Radsport in Ruanda: Die Straßenrad-WM als Sportswashing

Erste Straßenrad-WM in Afrika:Wie Ruanda den Spitzensport politisch nutzt

Porträt von Susann von Lojewski, ZDF-Auslandsstudioleiterin Nairobi
von Susann von Lojewski
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Der Slogan "Visit Ruanda" ziert Fußballtrikots von Paris Saint-Germain und Arsenal London. Jetzt macht das kleine Land durch das nächste internationale Sportevent von sich reden.

Radsport: Erste Rad-WM in Afrika

Es ist eine Premiere, wenn am Wochenende die Straßenrad-Weltmeisterschaften in Ruanda beginnen. Denn es ist die erste Ausgabe in Afrika. Am Sonntag geht es los mit dem Zeitfahren.

19.09.2025 | 1:47 min

Leise dringt Loungemusik aus den Lautsprechern, der Teppich ist frisch gesaugt, Menschen unterhalten sich dezent an der Bar - willkommen in Ruanda. In einem Luxushotel in der Hauptstadt Kigali bereiten sie sich seit Wochen auf die Gäste aus aller Welt vor, die in diesen Tagen in das kleine ostafrikanische Land kommen. Zum ersten Mal findet eine Straßenrad-Weltmeisterschaft in Afrika statt - und dass die genau nach Ruanda kommt, verwundert nicht. Seit Jahren nutzt die Regierung des Präsidenten den Spitzensport, um Ruanda in der Welt bekannt zu machen.

Paul Kagame vermarktet das Land auf die richtige Art und Weise.

Samir Ramdial, Hotelmanager

"Von der Situation im Jahr 1994 nach dem Völkermord bis zum heutigen Stand ist es einfach bemerkenswert, dass Ruanda das sauberste und sicherste Land Afrikas ist, eines der herausragenden Länder Afrikas, das anderen afrikanischen Präsidenten den Weg weist und vorangeht", sagt Hotelmanager Samir Ramdial.

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Strikte Vorschriften werden aus Angst eingehalten

Tatsächlich unterscheidet sich Ruanda in vielem von anderen afrikanischen Ländern. Die Straßen sind - zumindest rund um die Hauptstadt - gut ausgebaut, sauber und ohne Schlaglöcher. Verkehrsteilnehmer halten sich an Ampelschaltungen, geparkt wird nur dort, wo es auch erlaubt ist. Jede Ruanderin und jeder Ruander fürchtet die Macht des Staatsapparates und hält sich strikt an die Vorschriften. Die wenigsten Menschen stellen die Politik ihres Präsidenten in Frage, sondern sind mit seiner rigiden Führung einverstanden. "Wissen Sie: Wir sind das nächste Singapur," sagt eine Passantin stolz.

Wir haben ein sehr schönes Land, saubere und freundliche Menschen und natürlich Ressourcen.

Ruandische Bürgerin

Ruanda, ein Land der Stabilität - mit dem der Westen gut zusammenarbeiten kann. Der Preis für diese Entwicklung ist hoch, die wenigen Widerworte sind nicht erwünscht und werden brutal geahndet. Erst unlängst wurde die Oppositionelle Victoire Ingabire erneut verhaftet. Angeblich wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dabei darf Ingabire seit Jahren das Land nicht verlassen.

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Paul Kagame
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Engagement im Spitzensport lenkt von Menschenrechtsverletzungen ab

Da eignet sich das Engagement im Spitzensport hervorragend, um von solchen Menschenrechtsverletzungen abzulenken. "Ruanda versucht, die positiveren Seiten des Landes zu präsentieren: seine Freundlichkeit gegenüber dem freien Markt, gegenüber kapitalistischen Unternehmungen, gegenüber Touristen, die kommen und all die schönen Orte besuchen, die es in Ruanda zu sehen gibt", sagt Dr. Itamar Dubinsky von der Ben-Gurion-Universität in Israel. Der Politologe forscht seit Jahren zum Thema Sport in Afrika und wie er Einfluss auf die Entwicklung eines Landes nimmt. Experten wie Dubinsky sprechen von "Sportswashing": Regierungen nutzen den Sport, um ihr angeschlagenes Image aufzupolieren.

Ich denke, dass Ruanda sich vielleicht an dem orientieren könnte, was Katar durchgemacht hat.

Dr. Itamar Dubinsky, Politologe, Ben-Gurion-Universität Israel

"Und vielleicht hofft die RPF, die Partei des Präsidenten, dass die Kritik mit der Zeit verstummen wird, und wir nur noch positive Seiten über Ruandas Sportdiplomatie hören werden", so Dubinsky.

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Mauer des Schweigens über Politik von Kagame

Tatsächlich scheint dieses Rezept aufzugehen. Wer in diesen Tagen über die Politik des Präsidenten sprechen möchte, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Wochenlange Interviewanfragen der ZDFheute an die Sportministerin des Landes bleiben unbeantwortet. "Sie ist sehr beschäftigt", heißt es von anderer Stelle. Selbst Jacques Landry, Direktor beim Weltradverband UCI (Union Cycliste Internationale), lobt die Zusammenarbeit mit den Regierungsstellen in Vorbereitung der Straßenrad-WM und fügt an: "Ich würde nicht sagen, dass es für uns ein politisches Thema ist, wir sehen hier keine Politik, wir konzentrieren uns im Wesentlichen auf die Athleten und die Verbände, die über die Mittel verfügen." So wie Ruanda eben - das Rezept der Regierung scheint aufzugehen.

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Susann von Lojewski ist Korrespondentin und Studioleiterin im ZDF-Studio in Nairobi.

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