Nationalgarde in US-Hauptstadt:Warum Trump Soldaten patrouillieren lässt
Sicherheit als Vorwand? Die Gewaltverbrechen sinken, doch Präsident Donald Trump ruft die Nationalgarde. Was hinter der Maßnahme steckt.
Wegen angeblich ausufernder Kriminalität setzt US-Präsident Trump die Nationalgarde in Washington ein. Obdachlosen droht er mit der Vertreibung aus der Hauptstadt.
12.08.2025 | 2:50 minMilitärfahrzeuge vor dem Bahnhof "Union Station", patrouillierende Nationalgardisten auf der "National Mall", Polizisten kontrollieren Essenslieferanten: Offiziell sollen die Maßnahmen in Washington D.C. "Recht und Ordnung" wiederherstellen. US-Präsident Donald Trump stützt sich dabei auf ein jahrzehntealtes Notfallgesetz, das ihm für 30 Tage die direkte Kontrolle über die Polizei erlaubt. Die autorisiert er vor einer Woche, "zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen".
Um ihrem Präsidenten den Rücken zu stärken, besuchten US-Vizepräsident J.D. Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth stationierte Nationalgardisten heute an der "Union Station" und posierten mit ihnen in einem Schnellrestaurant. Der Protest folgt prompt. Demonstranten riefen "Free DC" (Befreit Washington) und buhten lautstark. Vance reagierte spöttisch und sprach von einer "Gruppe verrückter Demonstranten".
Trump spricht von "Befreiungsschlag"
Der Präsident hatte in einer Ansprache letzte Woche angekündigt, "etwas, das außer Kontrolle geraten ist", unter Kontrolle zu bringen, "so wie wir es an der Südgrenze getan haben". Dort ließ er Anfang des Jahres 10.000 Soldaten stationieren. Jetzt also die Hauptstadt.
Trump nennt es einen Befreiungsschlag:
Heute ist der Tag der Befreiung in Washington, D.C., und wir werden unsere Hauptstadt zurückerobern.
Donald Trump, US-Präsident
Am Wochenende folgten mehrere republikanisch regierte Bundesstaaten Trumps Aufruf: West Virginia, South Carolina und Ohio entsandten zusätzliche Nationalgardisten. Die Zahl der eingesetzten Truppen liegt inzwischen bei über 1.800.
Trump setzt in Washington Soldaten gegen Obdachlose ein. Damit verschärft er laut Demokraten eine Politik, die soziale Spaltungen in den USA vertieft.
12.08.2025 | 1:31 minMordrate in Washington D.C. auf 30-Jahres-Tief
In Trumps Darstellung ist es eine Rettungsaktion, um die Hauptstadt vor "Verbrechen, Blutvergießen, Chaos, Elend und Schlimmerem" zu bewahren. In der Realität richtet sich sein erster Schritt jedoch gegen die Schwächsten: Obdachlose.
Wie Flegrette Rippy. Sie sagt:
Gebt uns ein Zuhause. Dann wären wir drinnen statt draußen. Aber ihr wollt uns ja einfach zu den Ratten geben.
Flegrette Rippy, Obdachlose in Washington D.C.
Genau das, fürchten Aktivisten, passiert nun. Die ersten Zelte in den Parks wurden bereits entfernt, und die Betroffenen ohne Alternative "weit weg von Washington" gebracht.
Kriminalitätsrate in Washington D.C.
Zwar stellen Gewaltverbrechen, häufig im Zusammenhang mit Drogenhandel, in einigen armen, überwiegend schwarzen Vierteln Washingtons weiterhin ein Problem dar. Dennoch widersprechen die offiziellen Kriminalitätszahlen Trumps dramatischer Darstellung: Die Gewaltverbrechen sind 2025 deutlich zurückgegangen. Die Mordrate befindet sich auf einem 30-Jahres-Tief.
ZDFheute Infografik
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Washington gehört zwar zu den US-Städten mit der höchsten Gewaltkriminalität. Der "Council on Criminal Justice" bestätigte kürzlich aber, dass "seit Sommer 2023 ein deutlicher und starker Rückgang der gemeldeten Gewaltdelikte im Distrikt zu verzeichnen ist". Das widerspricht der Darstellung Trumps, dass die Stadt von einem "Kriminalitätsnotstand" betroffen sei.
Politikwissenschaftler: D.C. ist ein Testlauf
Trumps Vorgehen ist nicht neu. Im Juni hatte Trump gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs 4.000 Nationalgardisten nach Los Angeles entsendet. Offiziell, um "Proteste unter Kontrolle zu bringen". Für Beobachter wie den amerikanischen Wahlrechtsanwalt der Demokratischen Partei, Marc Elias, ist klar: D.C. ist ein Testlauf.
"Es wird sich von Stadt zu Stadt ausbreiten, dann in den Vororten, dann in ländlichen Regionen, bis Donald Trump das Gefühl hat, dass er die volle Autorität über alle Strafverfolgungsbehörden in diesem Land hat", betont Elias.
In letzter Konsequenz geht es ihm um freie und faire Wahlen. Sie sind der Grundstein, das Juwel dessen, was er untergraben will.
Marc Elias, Experte für Wahlrecht
Laut einem Bericht der "Washington Post" plant die Regierung die Einrichtung einer "schnellen Eingreiftruppe für zivile Unruhen" - mit 600 Nationalgardisten, innerhalb einer Stunde einsatzbereit. Die Soldaten würden auf Militärstützpunkten in Alabama und Arizona stationiert, zuständig für Gebiete östlich und westlich des Mississippi.
Neue Wahlkreise, streng kontrollierte Museen und die Nationalgarde in der Hauptstadt: Präsident Trump sorgt mit seinen Entscheidungen für eine bedenkliche Entwicklung in den USA.
20.08.2025 | 3:04 minAuch US-Politikwissenschaftler Cas Mudde sieht hinter diesem Vorgehen mehr als nur symbolische Machtpolitik:
Der Machtgriff ist Teil einer umfassenderen Agenda, einen tief autoritären und personalisierten Staat zu schaffen.
Cas Mudde, Professor an der Universität Georgia
Für Trump sei die Inszenierung von Städten mit hohem Anteil von People of Colour wie Washington als Orte von Gewalt und Chaos ein gezieltes Kalkül. Solche Städte gelten in rechtsextremen Erzählungen als "anders", "gefährlich" und dienen dazu, Angst und Polarisierung zu schüren.
Gleichzeitig festige dies die Vorstellung, demokratisch geführte "schwarze" Städte seien "schwach" und bedrohten das weiße, konservative "Heartland".
Mudde: Trump will Demokraten schwächen
Mudde erklärt, dass der Diskurs eine jahrzehntelange Tradition widerspiegle, die Trump selbst immer wieder bedient habe: Etwa bei seiner Wahlkampagne 2024, in der er Städte wie Philadelphia als "von Gewalt zerstört" bezeichnete. "Indem Trump diese Städte als Gefahr darstellt, verbindet er Autoritarismus mit Fremdenfeindlichkeit und mobilisiert so seine Basis", sagt Mudde. Außerdem könne er so von den Epstein-Files ablenken.
Der Schritt, die Bundespolizei direkt unter seine Kontrolle zu bringen und Nationalgardisten in Innenstädte zu entsenden, sei kein vorübergehendes Machtmanöver, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden Strategie: die staatliche Gewalt nach innen zu verschieben, demokratische Kontrolle zu schwächen und das Gewaltmonopol zunehmend zu personalisieren.
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.
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