AfD und BSW: Ein Experte zum Verhältnis der Parteien
Interview
Debatte über Annäherung :Experte: Was AfD und BSW verbindet und trennt
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AfD und BSW schließen Gespräche grundsätzlich nicht aus. Was steckt dahinter? Wie nah sind sich die Parteien? Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne ordnet ein.
Politikwissenschaftler Benjamin Höhne sieht Gemeinsamkeiten zwischen AfD und BSW. Mit Blick auf Landtagswahlen könne eine Annäherung die politischen Machtverhältnisse verschieben.04.07.2025 | 9:08 min
Jüngste Äußerungen aus AfD und BSW haben erneut die Debatte um das Verhältnis der beiden Parteien angeheizt. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht schließt Gespräche nicht grundsätzlich aus. Wenn es einen "konkreten Anlass" dafür gäbe, würde sie solche Gespräche auch auf Bundesebene führen: "Ja, selbstverständlich", sagte sie dazu ZDFheute.
Auslöser der Debatte waren ein Treffen der Landes-Fraktionschefs beider Parteien in Thüringen und Aussagen von AfD-Parteichef Tino Chrupalla, der Kontakte auf Bundesebene befürwortete.
Gehören solche Gespräche zum politischen Alltag? Wem nützen sie? Welches Kalkül steckt womöglich dahinter? Darüber hat ZDFheute live mit dem Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz gesprochen. Das sagt er zur Frage ...
... ob BSW und AfD mehr eint als trennt
Höhne sieht durchaus Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien. Rückblickend habe es bereits gemeinsame Wegmarken gegeben. Etwa ein Angebot von Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke an Sahra Wagenknecht für eine Zusammenarbeit. Oder auch das "Bewegungsexperiment Aufstehen" der früheren Linken-Politikerin, die "offenbar kein Problem damit hatte, dass auch Menschen aus dem Rechtsaußenkomplex mitmarschiert" seien.
Höhne unterscheidet zwischen Parallelen auf strategischer und inhaltlicher Ebene.
Beide können als Anti-Establishment-Parteien kategorisiert werden.
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Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler
Sowohl BSW als auch AfD wendeten sich gegen das System - zwar aus unterschiedlichen Richtungen kommend, aber beiden zeigten eine "große Portion Populismus". Inhaltliche Schnittmengen sehe man im Bereich der Gesellschaftspolitik, etwa wenn es gegen das Gendern, gegen Feminismus oder gegen Umwelt- und Klimaschutzansätze gehe.
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... welches Kalkül hinter der Debatte steckt
Höhne hinterfragt den Sinn von Gesprächen auf Bundesebene. Das BSW sei hier eine Nischenpartei, nicht im Parlament vertreten und damit eher unbedeutend. Mit Blick auf die Landesebene habe die Diskussion aber wichtige strategische Implikationen.
Bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr wolle die AfD in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern an die Macht kommen, erklärt der Politikwissenschaftler. Ziel sei, eine absolute Parlamentsmehrheit zu erringen. Wenn ihr das nicht gelinge, dann könnte sie vielleicht auch mit Hilfe des BSW als "Tolerierungspartner" an die Regierung kommen. Diese Option sei durchaus vorstellbar, meint Höhne.
Die aktuelle Debatte sei für die AfD daher ein "wichtiges Ereignis". Denn das BSW sei trotz vieler "problematischer Züge" bereits Koalitionspartner und Regierungspartei auf Landesebene in Thüringen und Brandenburg.
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Dort gebe es also eine Zusammenarbeit der etablierten Parteien mit dem BSW. Mit der AfD gebe es das "aus gutem Grund nicht", erklärt Höhne, weil sich die AfD "auf klarem Rechtsextremismuskurs befindet". An der Brandmauer hielten die Parteien fest.
Also machten sich AfD und BSW untereinander "ein Stück weit salonfähig". Das kenne man von autoritären Regimen, die zwar international nicht anerkannt seien, sich aber untereinander hofierten. Ein ähnlicher Effekt zeige sich bei der AfD und dem BSW.
... welchen Kurs BSW-Chefin Wagenknecht verfolgt
Bei Sahra Wagenknecht habe es schon immer skeptische Töne gegeben, was eine Brandmauer und klare Kante gegenüber der AfD anbelange, sagt Höhne.
Diese klare Haltung zur AfD, die konnte man bei Frau Wagenknecht vermissen.
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Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler
Ihr erklärtes Ziel sei gewesen, mit dem BSW der AfD Stimmen abzujagen. Bei den vergangenen Landtagswahlen sei das aber nicht oder "nur in ganz, ganz geringem Ausmaß" gelungen. Auch bei den Bundestagswahlen, der Europawahl und den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr sei "keine große Wähler-Wanderung geschehen". Hinzu kämen aktuell stagnierende Umfragewerte.
Höhne sieht in dem Signalisieren von Gesprächsbereitschaft damit auch eine Option für die Unzufriedenen der Partei, zur jeweils anderen Partei wechseln zu können.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Christian Hoch. Zusammengefasst wurde es von Michèle Mertes.