Deutschland schaffen, unabhängiger zu werden?
Weltweit werden sie gebraucht: Seltene Erden. China dominiert die Produktion der Rohstoffe, hat vor kurzem aber den Export gestoppt. Der Rohstoffkrieg ist längst ausgebrochen.05.06.2025 | 3:05 min
Deutschland gehört zu den größten Energieverbrauchern der Welt - im Jahr 2023 wurden 68 Prozent des Bedarfs aus Importen gedeckt, so der Rohstoffsituationsbericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). "Wir sind bei fast allen Rohstoffen, außer Sand und Kies, sowie Braunkohle und Salzen, nahezu vollständig abhängig von Importen", sagt Sandro Schmidt vom BGR.
So auch bei Energierohstoffen: Die Importabhängigkeit für Steinkohle liegt laut Schmidt seit 2019 bei 100 Prozent, beim Erdöl liege sie seit vielen Jahren bei 98 Prozent, beim Erdgas bei 95 Prozent. Für Metallrohstoffe liege die Importabhängigkeit ebenfalls bei 100 Prozent.
Anteil der Energieträger am Primärenergieverbrauch im Jahr 2023
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Dies verdeutlicht die Abhängigkeit deutscher Betriebe - etwa in der Stahlindustrie, die einerseits auf Koks aus Steinkohle und andererseits auf Metalle und Erze angewiesen ist:
Wenn man daran denkt, dass Deutschland und Europa aufrüsten wollen, werden wir sicherlich auch die nächsten Jahre noch relativ viel Stahl brauchen.
„
Sandro Schmidt, Rohstoff-Experte
Zwar würden auch Alternativen etwa mithilfe von Wasserstoff in Betracht gezogen, doch diese Vorhaben seien erst in der Planung.
Wie lief das Leben unter Tage ab? Sehen Sie hier, wie im Ruhrpott malocht wurde und die Bergmannskultur auch heute noch weiterlebt:15.07.2025 | 8:04 min
Kritische Rohstoffe, Russland und China
Was macht einen Rohstoff zu einem kritischen Rohstoff? Zum einen, wenn es bei großer Nachfrage wenige Anbieter- beziehungsweise Förderländer gibt und es so zu Monopolen auf dem Weltmarkt kommen kann. Zum anderen, wenn ein großer Bedarf besteht, so Experte Schmidt. Europa besteht aus mehreren großen Industrienationen - entsprechend lang ist die Liste an kritischen Rohstoffen.
"Die Abhängigkeiten von wenigen Lieferländern ist immer wieder ein Problem", sagt Schmidt. "Wir haben es gesehen im Rahmen des Krieges Russland gegen die Ukraine, was die Abhängigkeit Deutschlands beziehungsweise Europas von russischem Gas, Erdöl und auch Kohle bedeutet."
Die wichtigsten Energieträger Deutschlands
Erdöl hatte im Jahr 2023 am sogenannten Primärenergieverbrauch (PEV) einen Anteil von 35,6 Prozent laut des BGR-Berichtes. Damit war Erdöl weiterhin der wichtigste Primärenergieträger hierzulande. Die wichtigsten Importländer für Deutschland waren dabei die USA, Norwegen, Libyen, Kasachstan und Großbritannien.
Erdölprodukte sind vor allem in Form von Kraftstoffen im Verkehrssektor essenziell, Mineralölprodukte kommen besonders in der chemischen Industrie zum Einsatz. Rohstoff-Experte Schmidt sagt, Deutschland würde noch viele Jahre Erdöl für den Transportsektor benötigen. "Es werden immer mehr Elektroautos auf den Markt kommen, aber das ist momentan noch ein vergleichsweise geringer Teil der gesamten in Deutschland zugelassenen Autos. Das wird eine ganze Weile dauern, bis all die Benziner und Dieselfahrzeuge an ihr Lebensende kommen."
Auf Nummer zwei der wichtigsten Energieträger Deutschlands landete Erdgas, mit einem Anteil von 24,7 Prozent. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 4,6 Mrd. m³ Rohgas gefördert bzw. 4,3 Mrd. m³ Reingas, so das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG).
Die Erdgaseinfuhren kamen vorrangig aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Etwa sieben Prozent wurden über deutsche LNG-Terminals importiert.
Im Jahr 2023 war Kohle (Stein- und Braunkohle) mit 17 Prozent nach den Erneuerbaren der viertwichtigste Energieträger des Landes. Der Rohstoff wird maximal noch bis 2038 einen Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten, so haben es die Gesetzgeber entschieden.
Während die heimische Steinkohlenförderung am Ende des Jahres 2018 eingestellt wurde, stellt die Braunkohle mit Blick auf die Vorräte und Förderung den bedeutendsten heimischen fossilen Energieträger dar.
Die Hauptverwendung fällt in die Stromerzeugung, doch durch Prozesse wie der Kohlevergasung und -verflüssigung sowie der Verkokung ergeben sich noch weitere Einsatzgebiete, etwa in der Stahlproduktion.
Der Beitrag der Kernenergie zum Primärenergieverbrauch (PEV) verringerte sich 2023 deutlich auf 79 Petajoule (ca. 21.944 Gigawattstunden), von 379 (ca. 105.278 Gigawattstunden) im Jahr 2022. Der PEV-Anteil lag damit bei 0,7 Prozent (2022: 3,2 Prozent).
Mit der 13. Änderung des Atomgesetzes am 6. August 2011 wurde das Ende der Nutzung der Kernenergie zur kommerziellen Stromgewinnung entschieden.
Die letzten drei Kernkraftwerke - Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg - stellten am 15. April 2023 endgültig den Kraftwerksbetrieb ein. Nach dem Atomgesetz müssen diese Kernkraftwerke stillgelegt und abgebaut werden.
Ein weiterer Global Player mischt den Rohstoffmarkt auf: China. Seit Anfang des neuen Jahrtausends ist China zum Land mit dem größten Einfluss auf die Rohstoffmärkte aufgestiegen, während die klassischen Industriestaaten, vor allem die USA, stark an Einfluss verloren haben.
Ein Beispiel: Die globale Nachfrage nach Nickel erreichte 2023 mit einem Plus von acht Prozent einen deutlichen Zuwachs. Generiert fast ausschließlich durch China, der Grund: die dortige Batterie- und Edelstahlproduktion.
Deutsche Rohstoffimporte 2023
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Der Zehn-Jahres-Vergleich zeigt für die Energieträger Mineralöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle und Kernenergie eine Abnahme der Primärenergiemenge. Dagegen gab es einen deutlichen Anstieg bei den Erneuerbaren Energien. Dass sie wachsen, sieht man auch bei der Entwicklung von Importabhängigkeit und Selbstversorgung.
Importabhängigkeit und Selbstversorgungsgrad bei Rohstoffen
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Schmidt gibt zu bedenken: Um Erneuerbare auszubauen, benötige man vor allem Metallrohstoffe (etwa Kupfer, Kobalt und Seltene Erden). Man könne sich nun überlegen, ob man diese von weither importiert oder versucht, in Europa zu fördern, wie im Critical Raw Materials Act der EU vorgesehen.
Das hätte zumindest den Vorteil, dass Lieferketten nicht so leicht zu stören wären, wie es in der Vergangenheit schon war, wenn China beispielsweise die Ausfuhr von Seltenen Erden stoppt.
„
Sandro Schmidt, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Die EU möchte beim Lithium-Bezug unabhängiger von China werden. Eine Lösung könnte das hohe Vorkommen des Leichtmetalls in Serbien sein. Umweltschützer sind gegen das Vorhaben.10.08.2024 | 1:45 min
Gleichzeitig hätte man kürzere Transportwege, dadurch geringere CO2-Emissionen, eine stärkere Wertschöpfung in Europa und - so Schmidt - wahrscheinlich auch einen nachhaltigeren Bergbau als anderswo, durch die strengeren Auflagen.
Experte: "Erneuerbare sind enorm wettbewerbsfähig"
Klingt logisch und einfach, ist es aber nicht, sagt Schmidt. Denn das reine Vorhandensein großer Lagerstätten von Eisenerz, Steinkohle oder auch Seltenen Erden reiche nicht aus: "Es muss ein Konsens für den Abbau von Rohstoffen in der lokalen Bevölkerung vorliegen. Es müssen sowohl Geldgeber und Produzenten als auch Abnehmer vorhanden sein, es müssen Fachkräfte vorhanden sein und, und, und. Das ist ein riesiger Blumenstrauß."
Quelle: Sandro Schmidt/BGR
... ist Rohstoff-Experte bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die BGR unterstützt mit der Arbeit ihrer ca. 800 Beschäftigten Entscheidungsprozesse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf Grundlage umfangreicher geowissenschaftlicher Daten und Forschung.
Zu den Aufgaben gehören u. a. die Erforschung und Bewertung von Potenzialen wichtiger mineralischer Rohstoffe, die für die Energie- und Mobilitätswende benötigt werden.
Quelle: www.bgr.bund.de
Der Krieg in der Ukraine und hohe Energiepreise hätten das Thema Energiesicherheit verstärkt. "Wir sehen global, dass sich manche Länder wieder stärker ihren heimischen Rohstoffen zuwenden. Zugenommen hat ebenfalls das Interesse an der Stromerzeugung aus Kernkraftwerken."
Deutschlands Bodenschätze sind über das ganze Land verteilt.
Quelle: ZDF
Trotzdem würde der Anteil der Erneuerbaren zunehmen und fossile Energieträger Stück für Stück ablösen. Dahinter stünde nicht nur der Klimaschutz:
Erneuerbare Energien sind enorm wettbewerbsfähig geworden.
„
Sandro Schmidt, Rohstoff-Experte
Spannend bleibt, welche Auswirkungen dieser Wettbewerb auf unsere Energie- und Rohstoffversorgung haben wird und wie die Politik darauf reagiert.
Jenifer Girke ist Reporterin und Redakteurin im ZDF-Studio Nordrhein-Westfalen.
Hätte Deutschland im Krisenfall die Möglichkeit, sich ganz ohne Lebensmittelimporte zu versorgen? Die Antwort: Im Prinzip ja. Allerdings wäre die Ernährung recht einseitig.
von Dagmar Noll
mit Video
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.