Expertin: China nutzt "Nuklearwaffe des Handels"

Interview

Janka Oertel skeptisch bei Annäherungen:Expertin: China nutzt "Nuklearwaffe des Handels"

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Beim Thema seltene Erden scheinen sich China und Deutschland anzunähern. Doch eine Expertin warnt vor zu viel Optimismus. Ihr bereite der eingeschlagene Weg Pekings Sorgen.

Schaltgespräch zwischen der Moderatorin Marietta Slomka und die Politikwissenschaftlerin Janka Oertel

Das Interview mit Asien-Expertin Oertel in voller Länge im Video.

08.12.2025 | 4:56 min

Chinesisches Angebot, vorsichtiger Optimismus: Peking hat beim ersten China-Besuch von Außenminister Johann Wadephul allgemeine Exportlizenzen für von deutschen Firmen benötigte seltene Erden in Aussicht gestellt. "China hat angeboten, dass es Generallizenzen geben kann für europäische, für deutsche Unternehmen und hat uns ermutigt, unsere Unternehmen dazu anzuhalten, Anträge dafür zu stellen", sagte der CDU-Politiker nach Gesprächen mit mehreren Ministern in Peking.

Seltene Erden - Rohstoffe, die in Handys bis zu Elektromotoren und Raketen stecken - werden in der Industrie dringend gebraucht, auch von Deutschlands Autobauern. Aber "beruhigen sollte einen das erst mal noch gar nicht", sagt Janka Oertel, Asien-Expertin an der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations".

Sehen Sie das ganze Gespräch oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es hier in Auszügen.

Expertin: Deutsche Konzerne müssen weiter warten

Die heutige Annäherung setze erst einmal zwei Dinge voraus, erklärt die Politikwissenschaftlerin. "Erstens, dass weiterhin Anträge gestellt werden müssen. Und zweitens, dass man sie erst mal noch prüfen wird." Das heißt, es gebe "keinen Freibrief für den Export", sondern es bedeute weiterhin, dass deutsche Konzerne auf die Lieferung von wichtigen Grundstoffen warten müssten.

Zudem müssten sie für die Lizenzen viele Informationen preisgeben. "Wenn man sich immer wieder vor Augen ruft, dass bis Anfang des Jahres dafür keine Lizenzen notwendig waren, ist das kein großes Zugeständnis der chinesischen Führung", so Oertel.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (l, CDU) und Wang Yi, Außenminister der Volksrepublik China, begrüßen sich vor ihrem Gespräch.

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Weg Chinas bereitet Sorgen

Seit April hat Peking sieben dieser seltenen Erden und daraus gefertigte Magnete mit Kontrollen belegt. Wer sie exportieren will, musste seitdem jedes Mal ein langwieriges und kompliziertes Antragsverfahren durchlaufen.

Dieses Vorgehen von China sei "ganz schön martialisch", so die Asien-Expertin Oertel. Es habe immer die Erwartung gegeben, dass die Abhängigkeiten so groß seien, dass die chinesische Führung dieses Mittel nicht einsetzen würde, weil das doch ihren eigenen Interessen widersprechen würde, so Oertel.

Und im Prinzip ist das sowas wie die Nuklearwaffe des Handels: die Abhängigkeiten so klar vorzuführen und so deutlich zu machen, dass die chinesische Führung zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit hat, die Bänder in Europa stillstehen zu lassen.

Jana Oertel, Asien-Expertin am "European Council on Foreign Relations"

Dass Peking diesen Weg einschlage, sollte uns große Sorgen machen, warnt die Politikwissenschaftlerin.

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Wie kann Europa reagieren?

Es gehe jetzt darum, das Rennen um die verbliebenen Reserven zu gewinnen und dann langfristig in den Abbau und die Verfertigung dieser Produkte zu investieren, so Oertel. Hier habe die EU mit einem neuen Programm vorgelegt. "Das muss jetzt aber auch von den Mitgliedstaaten mit Leben gefüllt werden", forderte Oertel. Es müssten Initiativen folgen und sehr viel Geld in die Hand genommen werden.

Zudem habe Europa einen weiteren Hebel: Das Land bleibe nämlich ein wichtiger Absatzmarkt für die Chinesen. Die Exporte nach Europa seien im ersten Halbjahr um zehn Prozent gestiegen, während sie in die USA um 20 Prozent gefallen seien.

Der Hebel ist tatsächlich im eigenen, im europäischen Markt. Denn hier könnte Europa China wirklich Probleme bereiten, sollte man hier Zollschranken hochfahren, Restriktionen einführen.

Jana Oertel, Asien-Expertin am "European Council on Foreign Relations"

Diese Möglichkeit zu nutzen sei aber vor allem aus deutscher Perspektive problematisch, weil man sich immer in einem guten Verhältnis mit China gesehen habe und davon ausgegangen sei, dass man in einem konstruktiven Dialog stehe.

"Aber die chinesische Führung scheint wenig interessiert daran zu sein, auf deutsche Interessen einzugehen und den deutschen Sorgen ja auch etwas entgegenzustellen", konstatiert die Asien-Expertin.

Das Interview führte Marietta Slomka. Zusammengefasst hat es Tim-Julian Schneider.

Quelle: dpa, ZDF
Über dieses Thema berichtete das ZDF im heute journal am 08.12.2025 ab 21:45 Uhr.

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