Rede an die Nation:Trumps Versuch, "die Deutungshoheit zurückzugewinnen"
In einer Rede an die Nation zieht Trump zum ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit Bilanz. Er lobt vor allem vermeintliche innenpolitische Erfolge und redet Misserfolge klein.
US-Präsident Trump hat in seiner Rede an die Nation seine umstrittene Wirtschaftspolitik verteidigt. Er kündigte einen Boom an - während die Sorgen vieler Amerikaner wachsen.
18.12.2025 | 0:24 minUS-Präsident Donald Trump hat angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen seinen demokratischen Vorgänger Joe Biden für die hohen Verbraucherpreise verantwortlich gemacht und zugleich die eigenen Erfolge gelobt. "Ich habe vor elf Monaten ein Chaos übernommen und ich bringe es in Ordnung", sagte Trump am Mittwoch in einer seltenen Ansprache aus dem Weißen Haus. "Ich senke diese hohen Preise und zwar sehr schnell."
Er kündigte eine Einmalzahlung von 1.776 Dollar für Angehörige des US-Militärs an: Die Summe entspricht dem Jahr der US-Unabhängigkeitserklärung. Zudem sprach er davon, bald einen Nachfolger für den für ihn viel kritisierten Fed-Chef Jerome Powell zu benennen.
Biden als Sündenbock
Der republikanische Präsident, der sich regelmäßig über mangelnde Anerkennung seiner Erfolge beklagt, lobte die Arbeit seiner Regierung und sprach dabei fast ausschließlich innenpolitische Themen an. "Nach elf Monaten ist unsere Grenze sicher, die Inflation ist gestoppt, die Löhne sind gestiegen und die Preise gesunken", behauptete er. Details blieb er in vielen Fragen - etwa bei Plänen zum Wohnraum - schuldig. Mit Kritik sparte er dagegen nicht an seinem Vorgänger Joe Biden, den er für alle möglichen Missstände im Land verantwortlich machte.
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16.12.2025 | 51:41 minTrumps Republikaner wollen bei den Wahlen im November 2026 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat verteidigen. Die Demokraten streben ihrerseits die Macht an und verweisen auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten.
Angespannte Wirtschaftslage in den USA
Trump hielt seine Ansprache vor dem Hintergrund wachsender Sorgen über die Wirtschaftslage und sinkender Zustimmungswerte. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Instituts Ipsos zufolge sind nur 33 Prozent der US-Bürger mit Trumps Wirtschaftspolitik zufrieden. Seine allgemeinen Zustimmungswerte sanken auf 39 Prozent.
Die Arbeitslosenquote in den USA ist im November auf ein Vier-Jahres-Hoch gestiegen. Sie liegt nun bei 4,6 Prozent - bei Trumps Amtsantritt im Januar betrug sie 4,0 Prozent.
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Trump voller Selbstlob
"Rund 18 Minuten lang nutzte US-Präsident Donald Trump die volle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, um vor allem innenpolitisch seine zweite Amtszeit zu loben", sagt ZDF-Korrespondentin Beatrice Steineke in Washington. "Doch getrieben von sinkenden Zustimmungswerten und nach wie vor hohen Lebenshaltungskosten wirkte Trump wie ein Präsident, der sich gegenüber seiner Nation erklären muss", schätzt Steineke ein.
Gewählt als Businessman mit dem Wahlversprechen, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation zu senken, scheint diese Rede wie ein verzweifelter Versuch, die Deutungshoheit zurückzugewinnen.
Beatrice Steineke, ZDF-Korrespondentin
Trump verteidige seine Realität, die die amerikanischen Verbraucher in ihrem Portemonnaie nicht spüren würden.
Demokraten: Trump sucht Schuldigen für "gescheiterte Politik"
Der demokratische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, reagierte auf Trumps Ansprache mit dem Fazit:
Es war eine verstörende Rede, die natürlich nichts mit der Realität und der Wahrheit zu tun hatte.
Hakeem Jeffries, Demokrat
Der US-Präsident erkenne etwa nicht an, dass seine Zollpolitik die "Kosten für den Durchschnittsamerikaner um Tausende von Dollar pro Jahr" erhöht habe.
Trump bemühe sich verzweifelt, einen Schuldigen für seine "gescheiterte Politik" zu finden, indem er die Krise der hohen Lebenshaltungskosten als "demokratischen Schwindel" darstelle. Aber Umfragen zeigten, dass die Amerikaner sehr wohl wüssten: "Dies ist die Wirtschaft der Republikaner und sie ist eine völlige Katastrophe."
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11.12.2025 | 57:42 minZustimmung für Trumps Wirtschaftspolitik kommt dagegen vom republikanischen Senator Lindsey Graham. Die Wirtschaft entwickele sich "in die richtige Richtung" - etwa bezogen auf Energie, Wohnen, Löhne und Gesundheitswesen. Die Verbraucher sollten Geduld haben. US-Präsident Trump habe in seiner Rede nicht nur gesagt, das Beste komme noch, sondern es auch gezeigt. Er habe "dem amerikanischen Volk bewiesen, dass es in Sachen Wohlstand und Sicherheit nächstes Jahr um diese Zeit einen großen Unterschied geben wird", so Graham.
Trump erwähnt Ukraine und Venezuela nicht
Mit keinem Wort erwähnte der US-Präsident den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine - und das in einer Woche, in der in Europa ein Treffen von Top-Politikern auf ein anderes folgt. Auch namentlich nicht genannt: Venezuela. Dabei hatte Trump noch am Vortag den Druck auf den autoritär regierenden Präsidenten Nicolás Maduro massiv verstärkt und eine Blockade von sanktionierten Öltankern vor der dortigen Küste angeordnet. Doch Trump ließ das Thema außen vor - er streifte lediglich den Kampf gegen Drogenschmuggel auf See, der erfolgreich verlaufe.
US-Präsident Trump verschärft den Konflikt mit Venezuela weiter. Er ordnete eine Seeblockade aller sanktionierten Öltanker an, die das Land anlaufen oder verlassen.
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