Masern in den USA: US-Gesundheitsminister zweifelt Impfung an
Größter Ausbruch seit 1992:In den USA brechen die Masern aus - drei Tote
von Beatrice Steineke, Washington D.C.
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Seit Januar erkranken vermehrt Menschen an Masern. Über 1.300 Fälle sind mittlerweile bestätigt, drei Menschen starben. Und US-Gesundheitsminister Kennedy sät Impfzweifel.
Bekannt für seine Skepsis gegenüber Masern-Impfungen: US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.
Quelle: ddp
Kayley und Daisy waren sechs und acht Jahre alt, als sie starben. Beide lebten in einer ländlichen Gegend im Westen von Texas. Ihre Geschichte erinnert die USA gerade daran, wie lebensbedrohlich diese Infektionskrankheit sein kann, die hier seit 2000 als eliminiert galt: Laut Daten der US-Gesundheitsbehörde für Seuchenkontrolle und Prävention (CDC) erlebt das Land derzeit den größten Masernausbruch seit 33 Jahren.
Bislang starben Kayley, Daisy und ein Erwachsener im US-Bundesstaat New Mexico. Seit dem Ausbruch in Texas im Januar zählt die CDC mehr als 1.300 bestätigte Fälle im ganzen Land. Experten warnen, dieser Masernausbruch könnte erst der Anfang sein.
Fehlender Impfschutz begünstigt weltweit Krankheitsausbrüche. WHO und Unicef warnen vor allem in den Krisenregionen vor Rückschritten, nachdem einige Hilfsgelder gekürzt wurden.15.07.2025 | 3:04 min
USA: Impfquote bei Masern-Mumps-Röteln geht zurück
In den 1960er Jahren wurde in den USA eine Masern-Impfung verfügbar. Davor erkrankten laut CDC jährlich drei bis vier Millionen Menschen im Land, von den bestätigten Fällen starben zwischen 400 und 500 Menschen.
Während CDC und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in jedem Land und jeder Region eine Impfquote von 95 Prozent empfehlen, gehen die Impfungen in den USA zurück. Für Robert H. Shmerling von der medizinischen Fakultät der Harvard Medical School sind die Dimensionen alarmierend:
Landesweit sind die Masernimpfquoten bei Schulkindern von 95 Prozent im Jahr 2019 auf 92 Prozent im Jahr 2023 gesunken.
„
Robert H. Shmerling in einem Bericht der Harvard Medical School
Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten und können in Extremfällen lebensbedrohlich sein. Übertragen werden sie unter anderem über Tröpfchen und Aerosole, die etwa beim Sprechen, Husten und Niesen abgegeben werden. Das Virus löst bei fast allen ungeschützten Menschen Symptome aus. Dazu gehören Fieber, Husten und der typische Hautausschlag, der sich über den ganzen Körper ausbreitet.
Quelle: dpa
Seit 2020 besteht für Kinder in Deutschland eine Pflicht zur Masernimpfung. Doch die tatsächliche Impfquote ist mit nur 77 Prozent bei den Zweijährigen weitaus zu niedrig.17.07.2025 | 1:40 min
Gründe für Rückgang bei Impfungen vielfältig
Laut CDC waren von allen landesweit bisher bestätigten Fällen insgesamt 92 Prozent der Erkrankten nicht geimpft oder deren Impfstatus ungeklärt. In den USA empfiehlt die CDC zwei Masern-Mumps-Röteln-Impfungen bis zum sechsten Lebensjahr.
Die Gründe, warum mittlerweile weniger Kinder geimpft werden, sind für Lauren Gardner von der Johns Hopkins Universität vielfältig. Gegenüber der Nachrichtenplattform "Time" nennt sie etwa die Auswirkungen der Pandemie auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, die Qualität der gemeldeten Daten und Impfzurückhaltung.
Kennedy gründete impfkritische Organisation
Die Impfskepsis könnte auch er verstärken: US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. Der ehemalige Anwalt für Umweltrecht schrieb 2021 in einem Vorwort für ein Buch: Masernausbrüche seien erfunden worden, "um Angst zu erzeugen" und "unnötige und riskante Impfstoffe" zu verabreichen, wie unter anderem die US-Zeitschrift "The Atlantic" berichtet.
Veröffentlicht wurde das Buch von der impfkritischen Non-Profit-Organisation "Children's Health Defense", die von Kennedy gegründet wurde.
Schon vor seiner Vereidigung sprachen sich 77 Nobelpreisträger gegen den ehemaligen Anwalt für Umweltrecht aus. Robert F. Kennedy Jr. ist wohl der umstrittenste US-Gesundheitsminister seit Jahrzehnten. Seine Verschwörungstheorien zur Covid-19-Pandemie, seine impfkritischen Aussagen, ein Gesundheitsbericht mit erfundenen Studien und seine Theorien zu Autismus befeuern die Kritik an seiner Eignung für das Amt.
In den USA haben sich 77 Nobelpreisträger gegen Robert F. Kennedy Jr. als neuen Gesundheitsminister ausgesprochen. Seine Beauftragung gefährde "die Gesundheit der Bevölkerung".10.12.2024 | 0:23 min
Als mit der sechsjährigen Kayley im Februar zum ersten Mal seit zehn Jahren ein Kind in den USA an Masern starb, sagte Kennedy, die vermehrten Fälle seien "nicht ungewöhnlich". Später verwies er auf Vitamin A und Lebertran als Heilmittel. Dem widersprach etwa die Biologieprofessorin Kirsten Hokeness von der Bryant University: Die beste Methode sei die Schutzimpfung, um Masern zu vermeiden.
Nach der Beerdigung der achtjährigen Daisy im April postete Kennedy dann widersprüchlich auf dem Onlinedienst X: "Die wirksamste Methode, die Verbreitung von Masern zu verhindern, ist die MMR-Impfung."
US-Gesundheitsminister Kennedy will im Eilverfahren die Ursache von Autismus erforschen lassen. Experten befürchten, dass er lediglich lang widerlegte Verschwörungsmythen aufwärmt.
von Jan Schneider
Experte: Ziel sind Angst und Zweifel an Impfung
Nur Wochen später tauschte Kennedy alle Mitglieder eines Gremiums von Impfexperten aus. Die Neubesetzung will nun die Impfempfehlungen für Kinder überarbeiten. Vor kurzem folgte ein Statement des US-Gesundheitsministeriums: Die US-Gesundheitsbehörde CDC empfehle weiterhin die MMR-Impfung als den besten Schutz vor Masern. Die Entscheidung für eine Impfung sei eine persönliche.
Mit seinen widersprüchlichen Aussagen versuche Kennedy das Vertrauen in Impfungen zu untergraben, so Jonathan E. Howard, Neurologe und Psychiater am Medical College der New York University dem "Times Radio":
Er versucht, ein Klima der Angst und des Zweifels gegenüber Impfungen zu schaffen.
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Jonathan E. Howard, Medical College of New York University
Impfen ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, Menschen vor Krankheiten zu schützen. Dennoch gibt es viele Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf Impfungen für Kinder.24.04.2024 | 4:02 min
US-Experten: "Masern ansteckendstes Virus der Welt"
Die Epidemiologin Katelyn Jetelina zeigt sich im "Time Magazin" vom derzeitigen Masernausbruch nicht überrascht. Sie habe 2025 mit diesen Rekordzahlen in den USA gerechnet. "Masern sind das ansteckendste Virus der Welt", so Jetelina. "Deshalb ist es oft das Erste, das wieder auftaucht, wenn die Impfquote sinkt."
Masern-Infektionen weltweit gestiegen
Der Masernausbruch in den USA ist global gesehen kein Einzelfall. Von 2022 auf 2023 sind die Masern-Infektionen - laut WHO und US-Gesundheitsbehörde CDC - weltweit um 20 Prozent gestiegen. Unicef und WHO beklagen, es seien weniger Mittel für Impfkampagnen vorhanden, da viele Länder ihre Entwicklungshilfe gekürzt hätten - auch die US-Regierung unter Donald Trump.