"Compact" darf erscheinen: Das Verbot des rechtsextremen Magazins wurde gerichtlich gekippt - und Fragen zum Verhältnis von Pressefreiheit und wehrhafter Demokratie geklärt.
Sehen Sie die Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verbot des rechtsextremen Magazins "Compact" im Video.24.06.2025 | 23:33 min
Als Jürgen Elsässer den großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts verlässt, um vor die Presse zu treten, kann man ihm die Zufriedenheit ansehen. Zusammen mit seinen Anwälten wird er gleich von einem "großen Erfolg" gegen die "diktatorischen Tendenzen" der Politik sprechen.
Der Hintergrund: Das Bundesverwaltungsgericht hat das im letzten Jahr von der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ausgesprochene Verbot des Medienunternehmens "Compact" aufgehoben. Dafür dankte Elsässer ausdrücklich dem Gericht, der Senat habe eine faire Prüfung vorgenommen.
Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft betonte in seiner Urteilsverkündung, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Und die Begründung zeigt, dass das oberste deutsche Verwaltungsgericht auch Medien keinen Freibrief für verfassungswidrige Inhalte ausstellt. Ein Blick auf die wichtigsten Aspekte.
"Compact"-Urteil: Vereinsrecht auch auf Presse anwendbar
Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Regeln des Vereinsrechts, und damit auch Vereinsverbote, auf Presseunternehmen anwendbar sind. Dieses Vorgehen hatte der federführende Anwalt von "Compact", Ulrich Vosgerau, in der mündlichen Verhandlung scharf kritisiert: Die Konstruktion würde die besonderen Regeln für die Presse umgehen.
Diesen Einwand räumte der Senat ab und machte dabei deutlich: Das Vereinsgesetz gilt auch für die Presse - und ohnehin sei "Compact" nicht einfach nur ein Medienunternehmen, sondern verfolge "nach seinem eigenen Selbstverständnis eine politische Agenda".
Verfassungsfeindliche Positionen
Teil dieser Agenda ist unter anderem ein rein ethnisches Volksverständnis. Immer wieder zeigt sich bei "Compact", dass man das deutsche Volk als Abstammungsgemeinschaft versteht. Das widerspricht dem Grundgesetz, das klar vorgibt: Die Zugehörigkeit zum deutschen Volk richtet sich nur nach der Staatsangehörigkeit.
Besonders deutlich wird das durch die Identifikation von "Compact" mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner und dessen Konzepten zur Remigration. Danach sollen auch deutsche Staatsangehörige aus Deutschland abgeschoben werden, wenn sie sich nicht ausreichend "assimiliert" haben - Pläne, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind:
Diese Vorstellungen missachten […] das sowohl durch die Menschenwürde als auch das Demokratieprinzip geschützte egalitäre Verständnis der Staatsangehörigkeit. Denn sie […] behandeln deshalb deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse.
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Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 48/2025
Unter anderem Chefredakteur Elsässer bezeichnete Sellner als "Held". In der Verhandlung bemühte Elsässer sich zwar um eine gewisse Distanz zu Sellner, doch das Gericht sah darin "bloß prozesstaktisches, nicht glaubhaftes Vorbringen".
Gerade noch im Rahmen von Meinungs- und Pressefreiheit
Dennoch war aus Sicht des Gerichts das vom Bundesinnenministerium vorgelegte Material für ein Verbot nicht ausreichend. Mit Blick auf die überragende Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit in einer freiheitlichen Demokratie gilt dafür ein hoher Maßstab:
Deshalb ist ein Vereinsverbot […] nur gerechtfertigt, wenn sich die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend erweisen.
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Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 48/2025
Diese Schwelle der Prägung sei im Fall von "Compact" noch nicht überschritten. Es gebe zwar - gerade beim Thema Migration - verfassungsfeindliche Positionen, doch viele Inhalte könnten noch als zulässige Machtkritik interpretiert werden.
Diese dürfe man in der freiheitlichen Demokratie auch scharf und überspitzt formulieren. Gerade Meinungs- und Pressefreiheit stünden auch den "Feinden der Freiheit" zu, so der Vorsitzende Richter in der Urteilsverkündung.
Das 2010 gegründete Medienunternehmen "Compact"-Magazin GmbH hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stößen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des "Compact"-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks.
Laut Bundesinnenministerium ist die "Compact"-Magazin GmbH seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes und wurde Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet.
Quelle: dpa
Fingerzeig für ein AfD-Verbotsverfahren?
Jürgen Elsässer und seine Anwälte blickten nach der Verhandlung gleich voraus: Mit dem heutigen Urteil sei klar, dass auch ein AfD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Erfolg haben könnte. Wenn man "Compact" nicht verbieten kann, könne man auch andere nicht verbieten, so "Compact"-Anwalt Vosgerau.
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So klar dürfte die Lage indes nicht sein. Das heutige Urteil unterstreicht zwar, dass auch in einem möglichen AfD-Verbotsverfahren sehr hohe Maßstäbe gelten werden. Es zeigt aber ebenso: Gerade der ethnische Volksbegriff, der auch bei der AfD immer wieder aufscheint, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
In jedem Fall dürfte man die heutige Entscheidung sowohl in Berlin als auch in Karlsruhe aufmerksam verfolgt haben.