"Compact": Mündliche Verhandlung abgeschlossen, Urteil am 24. Juni

Urteil am 24. Juni:"Compact": Mündliche Verhandlung abgeschlossen

Daniel Heymann
von Daniel Heymann
|

Die Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht über das Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins ist beendet. Ein Blick auf die zentralen Aspekte für das Urteil.

Jürgen Elsässer, Compact-Chefredakteur, und seine Ehefrau Stephanie Elsässer stehen mit ihren Verteidigern vor dem 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig auf.
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Zukunft des rechtsextremen Magazins ""Compact"".
Quelle: dpa / Hendrik Schmidt

Man konnte schon ahnen, dass das mitunter schräge Schauspiel des ersten Verhandlungstages am Mittwoch seine Fortsetzung finden würde. Bezeichnete "Compact"-Chefredakteur Jürgen Elsässer sich am Dienstag noch als "Diktator" in der Redaktion, betonte er nun, dass gerade durch seine alleinige Entscheidungsgewalt ein "gewisser Meinungspluralismus" gewährleistet würde.
Am zweiten Verhandlungstag im "Compact"-Verbotsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht äußerte sich Elsässer zu mehreren Punkten selbst. Und die Beteiligten deckten viel ab: Vom Volksverständnis bei "Compact", über Ausländerfeindlichkeit und Remigration, bis hin zur Frage der aggressiv-kämpferischen Haltung und der Gesamtprägung des Medienunternehmens.
Jürgen Rainer Elsässer erscheint im Saal
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Zukunft des rechtsextremen Magazins "Compact". Die frühere Innenministerin Nancy Faeser hat es im vergangenen Jahr verboten.10.06.2025 | 1:39 min

Verfassungsfeindlichkeit durch ethnischen Volksbegriff?

Bis zur Mittagspause diskutierten die Beteiligten vor allem über zwei Fragen: Wer gehört für "Compact" zum deutschen Volk? Und sind alle deutschen Staatsangehörigen auch gleichermaßen Deutsche - mit gleichen Rechten?
Das Bundesinnenministerium (BMI) wirft "Compact" vor, einen rein ethnischen Volksbegriff zu vertreten: Man unterscheide zwischen vermeintlich echten Deutschen im Sinne einer ethnischen Gemeinschaft und sogenannten "Passdeutschen", also zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund, die zwar formal deutsche Staatsangehörige seien - aber eben doch nicht gleichberechtigt zum deutschen Volk gehören sollen.
Das verstoße laut BMI gegen die Menschenwürde, weil bestimmte Menschen dadurch niemals die Chance erlangen könnten, gleichberechtigte deutsche Staatsbürger zu sein. Hier hatte das Gericht schon im Eilverfahren im August 2024 Ansätze für verfassungsfeindliches Verhalten gesehen, denn: Das Grundgesetz gibt klar vor, dass sich die Zugehörigkeit zum deutschen Volk nur nach der Staatsangehörigkeit richtet.
Archiv: Eine Mitarbeiterin einer Bahnhofsbuchhandlung hält eine Ausgabe des Magazins «Compact», um es danach aus dem Sortiment zu nehmen. Am 16.07.2024, Bayern, Kempten
Bundesinnenministerin Faeser (SPD) hat das als rechtsextrem eingestufte Magazin "Compact" verboten. Sie sieht es als "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene".16.07.2024 | 2:02 min

"Compact"-Anwalt weist Vorwürfe zurück

Das Gericht gab in der Verhandlung beiden Seiten sehr viel Raum, ihre Argumente hierzu vorzutragen. BMI-Anwalt Wolfgang Roth nahm wiederholt Bezug auf Begriffe wie "Volksaustausch" und "Umvolkung", die sich bei "Compact" immer wieder finden - vor allem im Zusammenhang mit Migration. Die "Masseneinwanderung" sei laut "Compact" ein bewusster politischer Plan: zur Schaffung eines "neuen Wahlvolks", um die eigene Macht zu sichern.
"Compact"-Anwalt Ulrich Vosgerau sah dagegen kein Problem: Es sei erlaubt, die Ethnizität von Menschen zu thematisieren - und es müsse ja sprachlich möglich sein, auch über Probleme, vor allem in der Migrationspolitik, zu reden.

Diese Rolle spielen Martin Sellner und Remigration

In diesem Kontext ging es auch um die Verbindungen von "Compact" zum österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner und seinen Plänen zur "Remigration" - auch von Menschen mit deutschem Pass. Dazu erklärte Elsässer, dass er Sellner persönlich schätze, seine Konzepte aber in Teilen ablehne:

Ich schätze Martin Sellner als Mensch, als Charakter. Er ist in seiner Praxis ein Held, nicht aber in seiner Theorie.

Jürgen Elsässer

Sellner sei "mutig und unbestechlich", Elsässer habe aber insbesondere dessen Konzept der demografischen Wahl widersprochen. Der "Compact"-Chefredakteur bemühte sich sichtlich um Distanz: Sellner vertrete nicht die Blattlinie - man wolle jedoch auch den "Verfemten" eine Stimme geben. Das geschieht bei "Compact" unter anderem in Gestalt einer regelmäßigen Kolumne mit dem Titel "Sellners Revolution".
Der Versuch der Abgrenzung kommt nicht überraschend: Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft betonte, dass er die Zurechnung von Sellners Aktivitäten zu "Compact" für einen entscheidenden Aspekt hält.
SGS mit Daniel Heymann am 10.06.2025  zum Compact-Verbot
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelte seit Dienstag über das Verbot. Die Zeitschrift gilt als Sprachrohr der rechtsextremen Szene.10.06.2025 | 1:01 min

"Umsturz" und DDR-Vergleiche: Diese Formulierungen stehen im Fokus

Für ein Verbot müsste "Compact" nachgewiesen werden, in "aggressiv-kämpferischer" Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorzugehen. Als Beleg dafür führte Roth vor allem Formulierungen wie "Umsturz" oder "Revolution" in Artikeln des Magazins an.
Außerdem vergleiche Elsässer das aktuelle politische System der Bundesrepublik mit der DDR - was dieser auch gar nicht bestritt: Man sei durch das Handeln der "Blockparteien", beginnend in der Ära Merkel, von der DDR nicht weit weg. Die drastische Wortwahl bei "Compact" beschrieb er als "zupackenden Journalismus", den er in seiner Vergangenheit bei der radikalen Linken gelernt hätte.

So sieht das Gesamtbild aus

Die Frage, ob bestimmte radikale Äußerungen nicht bloß von Einzelnen stammen, sondern das Gesamtbild prägen, hatte für die vorläufige Aufhebung des Verbots im vergangenen Sommer gesorgt:
Nach Ansicht des Gerichts war nicht klar, ob die verfassungswidrigen Inhalte wirklich prägend für "Compact" sind - es gebe auch klassische, relativ harmlose Elemente eines Magazins wie Buchbesprechungen oder Filmkritiken. Ein vollständiges Verbot könnte deshalb, auch mit Blick auf das hohe Gewicht von Meinungs- und Pressefreiheit, unverhältnismäßig sein.
Schaltgespraech Gause mit Franzmann
SPD-Innenministerin Faeser erntete Kritik nach der Aufhebung des ""Compact""-Verbots – auch von der FDP. Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Brandmann, sagte: "Der Schaden ist enorm."16.08.2024 | 4:19 min
In den Schlussvorträgen blieb Vosgerau bei seiner Einschätzung, dass "Compact" im Grunde überhaupt keine verfassungswidrigen Positionen vertrete. Und selbst wenn, sei "Compact" ein rein journalistisches Projekt von Jürgen Elsässer. Strukturen und Aktivitäten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, gebe es nicht.
BMI-Anwalt Roth hielt dagegen, dass "Compact" als Teil einer größeren Gesamtbewegung, unter anderem zusammen mit der AfD, auf die Veränderung des politischen Systems ziele:

Es geht hier nicht um Träume einer Einzelperson, sondern um organisierte Agitation.

Wolfgang Roth, Prozessbevollmächtigter des BMI

Das Urteil wird am 24. Juni verkündet. Jürgen Elsässer hat für den Tag danach schon eine Pressekonferenz in Leipzig angekündigt, unabhängig davon, wie das Gericht entscheidet. Die Inszenierung des Schlussakts lässt er sich nicht nehmen.

Mehr zum ""Compact""-Verbot