AfD klagt gegen Einstufung - was gegen die Partei vorliegt

Analyse

Klage gegen neue Einstufung:Was liegt gegen die AfD konkret vor?

von Daniel Heymann und Jan Schneider
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Seit Freitag stuft der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem ein. Das Gutachten ist bislang geheim - was drin stehen könnte, lässt sich aber bereits erahnen.

AfD, Logo
Die AfD wehrt sich juristisch gegen die Einstufung ihrer Bundespartei als gesichert rechtsextremistisch.
Quelle: dpa

Öffentlich zugänglich ist nur die Pressemitteilung - sieben Absätze, in denen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seine neue Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung zusammenfasst. Das zugrundeliegende Gutachten dagegen, über 1.100 Seiten lang, ist bislang geheim. Wie genau die Materialsammlung des Verfassungsschutzes aussieht, ist bislang wohl nur innerhalb der Behörde bekannt.
Auch die AfD selbst kennt den Inhalt des Papiers nicht. Noch nicht, denn nun hat sie Klage gegen die Hochstufung beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Im Verfahren erhält sie Einsicht in das Gutachten. Während des Prozesses dürfte dann auch die Öffentlichkeit nach und nach Kenntnis von den genauen Vorwürfen des Verfassungsschutzes gegen die AfD erhalten.
Ein Blick auf vorherige Verfahren gegen die Partei und ihre Landesverbände könnte aber schon jetzt Aufschluss darüber geben, wie das BfV zu seiner neuen Einschätzung kommt.
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Der springende Punkt: Das Volksverständnis der AfD

Der entscheidende Aspekt in allen Verfahren ist immer der Volksbegriff der AfD, der nun auch das zentrale Argument für die Hochstufung durch den Verfassungsschutz bildet:

Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt.

Sinan Selen und Dr. Silke Willems, Vizepräsidenten des BfV

Genau hiermit hat sich unter anderem schon das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Es hat im vergangenen Mai die damalige Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall bestätigt. In seinem - noch nicht rechtskräftigen - Urteil setzt sich das Gericht detailliert mit der Materialsammlung des BfV auseinander.
Auffällig sei etwa die wiederholte Verwendung der Bezeichnung "Passdeutsche" für Menschen mit Migrationshintergrund. Sie besitzen nach Auffassung der AfD zwar formal die deutsche Staatsangehörigkeit, abgesehen davon seien sie aber keine Deutschen.
Ein beliebtes Angriffsobjekt in diesem Kontext: die Fußball-Nationalmannschaft. Die bezeichnet etwa die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum als "Passdeutsche Fußballnationalmannschaft".
Hans-Thomas Tillschneider, stellvertretender AfD-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, sieht in der DFB-Elf keine "echte Nationalmannschaft", sondern eine "bunt zusammengewürfelte Söldnertruppe der Deutschland-AG".
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Staatsbürger zweiter Klasse?

Solche Äußerungen finden sich vielfach in dem Urteil. Das OVG macht indes zugleich deutlich, dass AfD-Funktionäre es nicht bei sprachlichen Abwertungen belassen wollen. Vielmehr sollen nur Deutsche im Sinne der AfD die vollen staatsbürgerlichen Rechte haben. So fordert Christina Baum die Einführung eines "Wahlrechts nach Abstammung".
Vor allem in Bezug auf Muslime und den Islam führt das OVG zahlreiche herabwürdigende Aussagen von AfD-Vertretern an. Von "Invasion" und "Messerstechermigration" ist die Rede, Maximilian Krah etwa spricht von "Landnahme" und "Fachkräften für Sozialhilfe und Messerstechen".
Teilweise gibt es ausdrückliche Forderungen, die Religionsfreiheit für Muslime zu beschränken. So forderte die AfD in ihrem Europawahlprogramm von 2019 zum Beispiel ausdrücklich, Minarette zu verbieten.

Vor allem mit Blick auf die Migration von Muslimen verbreiten AfD-Politiker teilweise die Verschwörungstheorie vom sogenannten "Großen Austausch". Das Sächsische OVG, das die Einstufung des dortigen Landesverbandes als gesichert rechtsextrem bereits im Januar letztinstanzlich bestätigt hat, geht in seinem Beschluss ausführlich darauf ein:

"Insbesondere die immer wieder […] verwendeten […] Begriffe wie 'Umvolkung', 'Großer Austausch', 'autochthone Bevölkerung', 'Bevölkerungsaustausch', 'Ersetzung der deutschen Bevölkerung durch Migranten', 'Volksaustausch' oder 'indigene Völker' gehen von einem ethnokulturellen Volksverständnis und einer Bedrohung des in diesem Sinne verstandenen Volkes durch die Masseneinwanderung kulturfremder Einwanderer aus.

Die vorgenannten Begriffe […] vermitteln die Vorstellung, wonach das ethnisch homogene deutsche Volk durch den Zuzug von Ausländern unterzugehen drohe und in seiner Existenz gefährdet sei bzw. die heimisch angestammte Bevölkerung in einem schrittweisen Prozess durch (insbesondere außereuropäische) verdrängt und ausgetauscht wird." (Quelle: Sächsisches OVG, 3 B 127/24)

Dies widerspricht, so das Gericht, dem Volksbegriff des Grundgesetzes und der Menschenwürdegarantie. Für die Verschwörungstheorie des "Großen Austausches" gibt es keinen wissenschaftlichen Anhaltspunkt.

Klage gegen neues Gutachten schon eingereicht

Die AfD geht gegen die Hochstufung derweil bereits gerichtlich vor. In ihrer Klageschrift an das Verwaltungsgericht Köln heißt es, der Verfassungsschutz solle es unterlassen, die Partei "als 'gesichert rechtsextremistische Bestrebung' einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und/oder zu führen".
Auch soll dem BfV verboten werden, öffentlich bekanntzugeben, dass die AfD als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingeordnet wurde.

Zur Begründung werden zwei Kernpunkte angeführt:

  • Zum einen beruft sich die AfD auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, wonach "bloßes Haben und Äußern" als verfassungsfeindlich bewerteter Meinungen und Gesinnungen nicht ausreicht, um etwa im Verfassungsschutzbericht genannt zu werden. Dazu sei eine aktiv-kämpferische Haltung nötig, die belegen soll, das man die freiheitlich-demokratische  Grundordnung beseitigen wolle.
  • Zum anderen bezieht sich die Klage auf eine Aussage im Verfahren vor dem OVG NRW, also die Einstufung als Verdachtsfall. Darin heißt es, dass von der AfD kein unmittelbar physisches Gefährdungspotential ausgeht. Das OVG sprach sich damals aber trotzdem dafür aus, dass die AfD vom Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden darf.

AfD beschwert sich über Weitergabe an Medien

In der Klageschrift beschwert sich die AfD auch über die Weitergabe von Inhalten aus dem Verfassungsschutz-Gutachten an Medien, obwohl sie selbst das Gutachten noch nicht einsehen konnte. Dazu werden unter anderem Aussagen der stellvertretenden Chefredakteurin des "Spiegel", Melanie Amann, zitiert. Diese sollen angeblich belegen, dass das vollständige Gutachten dem "Spiegel" vorliegt.
SGS Slomka Zick
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Parteichefin Alice Weidel nennt das auf X ein "entlarvendes Geständnis" und fügt an, dass der Verfassungsschutz mit seiner "Geheimjustiz" Demokratie und Rechtsstaat missachte. Als weitere Belege werden Posts von X-Nutzern zitiert, die Amanns Aussagen ebenfalls auslegen wie Weidel.
Liest man die entsprechenden Artikel im "Spiegel" wird jedoch deutlich, dass das Magazin lediglich einzelne Aussagen aus Sicherheitskreisen zitiert. Bisher ist nicht bekannt, dass das neue Gutachten irgendeinem Medium in Gänze vorliegt.
Anmerkung der Redaktion, 08.05.2025: Mittlerweile hat der "Spiegel" eine Auswertung des Gutachtens veröffentlicht und erklärt, er habe alle 1.108 Seiten einsehen können. Die diesbezügliche Passage wurde entsprechend aktualisiert. 

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