Compact-Chef vor Gericht: "In der Redaktion bin ich ein Diktator"
Compact-Verbot vor Gericht:"In der Redaktion bin ich ein Diktator"
von Charlotte Greipl
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Vor dem Bundesverwaltungsgericht beginnt der Prozess um das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins. Der Ausgang: völlig offen.
Das Verbot des rechtsextremistischen Mediums "Compact" durch die ehemalige Innenministerin war im Eilverfahren vorläufig ausgesetzt worden. Nun beginnt das Hauptsacheverfahren.10.06.2025 | 2:36 min
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtsextremen Compact-Magazins, schreckt vor historischen Vergleichen nicht zurück. Bevor er das Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts betritt, erklärt er den anwesenden Journalisten, dass in diesem Gebäude einst der von den Nazis politisch inszenierte Prozess um den Reichstagsbrand geführt wurde.
"Ich will dieses Verfahren ja nicht überhöhen", sagt er. Aber gewisse Parallelen zur Klage gegen das Compact-Verbot gebe es schon. Elsässer, das wird schnell klar, sieht sich als Freiheitskämpfer.
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Zukunft des rechtsextremen Magazins "Compact". Die frühere Innenministerin Nancy Faeser hat es im vergangenen Jahr verboten.10.06.2025 | 1:39 min
Faeser verbietet "Compact"-Magazin sowie Online-Kanäle
Im Juni 2024 hatte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Magazin sowie die dazugehörigen Online-Kanäle verboten. Compact klagte dagegen und errang im Eilverfahren einen ersten Sieg: Am 14. August 2024 setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot unter Berufung auf die Meinungs- und Pressefreiheit vorübergehend außer Vollzug. Compact darf also weiterhin erscheinen - mit einer Auflage von immerhin 40.000 Exemplaren pro Monat.
Doch das könnte sich nun ändern: Denn am Dienstag beginnt vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig das Hauptsacheverfahren. Zunächst drei Tage sind für die Verhandlung angesetzt, ein Urteil könnte auch zu einem späteren Zeitpunkt fallen.
Bundesinnenministerin Faeser (SPD) hatte das als rechtsextrem eingestufte Magazin "Compact" verboten. Sie sieht es als "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene".16.07.2024 | 2:02 min
Vor Gericht wird Compact von dem in der rechten Szene bekannten Anwalt Ulrich Vosgerau und einem Kollegen vertreten. Direkt zu Beginn macht Vosgerau klar, was er von dem Verfahren hält. In einer Art Opening Statement, dem deutschen Rechtssystem eigentlich fremd, erklärt er alle seine "Sorgen" im Hinblick auf den Prozess: Er spricht von einer möglichen Befangenheit der Richter und zeigt sich "erschrocken" über die vorgeschlagene Gliederung des Verfahrens.
Der vorsitzende Richter, Ingo Kraft, versucht den Compact-Anwalt zu bremsen: "Herr Vosgerau, lassen Sie das Verfahren doch mal auf sich zukommen", sagt er genervt. Und beginnt dann, nach und nach die einzelnen rechtlichen Fragen rund um das Compact-Verbot zu thematisieren.
2024 gab es 38.000 rechtsextreme Gewalt- und Straftaten und 6.000 linksextreme. Das geht aus dem Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutzes hervor. 10.06.2025 | 1:56 min
Darf man eine Zeitung einfach so verbieten?
Erster Knackpunkt: Durfte das rechtliche Instrument des Vereinsverbots herangezogen werden, um Compact - ein Magazin - zu verbieten? Elsässer spricht von einem "Trick" der früheren Innenministerin Faeser. Doch zumindest im Eilverfahren hatte das Gericht sich nicht an diesem Vorgehen gestört.
Sobald Vosgerau das Wort erhält, setzt er zu langen Vorträgen an, zitiert ausgiebig aus Urteilen und verweist auf Artikel, Bücher und Websites. Vor drastischen Worten und auch persönlichen Angriffen schreckt er nicht zurück. So wirft er dem Prozessvertreter des Innenministeriums Wolfgang Roth vor, ein "alarmierendes Verständnis von Pressefreiheit" zu haben.
"Neue Beweismittel könnten Rolle spielen", erklärt ZDF-Rechtsexperte Daniel Heymann.10.06.2025 | 1:01 min
Ein langer Schlagabtausch
Der wiederum versucht, Vosgerau nicht zu viel Raum zu geben und setzt seinerseits zu ausgiebigen Ausführungen an - und so gerät der erste Verhandlungstag zu einem langwierigen Schlagabtausch. Selbst Jürgen Elsässer und seine Ehefrau, die neben ihren Anwälten in der ersten Reihe sitzen, betrachten zwischendurch gelangweilt den holzvertäfelten und mit goldenen Ornamenten verzierten Sitzungssaal.
Der vorsitzende Richter versucht derweil, dem Verfahren Struktur zu geben und verweist auf seine Gliederung. Doch Vosgerau und sein Kollege halten sich trotz mehrfacher Ermahnung nicht daran.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht beginnt die Verhandlung gegen das Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins.10.06.2025 | 1:50 min
Rechte Influencer unterstützen Elsässer
In der Mittagspause gibt sich Elsässer siegessicher. Er geht davon aus, das Verfahren zu gewinnen. Falls nicht, werde er vors Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.
Zahlreiche rechte Influencer und Streamer umringen ihn. Mit dabei: Paul Klemm, der nach eigenen Angaben "Deutschlands gefährlichsten Insta-Account" betreibt. Er arbeitet bei Compact als TV-Chef und wird der Identitären Bewegung zugeordnet.
"Die Bedrohungslage ist ernster geworden, ordnet ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner den Verfassungsschutzbericht ein. 10.06.2025 | 1:54 min
Am Nachmittag wird die Verhandlung fortgesetzt. Vosgerau bestreitet noch einmal, dass Compact überhaupt ein Verein sei und nicht eher eine "Ein-Mann-GmbH", wie er es nennt. Auch Elsässer versucht zu erklären, dass eigentlich nur er Verantwortung bei Compact trage:
In unserer Ehe hat meine Frau die Hosen an, aber in der Redaktion bin ich ein richtiger Diktator.
„
Jürgen Elsässer, Chefredakteur von Compact
Worauf es vor Gericht ankommt
Endlich kommt das Verfahren zum entscheidenden Punkt: Liegen die Voraussetzungen eines Vereinsverbotes vor? Richtet sich Compact "gegen die verfassungsmäßige Ordnung", wie es das Grundgesetz für ein Verbot verlangt?
Es folgen langwierige Ausführungen zum Volksverständnis der Compact-Autoren, die, so sieht es das Innenministerium, im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes stünden. Das nämlich knüpfe allein an die deutsche Staatsangehörigkeit an und nicht an ethnische Kriterien.
SPD-Innenministerin Faeser erntete Kritik für die Aufhebung des "Compact"-Verbots - auch von der FDP.16.08.2024 | 4:19 min
Parallelen zu möglichem AfD-Verbotsverfahren
Das Gericht, so wird im Laufe des ersten Verhandlungstages klar, macht sich die Entscheidung jedenfalls nicht leicht. Am nächsten Verhandlungstag möchte es einzelne Zitate aus bei Compact veröffentlichten Artikeln besprechen und untersuchen, ob sie im Widerspruch zur verfassungsmäßigen Ordnung stehen und "prägend" für die Ausrichtung des Magazins sind.
Beobachter ziehen schon Parallelen zu einem möglichen Parteiverbotsverfahren der AfD, über das auch am ersten Verhandlungstag immer wieder gesprochen wird. Und in der Tat spielt eine Frage in beiden Fällen eine zentrale Rolle:
Wie aktiv darf eine Gruppierung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehen - bis der Staat sie irgendwann verbietet?