Tansania vor den Wahlen: Hoffnung auf Reformen anstatt Gewalt

Wahlen werden zur Zerreißprobe:Tansania zwischen Gewaltherrschaft und Reformen

von Justus Flöter, Nairobi

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Entführte Regierungskritiker und ein Oppositionsführer, dem die Todesstrafe droht. Im ostafrikanischen Tansania finden Ende Oktober Wahlen statt - unter schwierigen Bedingungen.

"No Reforms, No Election" - keine Wahl ohne Reformen. Mit diesem Slogan auf seinem T-Shirt steht Tansanias Oppositionsführer Tindu Lissu seit Monaten vor Gericht. Lissu von der Partei Chadema (Partei für Demokratie und Entwicklung) galt als größter Herausforderer der amtierenden Präsidentin, seit April aber ist er in Haft und muss sich wegen angeblichen Hochverrats vor Gericht verantworten.

Oppositionsführer in Haft

Die Anklage wirft ihm vor, auf einer Wahlkampfveranstaltung im April zur Rebellion und zum Wahlboykott aufgerufen zu haben. Es dürfe keine Wahlen geben, ohne dass es vorher ernsthafte demokratische Reformen gebe, hatte seine Partei Chadema gefordert - eben "No Reforms, no Elections".

Denn die geltenden Gesetze und Vorschriften begünstigten die Regierungspartei von Präsidentin Samia Suluhu Hassan - das prangerte Lissus Partei schon länger an. Seit seiner Festnahme sitzt der 57-jährige Oppositionelle in einem Hochsicherheitsgefängnis im Todestrakt, obwohl er noch nicht einmal verurteilt ist.

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 "Die Demokratie ist im Gefängnis"

Ein hochrangiges Parteimitglied von Lissus Partei Chadema, das aus Sorge vor Repressionen nicht genannt werden will, spricht gegenüber dem ZDF von einer Kampagne gegen jede Opposition. Tindu Lissu sitze hinter Gittern und mit ihm noch viel mehr: "Die Demokratie ist im Gefängnis", sagt der Parteikollege.

Der Prozess dürfte sich noch hinziehen - über die Wahlen am 29. Oktober hinaus. Die Anklage hat 30 Zeugen angekündigt. Parteikollegen und Familienmitglieder, die aus Selbstschutz nicht näher genannt werden möchten, vermuten ein Komplott: Die amtierende Regierung wolle in erster Linie Zeit schinden.

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Nachdem Lissus Anwälten zu Beginn des Prozesses der Zugang zu ihm - laut seiner Aussage - verwehrt wurde, vertritt er sich jetzt selbst. Bereits unter dem verstorbenen Präsident Magufuli war Tindu Lissu politischer Verfolgung ausgesetzt und überlebte 2017 ein Attentat mit 16 Schusswunden.

Tansanias Präsidentin regiert mit harter Hand

Die Regierungspartei CCM regiert Tansania seit der Unabhängigkeit Tansanias im Jahr 1961. Die amtierende Präsidentin Samia Suluhu Hassan, auch "Mama Samia" genannt, kam 2021 an die Macht. Nachdem ihr Vorgänger, John Magufuli, autokratisch regiert hatte, hofften viele auf mehr Demokratie in dem ostafrikanischen Land.

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Zu Beginn ihrer Amtszeit sah es so aus, als ob Hassan eine politische Öffnung und mehr Demokratie im Land ermöglichen würde. Die 65-jährige Muslimin ließ Kundgebungen anderer Parteien zu, traf sich mit Tindu Lissu und erlaubte vier Tageszeitungen, wieder zu berichten. Dabei setzte sie auf ihre Philosophie der sogenannten "4R": "Reconciliation, Resilience, Reforms, Rebuilding" - zu Deutsch: Versöhnung, Widerstandskraft, Reformen und Wiederaufbau.

Das hat sich mittlerweile umgekehrt. Und ohne die Zulassung von Oppositionsführer Tindu Lissu und seiner Partei mangelt es bei den Wahlen am 29. Oktober an aussichtsreichen Gegenkandidaten. Mariel Reiss von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sagt:

Die Wahlen laufen Gefahr, ein reiner Verfahrensakt ohne Legitimität zu werden.

Mariel Reiss, Amnesty International

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Meinungsfreiheit in Gefahr

Es treten zwar offiziell noch 16 andere Parteien zur Wahl in Tansania an, Menschenrechtsaktivisten, wie etwa von Human Rights Watch und Amnesty International, befürchten jedoch eine reine Farce - und sogar mögliche Stimmenfälschungen stehen im Raum. Zwar gibt es nach der aktuellen Verfassung eine Wahlkommission. Deren Mitglieder aber werden von Staatspräsidentin Hassan selbst eingesetzt.

Meinungsfreiheit und grundlegende Menschenrechte seien in großer Gefahr, sagt Menschenrechtlerin Reiss von Amnesty International: "Zahlreiche Fälle von Entführungen und Tötungen von Oppositionellen sowie Aktivistinnen und Aktivisten ohne Verurteilung sind dokumentiert. Es kam nicht einmal zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Täterinnen und Täter."

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Laut Amnesty International würden die Behörden unter Präsidentin Hassans Aufsicht zunehmend repressiv gegen Widerstand vorgehen: der ehemalige Botschafter für Kuba etwa wurde aus seinem Haus entführt, nachdem er Kritik an der Regierung geäußert hatte.

Arbeit von Journalisten wird behindert

Im Zuge der Wahl wird auch die journalistische Berichterstattung zunehmend schwieriger. Die tansanische Journalistin Maria Sarungi Tsehai wurde für einen Tag entführt, nachdem sie kritisch über die Regierung berichtet hatte. Die Organisation Reporter ohne Grenzen berichtet von Verhaftungen auch anderer Journalisten.

Bei der letzten Wahl 2020 hatte Tansanias Regierung kurzerhand das Internet abgestellt, um Oppositionelle und Berichterstatter in ihrer Arbeit zu behindern. Der damalige Präsident Magufuli gewann die Wahl damals mit 84 Prozent.

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