Gesundheitsversorgung: Ärztepräsident warnt vor Notstand

Reinhardt fordert rasche Reform:Ärztepräsident warnt vor "Versorgungsnotstand"

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Ärztepräsident Reinhardt mahnt rasche Reformen im Gesundheitswesen an, sonst drohe ein "Versorgungsnotstand". Ministerin Warken fordert ein "Notpaket" gegen steigende Beiträge.

Symbolbild: Ärztin mit Stethoskop
Ärztepräsident Reinhardt: Gesundheitssystem muss schnell effizienter werden.
Quelle: imago images

Der Chef der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, schlägt Alarm: Ohne rasche Reformen, um das Gesundheitssystem effizienter zu machen, drohten Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für die Patientinnen und Patienten.

Ärztepräsident: Versorgung besser steuern

Das Gesundheitswesen laufe "ungebremst auf einen Versorgungsnotstand zu, wenn wir nicht entschlossen gegensteuern", sagte der Ärztepräsident der Deutschen Presse-Agentur. Ein wichtiger Ansatzpunkt sei es, die Gesundheitsversorgung besser zu lenken.

Es sollte zum Normalfall werden, dass sich Patientinnen und Patienten bei einer Hausarztpraxis einschreiben, die dann die Koordinierung der Weiterbehandlung übernimmt.

Klaus Reinhardt, Ärztepräsident

Eine effizientere Versorgung ist auch ein wichtiges Thema beim Deutschen Ärztetag, der an diesem Dienstag in Leipzig beginnt. Erwartet wird die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU).

Fast zehn Kontakte zu Ärzten pro Kopf im Jahr

In Deutschland würden Patienten systembedingt mit der Organisation und Koordination ihrer Versorgung weitgehend allein gelassen, kritisiert Reinhardt. "Besonders betroffen sind die Schwächsten: ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen mit geringerer Gesundheitskompetenz."
Eine Person legt die Gesundheitskarte eines Patienten in ein Kartenlesegerät in einer Apotheke, während einer Präsentation des neuen Verfahrens zur Ausstellung eines elektronischen Rezepts, in Berlin
Die finanzielle Lage der Krankenkassen ist angespannt. Ein bekanntes Problem, das die letzte Regierung nicht lösen konnte - und nun an den nächsten Gesundheitsminister weitergibt.16.04.2025 | 3:03 min
Deutschland habe mit 9,6 Arztkontakten pro Kopf im Jahr eine der höchsten Raten weltweit. In bestimmten Regionen habe jeder Zweite im Schnitt zwei Hausärzte.

Diese Entwicklung ist nicht nur ineffizient, sie ist angesichts von Personalengpässen und begrenzten finanziellen Mitteln schlicht nicht mehr tragbar.

Klaus Reinhardt, Ärztepräsident

Warken will in Koalition "Notpaket" verhandeln

Wegen der schwierigen Finanzlage vieler Krankenkassen drohen gesetzlich Versicherten in diesem Jahr womöglich noch höhere Zusatzbeiträge. Das "Handelsblatt" berichtete am Donnerstag, dass Ende 2024 das Finanzvermögen von 45 der 58 überregionalen Krankenkassen unter der kritischen Marke von 20 Prozent einer Monatsausgabe lag. 22 dieser Kassen hätten zudem keine Rücklagen mehr.
Gesundheitsministerin Warken will daher in der Koalition ein "Notpaket" verhandeln. Die Lage sei "dramatisch" - man könne nicht bis 2027 warten, bis die geplante Reformkommission Ergebnisse vorlege. Das Gremium müsse zudem zügig eingesetzt werden, mahnte die Ministerin im "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Reinhardt: Keine "Zugangskontrolle" zur Versorgung

Ärztepräsident Reinhardt sagte, die im Koalitionsvertrag skizzierten Maßnahmen für Reformen im Gesundheitswesen wiesen in die richtige Richtung. Union und SPD wollen etwa einführen, dass Patienten primär in eine Hausarztpraxis gehen, die sie - mit Termin in einem bestimmten Zeitraum - bei Bedarf zu Fachärzten überweist.
Versichertenkarten der deutschen Krankenkassen DAK, AOK, Barmer und Techniker Krankenkasse
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Eine Überweisung durch Hausärzte dürfe aber "keine Zugangskontrolle in das System sein", sagte Reinhardt. Sie solle dann erfolgen, wenn eine fachärztliche Weiterbehandlung erforderlich oder absehbar ist.
Perspektivisch solle das Prinzip "digital vor ambulant vor stationär" gelten, um Patienten auf ihrem Weg in die geeignete Versorgung zu unterstützen. Konkret heißt das: zuerst eine Beratung über digitale Wege, dann eine Versorgung in Praxen und bei Bedarf in Kliniken.
Der Ärztepräsident wies auch auf generellen Handlungsdruck hin. "Die Menschen werden älter, ihre medizinischen Bedürfnisse größer. Gleichzeitig verlassen immer mehr Fachkräfte altersbedingt das System - ohne dass ausreichend Nachwuchs nachrückt."
Quelle: dpa, AFP

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