BSW und AfD: Wagenknecht und Chrupalla offen für Gespräche

Analyse

"Mehrheiten verändern":Was planen AfD und BSW?

von Nicole Diekmann und Andrea Maurer
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BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und AfD-Chef Tino Chrupalla können sich offenbar "Gespräche" miteinander vorstellen. Was hätten die Parteien davon?

Sahra Wagenknecht und Alice Weidel, Chefinnen der BSW und AfD, am 09.10.2024 eines TV-Duells in Berlin vor der Kamera.
BSW-Chefin Wagenknecht (r.) schließt Gespräche mit der AfD von Parteivorsitzenden Weidel (l.) nicht aus.
Quelle: Imago

Von einem "Paukenschlag" war die Rede, nachdem AfD-Chef Tino Chrupalla am Donnerstagabend im Interview bei Welt-TV gesagt hatte: Es gäbe bereits "Gespräche mit dem BSW", und zwar "über das, was Deutschland bewegt, und wie man Mehrheiten verändern kann." Die Bild-Zeitung sprach daraufhin von "Verbrüderung".
Direkte Gespräche zwischen Tino Chrupalla und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht? Womöglich über Kooperationen auf Bundesebene?
Das dementieren mittlerweile beide Seiten. Und trotzdem ist das Scheinwerferlicht nun automatisch wieder auf jene Frau gerichtet, die es mit ihrer neu gegründeten Partei knapp nicht in den Bundestag schaffte und nun um politische Aufmerksamkeit kämpft: Sahra Wagenknecht.
Sahra Wagenknecht, Tino Chrupalla und Alice Weidel.
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BSW und AfD: Wagenknecht würde mit Chrupalla reden

In einer ersten Reaktion gegenüber ZDFheute bestreitet Wagenknecht zwar aktuelle Gespräche, schließt sie aber keineswegs aus. "Wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war":

Ja selbstverständlich. Das sollte normal sein in einer Demokratie.

Sahra Wagenknecht, BSW

Und auch in Sachsen, Chrupallas Landesverband, hat man schon gemeinsam abgestimmt. Zum Beispiel für einen Corona-Untersuchungsausschuss. CDU und SPD hatten stattdessen eine Enquete-Kommission beantragt, die viel weniger politische Durchschlagskraft hat als ein U-Ausschuss.
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Was hätte die AfD von wechselnden Mehrheiten?

Auf der Sachebene ist das ein Erfolg für die AfD, weil die Corona-Zeit zu ihren Kernthemen gehört und sie nun versuchen kann, die anderen Parteien im U-Ausschuss vor sich herzutreiben. Und auch auf einer übergeordneten Ebene hilft der AfD ein kooperationsbereites BSW: So setzt die AfD die CDU - mitsamt ihrer Brandmauer zur in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD - zusätzlich unter Druck.
Der Blick geht dabei auch in andere Bundesländer im Osten: Kommendes Jahr wählt Sachsen-Anhalt. Die AfD träumt von ihrem ersten Ministerpräsidenten.
In den Umfragen steht sie zwar gut da, von einer absoluten Mehrheit aber ist sie weit entfernt. Und die bräuchte sie zum Regieren, sofern die CDU die Brandmauer nicht einreißt. Dafür gibt es keine Hinweise. Kooperationen mit dem BSW könnten da ein Vehikel sein - im Zweifel natürlich auch aus der Opposition heraus.
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Was hätte das BSW von wechselnden Mehrheiten?

In Thüringen lotet die BSW-Fraktion gerade aus, was geht. BSW-Fraktionschef Frank Augsten hat sich erst kürzlich zum vertraulichen Gespräch mit dem AfD-Landeschef Björn Höcke getroffen. Mögliches Ziel: wechselnde Mehrheiten auch mit der AfD statt jener Brombeer-Koalition aus CDU, SPD und BSW, die Wagenknecht von Anfang an ein Dorn im Auge war und die keine eigene Mehrheit hat.
Augsten betont, das Gespräch habe nicht dem Zweck einer möglichen Kooperation mit der AfD gedient. Es sei lediglich um ein funktionierendes Parlament gegangen, sagt er ZDFheute:

Die AfD nutzt die Gespräche für bundesweite taktische Spielchen. Daran werden wir uns nicht beteiligen.

Frank Augsten, BSW

Man werde auch künftig mit allen Fraktionen reden, also auch mit der AfD. Das Gespräch in Thüringen habe auf ausdrücklichen Wunsch Wagenknechts stattgefunden. Sie sagt:

Nicht mit der AfD zu sprechen, ist eine Ohrfeige für die Wähler.

Sahra Wagenknecht, BSW

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Was Wagenknecht zwischen den Zeilen sagt

Wagenknecht selbst nennt die Koalition, an der ihr BSW beteiligt ist, inzwischen "profillose Allparteienkoalition". Wechselnde Mehrheiten in Thüringen könnten für sie nun der Testballon für das sein, was ihr ohnehin politisch vorschwebt: nicht in Regierungsverantwortung die eigenen Positionen zu verwässern, die etablierten Parteien unter Druck zu setzen - und das Zünglein an der Waage zu sein.
Eine Koalition mit der AfD aber, etwa bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2026, lehnt sie weiterhin ab. Ihre Parteimitglieder ließ sie bei einem BSW-Treffen in Erfurt kürzlich wissen:

Wir wären ja der Juniorpartner der AfD, wir sind dort dann das erste Mal in einem Landtag. Sie können ausschließen, dass wir uns auf so ein Himmelfahrtskommando einlassen würden.

Sahra Wagenknecht, BSW

Wer genau hinhört: Es geht weniger um die kategorische Ablehnung einer Koalition mit der AfD als vielmehr um die grundsätzliche Ablehnung von Regierungsbeteiligung. Wechselnde Mehrheiten dagegen: nicht ausgeschlossen.
Nicole Diekmann leitet das AfD-Ressort, Andrea Maurer das BSW-Ressort im ZDF-Hauptstadtstudio.

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