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Altersarmut:Wenn die Rente nicht zum Leben reicht
von David Römhild
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Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten weiter, obwohl sie bereits eine Altersrente beziehen. Viele, weil sie wollen - andere, weil sie müssen.
913 Euro Rente bezieht Angelika Gerken im Monat. Die Mutter von fünf Kindern hat früher in der Gastronomie gearbeitet, mittlerweile ist sie 69 Jahre alt und geht zweimal die Woche putzen. Bei anderen älteren Menschen verdient sich die Rentnerin als Alltagsassistentin der AWO bis zu 250 Euro dazu. Trotzdem müsse sie genau darauf achten, wie viel sie ausgibt, sonst müsse sie "am Monatsende knapsen", so Gerken.
Mit ihrem Job und der staatlichen Grundsicherung bringe sie es auf 1.350 Euro im Monat. Der bescheidene Zuverdienst sorgt für mehr Lebensqualität. Angelika Gerken freut, wenn sie "sich mal irgendwo hinsetzen kann, einen Becher Eis essen kann".
Zum Existieren reicht es. Also man verhungert nicht.
Angelika Gerken, Rentnerin
Rentner arbeitet fünf Tage die Woche
Auch Werner Straube steht trotz Rente früh auf. Mit 74 Jahren bringt der gelernte Tankwart für die Johanniter Menschen zur Tagespflege, fünf Tage die Woche. Auf Unterstützung vom Amt verzichtet er und setzt voll auf seinen Teilzeit-Job. Seine Rente beträgt nach eigenen Angaben 905 Euro. Bei den Johannitern könne er 800 bis 1.000 Euro im Monat verdienen. Ein "gutes Zubrot" sei das, erzählt der Rentner, "das macht sich schon bemerkbar."
Für einen seiner Fahrgäste, Martin Schmelzkopf, ist der Rentner zwar eine verlässliche Konstante und seinen Job mache er super - es sei nur traurig, dass Straube ihn überhaupt noch fahren müsse.
Das finde ich nicht gut, dass man als Rentner noch arbeiten muss.
Martin Schmelzkopf
Die Arbeit mache ihm großen Spaß, sagt Werner Straube, der nach einem Jobverlust um die 50 zunächst nur schwer zurück in seinen Beruf als Kraftfahrer fand. Zur Arbeitslosigkeit kommt die Scheidung seiner ersten Ehe: "Darum ist meine Rente so gering", sagt Straube.
Mehr Erwerbstätige über 70 Jahre alt
1,35 Millionen der 18,6 Millionen Rentner und Rentnerinnen deutschlandweit waren zum Jahresende 2022 erwerbstätig, erklärt die Deutsche Rentenversicherung. In der Gruppe der jüngeren Rentner zwischen 65 und 74 Jahren sind es 13 Prozent. Ab 75 Jahren sinkt die Beschäftigungsquote deutlich, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Die Beweggründe sind vielfältig: 33 Prozent gaben finanzielle Gründe als Motiv an, 29 Prozent nannten "Freude an der Arbeit" als Hauptgrund.
Die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die älter als siebzig Jahre alt sind, wächst: Waren 2020 noch 469.000 Menschen in dem Alter erwerbstätig, stieg die Zahl 2023 auf 599.000. Das geht aus einer Auswertung des Statischen Bundesamts zur Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung hervor, die dem ZDF vorliegt.
Altersarmut: Risiko sozialer Isolation
Angelika Gerken feiert im Mai ihren 70. Geburtstag. Sie hat fünf Kinder bekommen, zeitlebens ein eher geringeres Einkommen gehabt und eine Scheidung hinter sich. Lebensläufe wie der der Bremerin erhöhten das Risiko von Altersarmut, warnt Bruno Steinmann von der Arbeiterwohlfahrt.
Er stellt fest, "dass gerade aufgrund von Sorgearbeit besonders oft Frauen davon betroffen sind, mit ihren Erwerbsbiografien eine niedrigere Rente zu haben". Steinmann und sein Team beraten in Bremen Seniorinnen und Senioren zum Thema.
Die Nachfrage danach steige merkbar an, sagt der Projektleiter - und warnt: Mit Altersarmut steige das Risiko sozialer Isolation, weil "das Geschenk für den Enkel oder der Kaffee mit den Freunden, das Essengehen, kulturelle Veranstaltungen dann zu kurz kommen".
Rentnerin will weiterarbeiten
Arbeitgeber und Politik sehen in Erfahrung und Arbeitskraft der Älteren in Zeiten des Fachkräftemangels viel Potential. Angelika Gerken aber findet, dazu sollte niemand gezwungen sein.
Man sollte "so viel Rente beziehen können, dass man da vernünftig von leben kann, nicht existieren, leben kann," sagt die Rentnerin. Sie will weiterarbeiten, solange ihre Gesundheit es zulässt.
David Römhild ist Redakteur im ZDF-Studio in Bremen.
Quelle: dpa
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