Nachfolge für Brosius-Gersdorf:Richterwahl: Wie beschädigt ist Schwarz-Rot?
von Dominik Rzepka
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Nach dem Rückzug von Richterkandidatin Brosius-Gersdorf ist die SPD sauer auf die Union, spricht von Vertrauenskrise. Das dürfte die Koalition belasten. Wie könnte es weitergehen?
SPD-Fraktionschef Miersch habe die Frage aufgeworfen, "wie belastbar die Koalition überhaupt noch sei", wenn sich der Partner "nicht an Absprachen" halte, so ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Christiane Hübscher.08.08.2025 | 2:48 min
Wen könnte die SPD vorschlagen?
Nach dem Rückzug Brosius-Gersdorfs hat die SPD weiterhin das Vorschlagsrecht für eine neue Kandidatin. Aus der Partei ist zu hören, dass wieder eine Frau für das Richteramt vorgeschlagen werden soll, sagt ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Christiane Hübscher. Es gebe wohl auch schon Kandidatinnen, aber:
Man darf sich ein bisschen fragen, wer sich dem wieder aussetzen will nach dieser ganzen Schlammschlacht.
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Christiane Hübscher, ZDF-Hauptstadtstudio
Die Union erhoffe sich eine Konsenskandidatin. Die SPD erwartet aber, dass die Union "diesmal steht". Der Druck seitens der SPD auf die Union, die nächste Kandidatin auch wirklich zu unterstützen, ist also hoch.
Als Grund nannte sie, dass sie Auswirkungen auf die Demokratie verhindern wolle. Die SPD nominierte sie zuvor als Verfassungsrichterin. Es gab eine große Debatte um ihre Person.07.08.2025 | 2:49 min
Was sagt die SPD selbst?
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagt phoenix, er würde sich "freuen, wenn wir wieder eine fachlich geeignete Frau vorschlagen werden". Die SPD werde sich mit ihrem Koalitionspartner abstimmen, aber auch mit Grünen und Linken. Nur mit beiden zusammen hat Schwarz-Rot die für die Richterwahl nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
CDU und CSU schließen eine Zusammenarbeit mit der Linken weiterhin aus. Klüssendorf aber sagt:
Wenn es darum geht, die demokratischen Institutionen zu sichern, dann sind die Linken ein verlässlicher Partner.
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Tim Klüssendorf, SPD
Die Union müsse in dieser Frage und auch innerhalb der eigenen Fraktion klären, wie sie Mehrheiten organisieren kann, um eine Vertrauenskrise in der Regierungskoalition zu verhindern.
Aus dem Archiv: Die Union hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der jegliche Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Und doch musste diese zuletzt mehrfach miteinbezogen werden.11.05.2025 | 4:21 min
Wann könnte gewählt werden?
Wahrscheinlich erst nach der Sommerpause. Der Bundestag kommt am 10. September wieder zusammen. Bereits vorher könnte es laut Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) einen neuen Vorschlag geben. Frei sagt im Deutschlandfunk:
Ich bin sicher, dass Unions- und SPD-Bundestagsfraktion in der Lage sein werden, in den nächsten Wochen einen Vorschlag zu präsentieren, der dann auch über die Mehrheitsfähigkeit im Parlament verfügt.
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Thorsten Frei, CDU
Es sei richtig, diese Aufgabe "so schnell wie möglich" zu lösen. Die Koalition sieht Frei nicht in einer Krise: Er habe "keinen Zweifel, dass die Zusammenarbeit in der Koalition gut fortgesetzt werden kann."
Der Richterwahl-Streit habe sich zu einem echten Koalitionsstreit entwickelt. Die größte Verliererin sei Brosius-Gersdorf selbst, so Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.07.08.2025 | 17:12 min
Wie beschädigt ist die Koalition?
Seitens der SPD ist das Vertrauen zur Union aber sehr wohl angeknackst. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch stellt in einem Brief an die SPD-Fraktion, der ZDFheute vorliegt, ganz offen die Frage, wie verlässlich die Koalition noch zusammenarbeiten kann.
Was sind Absprachen noch wert? Was bedeutet Verlässlichkeit in einer Koalition?
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Matthias Miersch, SPD
Miersch erwatet, dass die Union die neue Richterkandidatin nun wähle. ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Hübscher sagt, man könne das auch als "kleine Drohung" an die Union verstehen - nach dem Motto: "Wenn ihr diesmal nicht steht, dann lassen wir vielleicht auch mal eure Projekte platzen. Das ist der Zustand, in dem sich diese Koalition kurz vor Ablauf der ersten 100 Tage befindet."
Die Regierung sei erleichtert, die Opposition triumphiere, sagt ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese. Ob eine Kampagne Brosius-Gersdorf zum Fall gebracht habe, sei noch offen. 07.08.2025 | 2:12 min
Wie angeschlagen ist Jens Spahn?
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte die Wahl Brosius-Gersdorfs erst zugesagt, wurde dann aber vom Widerstand in den eigenen Reihen überrascht. Er selbst äußert sich kleinlaut:
Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte.
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Jens Spahn, CDU
In der SPD ist nach ZDFheute-Informationen der Unmut über Spahn groß. Juso-Chef Philipp Türmer spricht aus, was einige in der Fraktion denken dürften. Er fordert den Rücktritt Spahns.
Die CDU muss jetzt Konsequenzen ziehen und einen Wechsel an der Fraktionsspitze vornehmen. Jens Spahn muss Verantwortung übernehmen und gehen.
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Philipp Türmer, SPD
Spahn steht auch wegen der Maskenbeschaffung während Corona unter Druck. Zuletzt hatte sich die Union aber hinter ihrem Fraktionschef versammelt, was einen Rücktritt zurzeit unwahrscheinlich machen dürfte.