IT-Fachkräftemangel in Deutschland: Hilfe aus Ruanda?

IT-Fachkräfte aus Ostafrika:Leben in Ruanda, arbeiten für Deutschland

von Susann von Lojewski
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Immer mehr Unternehmen suchen IT-Support in Ruanda. Die Digital-Talente sind gut ausgebildet, sprechen fließend Englisch und arbeiten remote. Ihr Wohnort bleibt in Ostafrika.

ruanda
Während viele afrikanische Länder unter dem Abwandern gut ausgebildeter Fachkräfte leiden, gelingt Ruanda ein Gegenmodell: IT-Talente bleiben im Land – auch dank internationaler Kooperationen.09.04.2025 | 3:32 min
Aristote Katy sitzt in einem engen Raum, umgeben von etwa 20 Kollegen. Die Luft ist stickig. Der 32-Jährige bearbeitet seine Tastatur, auf seinem Monitor flimmern Zahlen. Aristotes Büro liegt am Stadtrand von Kigali, Ruandas Hauptstadt. Sein Arbeitgeber ist tausende von Kilometern entfernt: AmaliTech, ein Unternehmen, das Mitarbeiter für SAP-Support sucht und an Firmen vermittelt. Weil IT-Fachkräfte in Deutschland immer mehr zur Mangelware werden, hat die Firma woanders nach Talenten gesucht und wurde fündig im ostafrikanischen Ruanda.

Ausbildung in Deutschland: Suche nach Gemeinsamkeiten

Aristote Katy war schon einmal in Deutschland, in Heidelberg. Es war sein erster Flug. In einem längeren Training wurde er vertraut gemacht mit dem, was auf ihn zukommt, und er lernte die deutschen Kollegen kennen. So ganz unterschiedlich seien Ruander und Deutsche nicht, sagt er schmunzelnd.
"Wir Ruander machen Dinge auch gerne so, dass sie vielleicht nicht perfekt sind, aber so, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sein können", sagt Aristote Katy.

Wir analysieren auch viel, das ist ein bisschen so wie bei den Deutschen. Das macht die Zusammenarbeit einfacher.

Aristote Katy, IT-Analyst

Von seinem stickigen Arbeitsraum in Kigali aus arbeitet der junge Mann gemeinsam mit anderen ruandischen Kollegen für die Firma Sovanta AG. Ein Beratungsunternehmen mit Sitz in Heidelberg. Deren operativer Geschäftsführer Michael Kern ist von dem Modell begeistert: "Wir haben kaum eine Zeitverschiebung nach Ruanda, das ist ein Vorteil. Und weil die Schulausbildung auf Englisch stattfindet, haben die Kollegen dort gute Voraussetzungen."
 Leipzig: Ein angehender Dachdecker zeichnet einen Dachziegel auf der Messe «Handwerk live». Am gleichen Tag findet hier das Handwerksforum Ost zum Thema «Nachwuchs- und Fachkräftemangel im Handwerk - Was ist zu tun?» statt.
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Junge Leute, junge Unternehmen

Überall in Ruanda trifft man auf ähnliche Geschäftsmodelle. In einem hippen Start-up-Haus im Zentrum Kigalis sitzt die Firma Testsolutions. Testsolutions ist ein junges Unternehmen, das sich mit Softwaretesting ebenfalls für den deutschen Markt beschäftigt. Seine Mitarbeiter sitzen in dem Co-Working-Space verteilt an einzelnen Schreibtischen, für eine fixe Summe im Monat kann man Internet, Konferenzräume oder auch kleine Einzelbüros mieten. Menschen aus aller Welt arbeiten hier, viele haben ihre Arbeitgeber in den USA, Kanada oder eben in Deutschland.

Unser Land hat die nötige Infrastruktur geschaffen, vor allem an den Universitäten. Wir haben viele junge Menschen - das ist ein Riesenvorteil.

Isabelle Bucyeyeneza, Managing Director von Testsolutions

Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter in Ruanda bei unter 20 Jahren. Das kleine Land - etwa so groß wie Rheinland-Pfalz und das Saarland zusammen - hat nicht viel, woraus es Geld machen kann, und setzt daher vor allem auf gut ausgebildeten akademischen Nachwuchs. Menschen wie Joy Uwase, die als IT-Analystin für Testsolutions arbeitet, verdienen etwa 1200 Euro brutto im Monat. Deutlich mehr als das Durchschnittsgehalt in Ruanda, für deutsche Firmen dagegen ein "Schnäppchen".
Mirko Drotschmann in der rechten Bildhälfte, links von ihm ein Tutsi in eine Decke eingewickelt
Am 7. April 1994 beginnt der der Völkermord in Ruanda. Mit circa 800.000 Ermordeten gilt der Genozid an den Tutsi als eines der schwersten Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg. 04.04.2024 | 13:58 min
Die jungen Menschen schätzen jedoch nicht nur den Verdienst, sondern auch, dass sie ihr Heimatland nicht verlassen müssen. "Ich wüsste nicht, warum ich nach Deutschland gehen sollte," sagt die 30-jährige Joy Uwase.

Hier habe ich die gleichen Möglichkeiten und außerdem ein gutes Gehalt.

Joy Uwase, IT-Analystin

Das Team von Testsolutions hat den ersten Fan-Club des FC Bayern München in Ruanda gegründet. Ganz umstritten ist der wegen der politischen Situation im Land bis heute nicht. Die jungen Leute aber ficht das nicht an. Sie träumen davon, einmal in die Allianz-Arena zu kommen - um dann zum Arbeiten zurück nach Ostafrika zu fliegen.
Susann von Lojewski ist Leiterin des ZDF-Studios Nairobi.

Rwanda Classified
:Der lange Arm Ruandas nach Europa

Ruanda hat einen guten Ruf - ob beim FC Bayern oder bei Jens Spahn. Doch internationale Recherchen zeigen: Das Regime in Kigali verfolgt Kritiker bis nach Europa.
von S. Baumann, B. Obermayer, M. Retter
Ruandas Präsident Paul Kagame
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Quelle: dpa

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