Urteil zu "Compact"-Verbot: Worüber das Gericht entscheidet

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Urteil erwartet:Hält das "Compact"-Verbot vor Gericht?

Daniel Heymann
von Daniel Heymann
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Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über das Verbot des rechten "Compact"-Magazins. Und damit über Grundsatzfragen zum Verhältnis von Pressefreiheit und wehrhafter Demokratie.

Urteil Compact-Verbot erwartet
Am Vormittag verkündet das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil in der Hauptsache, ob das Verbot des Magazins Compact durch Ex-Ministerin Faeser wegen verfassungsfeindlicher Artikel rechtmäßig war.24.06.2025 | 2:12 min
Es war ein bisweilen schräges Schauspiel, das vor zwei Wochen im Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts stattfand. In der Hauptrolle: Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten "Compact"-Magazins, der sich in der mündlichen Verhandlung unter anderem selbst als "Diktator" in seiner Redaktion bezeichnete.
Im Juli 2024 verbot das Bundesinnenministerium (BMI), damals noch unter Leitung von Nancy Faeser (SPD), "Compact" und die dahinterstehenden Unternehmen. Die zogen vor Gericht - und hatten jedenfalls im Eilverfahren Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hob das Verbot vorläufig auf, "Compact" konnte seine Medientätigkeit zunächst fortsetzen.
Am heutigen Dienstag steht die Entscheidung in der Hauptsache an - mit offenem Ausgang. Ein Blick auf die wichtigsten Aspekte für das Urteil.
Sachsen, Leipzig: Ingo Kraft (M), Vorsitzender Richter des 6. Revisionssenat, eröffnet die Revisionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wird nun über das Verbot des rechtsextremen Magazins "Compact" entschieden - das Hauptsacheverfahren startete Mitte Juni.10.06.2025 | 1:32 min

"Compact": Verfassungsfeindlichkeit durch ethnischen Volksbegriff?

Inhaltlich stützt das BMI das Verbot vor allem auf einen Punkt: den Volksbegriff von "Compact". Dieser unterscheide zwischen vermeintlich echten Deutschen im Sinne einer ethnischen Gemeinschaft und sogenannten "Passdeutschen", also zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund, die zwar formal deutsche Staatsangehörige seien - aber eben doch nicht wirklich zum deutschen Volk gehören sollen. Das verstoße laut BMI gegen die Menschenwürde, weil bestimmte Menschen dadurch niemals die Chance erlangen könnten, gleichberechtigte deutsche Staatsbürger zu sein.
Hier hatte das Gericht schon im Eilverfahren Ansätze für verfassungsfeindliches Verhalten gesehen, denn: Das Grundgesetz gibt klar vor, dass sich die Zugehörigkeit zum deutschen Volk nur nach der Staatsangehörigkeit richtet.
"Compact"-Anwalt Ulrich Vosgerau sah dagegen kein Problem: Es sei erlaubt, die Ethnizität von Menschen zu thematisieren - und es müsse ja sprachlich möglich sein, auch über Probleme, vor allem in der Migrationspolitik, zu reden.
Compact Verbot vorläufig aufgehoben
Das Bundesverwaltungsgericht hatte das von der ehemaligen Bundesinnenministerin Faeser (SPD) verfügte Verbot des rechtsextremen Magazins "Compact" vorläufig im Eilverfahren aufgehoben.15.08.2024 | 2:00 min

Welche Rolle spielen Martin Sellner und Remigration?

In diesem Kontext ging es auch um die Verbindungen von "Compact" zum österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Nach dessen Plänen zur "Remigration" sollen laut BMI etwa 14 Millionen Menschen aus Deutschland abgeschoben werden - und zwar auch solche mit deutschem Pass. Das wäre klar verfassungswidrig.
Deshalb könnte die Zurechnung von Sellners Aktivitäten zu "Compact" zu einem entscheidenden Faktor für das Urteil werden. In diese Richtung äußerte sich auch der Vorsitzende Richter Ingo Kraft.
Chefredakteur Elsässer bemühte sich sichtlich um Distanz zu Sellner: Dieser vertrete nicht die Blattlinie - man wolle jedoch auch den "Verfemten" eine Stimme geben. Das geschieht bei "Compact" unter anderem in Gestalt einer regelmäßigen Kolumne mit dem Titel "Sellners Revolution".
Studiogespräch Sarah Tacke zum Verbot des Compact Magazine
Das im Raum stehende Verbot der Zeitschrift "Compact" wirft juristische Fragen auf - ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke ordnet ein.16.07.2024 | 2:32 min

Agiert "Compact" "aggressiv-kämpferisch"?

Für ein Verbot müsste "Compact" nachgewiesen werden, in "aggressiv-kämpferischer" Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorzugehen. Ein Zitat aus dem Magazin sieht das BMI als exemplarischen Beleg hierfür an:

Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen […]. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.

Jürgen Elsässer, "Compact"-Chefredakteur

Derartige Formulierungen, auch Begriffe wie "Umsturz" oder "Revolution", finden sich mehrfach bei "Compact". Elsässer verteidigte die Wortwahl als "zupackenden Journalismus", sein Anwalt Vosgerau betonte immer wieder, dass auch massiv zugespitzte Machtkritik von der Pressefreiheit gedeckt sei.

Wie argumentieren die Prozessbeteiligten?

Die Frage, ob bestimmte radikale Äußerungen nicht bloß von Einzelnen stammen, sondern das Gesamtbild prägen, hatte für die vorläufige Aufhebung des Verbots im vergangenen Sommer gesorgt: Nach Ansicht des Gerichts war nicht klar, ob die verfassungswidrigen Inhalte wirklich prägend für "Compact" sind - es gebe auch klassische, relativ harmlose Elemente wie Buchbesprechungen oder Filmkritiken.
TN: "Compact" möchte "Demokratie delegitimieren"
"Compact" sei nicht nur eine Zeitschrift, sondern Teil einer Kampagnen- und Organisationsplattform, sagte Soziologe Felix Schilk nach dem erlassenen Verbot 2024 bei ZDFheute live. Sie wolle "Proteste auf die Straße bringen".16.07.2024 | 13:46 min
Ein vollständiges Verbot könnte deshalb, auch mit Blick auf das hohe Gewicht von Meinungs- und Pressefreiheit, unverhältnismäßig sein. Im Schlussvortrag blieb Vosgerau dabei, dass "Compact" im Grunde überhaupt keine verfassungswidrigen Positionen vertrete. Und selbst wenn, sei "Compact" ein rein journalistisches Projekt von Elsässer. Strukturen und Aktivitäten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, gebe es nicht.
BMI-Anwalt Roth hielt dagegen, dass "Compact" als Teil einer größeren Gesamtbewegung, unter anderem zusammen mit der AfD, auf die Veränderung des politischen Systems ziele:

Es geht hier nicht um Träume einer Einzelperson, sondern um organisierte Agitation.

Wolfgang Roth, Prozessbevollmächtigter des BMI

Sollte das Gericht dem BMI folgen und das Verbot bestätigen, hat "Compact" bereits den Gang nach Karlsruhe angekündigt. Die Bühne Bundesverfassungsgericht würde Jürgen Elsässer sich nicht nehmen lassen.

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