Welttag der humanitären Hilfe: Kriseneinsätze immer gefährlicher

"Zunehmend unter Beschuss":Kriseneinsätze für Helfer immer gefährlicher

von Susann von Lojewski, Nairobi
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Allein in diesem Jahr starben bereits 265 Helfer und Helferinnen weltweit. Sie riskierten ihr Leben, um andere zu retten. Angesichts der vielen Krisenherde wächst die Gefahr.

Humanitäre Hilfe in Nigeria
Während sich die humanitäre Lage im Nordosten Nigerias dramatisch zuspitzt, geraten auch die internationalen Helferinnen und Helfer ins Visier von Terroristen.19.08.2025 | 2:36 min
Es gibt nicht mehr viel zu verteilen im UN-Flüchtlingscamp in Maiduguri, im Nordosten Nigerias. Seit die Hilfe der amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingestellt wurde, kommen hier kaum noch Lebensmittel an.
Die Krankenschwester Rasheeda Suleiman war als humanitäre Helferin eine Woche für das UN-Ernährungsprogramm in Maiduguri, als die Terroristen der islamistischen Boko Haram das Camp überfielen. Die Männer überrannten die militärischen Schutzeinrichtungen, fielen in die kargen Häuser ein und erschossen Zivilisten. Rasheeda und ihr Team konnten sich mit Mühe in einen Bunker retten und überlebten.

Helfende immer mehr Gewalt ausgesetzt

Rasheeda ist kein Einzelfall. Ob in der Ukraine, in Gaza, im Sudan oder anderswo - humanitäre Helferinnen und Helfer internationaler Organisationen geraten zunehmend in Gefahr. Sie sind die ersten, die Versorgungslinien sichern oder Menschenleben retten, wenn Bomben fallen oder Gewalttäter zuschlagen - und sind damit derselben Gefahr ausgesetzt wie die Zivilbevölkerung, der sie eigentlich helfen wollen.
265 humanitäre Helfende bezahlten schon jetzt 2025 ihren Einsatz mit dem Leben, 115 wurden verwundet, 56 entführt. Das sind Zahlen der Vereinten Nationen (UN). Bereits 2024 hatten die Zahlen mit 384 Toten einen neuen Höchstwert erreicht.
Flüchtlinge aus dem Sudan
Laut den Vereinten Nationen ist der Bürgerkrieg im Sudan die größte humanitäre Krise der Welt. Vor zwei Jahren eskalierten die Kämpfe und ein Ende des Kriegs ist nicht in Sicht.15.04.2025 | 1:48 min

Aktionsbündnis Katastrophenhilfe: Angriffe nehmen zu

Wie jedes Jahr begehen die UN am 19. August den Welttag der humanitären Hilfe - einen Tag, an dem sie denen danken wollen, die Menschen in Not helfen und dafür oft auch ihr eigenes Leben für andere riskieren. Die Botschaft der Vereinten Nationen in diesem Jahr:

Das humanitäre System steht an seiner Belastungsgrenze - unterfinanziert, überfordert und zunehmend unter Beschuss.

Pressemitteilung der Vereinten Nationen

Yazan, ein unterernährter 2-jähriger palästinensischer Junge, sitzt mit seinen Brüdern in dem beschädigten Haus seiner Familie im Flüchtlingslager Al-Shati westlich von Gaza-Stadt, am 23. Juli 2025.
In Gaza breitet sich der Hunger rasant aus. Hilfsorganisationen schlagen Alarm und warnen vor einer Massenhungersnot. Eine Humanitäre Katastrophe droht. 23.07.2025 | 2:42 min
Auch beim Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, einem Zusammenschluss von Caritas, UNICEF, dem Deutschen Roten Kreuz und der Diakonie Katastrophenhilfe, ist man angesichts der Krisen in der Welt alarmiert.

Tatsächlich war unsere Arbeit noch nie so gefährdet und gefährlich wie zurzeit.

Christian Schneider, Vorsitzender Aktionsbündnis Katastrophenhilfe

"Angriffe auf eindeutig gekennzeichnete humanitäre Konvois und Einrichtungen nehmen zu. Besonders schwierig sind die Bedingungen im Gazastreifen", so der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Katastrophenhilfe, Christian Schneider.
The aid worker was among 15 humanitarian personnel who were killed on March 23 in an attack by Israeli forces, according to the United Nations and the Palestine Red Crescent Society (PRCS). The Israeli military has said its soldiers "did not randomly attack" any ambulances, insisting they fired on "terrorists" approaching them in "suspicious vehicles".
Nach dem Beschuss eines Rettungskonvois in Gaza mit 15 Toten zog ein brisantes Handyvideo die offizielle Version Israels im April in Zweifel. Der Vorwurf: Ein mögliches Kriegsverbrechen.05.04.2025 | 2:49 min

Kampf um Ressourcen verschärft Gewaltbereitschaft

Ein Grund für die zunehmende Gewaltbereitschaft: der immer härter werdende Kampf um Ressourcen wie Lebensmittel und Medikamente bei gleichzeitig immer mehr Bedarf. Nicht nur die US-Amerikaner, auch Deutschland wird die Mittel für humanitäre Hilfen vermutlich dramatisch kürzen.
"Als Sektor rechnen wir von Seiten der deutschen Regierung mit Kürzungen von mehr als 50 Prozent bei der humanitären Hilfe für 2025 und 2026", so Christian Schneider. "Konkret sind unsere großen Hilfeaufrufe für die laufenden Kriseneinsätze etwa im Sudan oder in der Ukraine bisher deutlich unterfinanziert."
Antoine Renard vom UN-Welternährungsprogramm bei ZDFheute live.
In Gaza hätten die Palästinenser keine Grundnahrungsmittel. Täglich brauche es mindestens 100 Lkw mit Lebensmitteln, erklärt Antoine Renard vom UN-Welternährungsprogramm.29.07.2025 | 12:51 min

Deutsche Helferin 2018 entführt

Ein Beispiel, wie sich dauerhafte Konflikte auch auf Helferinnen und Helfer auswirken können, ist die medizinische Fachkraft Sonja Nientiet aus Deutschland. Vor über sieben Jahren wurde sie in Somalia entführt. Das Land am Horn von Afrika leidet seit Jahrzehnten unter einem blutigen Bürgerkrieg. Aus dem sicher geglaubten Gebäudekomplex ihres Arbeitgebers, dem Internationalen Roten Kreuz ICRC, wurde Nientiet verschleppt.
Bis heute ist sie verschwunden. Wäre nicht vor wenigen Monaten ein Video aufgetaucht, indem sie die Bundesregierung um Hilfe anfleht, hätte die Welt sie für tot gehalten. Auch an sie soll am Welttag der humanitären Hilfe gedacht werden - wie an so viele Helferinnen und Helfer, die im Dienst für andere ihr eigenes Leben riskieren.
Susann von Lojewski ist Studioleiterin im ZDF-Studio in Nairobi.

"Emergency Watchlist 2025"
:Wo sich humanitäre Krisen verschärfen

Der Sudan und die palästinensischen Gebiete stehen laut IRC-Bericht an der Spitze der Länder, in denen sich die humanitäre Lage 2025 am stärksten verschlechtern wird.
Flüchtlinge in einem Lager in der sudanesischen Stadt Al-Qadarif

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