Kakaobauer aus der Elfenbeinküste:Wer vom Rekordpreis bei Schokolade profitiert und wer nicht
von Anne Höhn-Osterberg, Markus Reichert
Aus der Elfenbeinküste kommt ein Großteil des Kakaos, aus dem unsere Schokolade ist. Woran liegt es, dass die dortigen Bauern trotz Rekordpreise arm bleiben?
Schokolade wird immer teurer - gerade zu Weihnachten tut das Verbrauchern besonders weh. Der Kakao sei schuld, sagen die Hersteller. Doch dahinter steckt mehr: die geheime Macht der Marken.
19.12.2025 | 27:36 minNeugierig beißt Kakaobauer Daouda Diakité in den weich gewordenen Lindt-Weihnachtsmann, bevor er Stücke davon an seine Kinder verteilt.
"Schmeckt wie Kakao", stellt Diakité fest. Seine Kinder greifen schon nach dem nächsten Stück, das Mitbringsel aus Deutschland kommt trotz 30 Grad in der ivorischen Provinz San-Pédro gut an. Diakité schaut nachdenklich.
Obwohl er seit 30 Jahren Kakaobauer ist, probieren er und seine Familie gerade das erste Mal in ihrem Leben Schokolade.
Zur Adventszeit steigt der Schoko-Konsum in Deutschland rasant - im Schnitt 12,8 Kilo pro Kopf und Jahr. Stiftung Warentest hat Schokoladentafeln unter die Lupe genommen.
02.12.2025 | 3:50 minElfenbeinküste einer der größten Kakaoproduzenten
Die Elfenbeinküste ist einer der weltweit größten Kakaoproduzenten, knapp 40 Prozent stammen von hier. Trotzdem kennen viele Menschen den Geschmack von Schokolade nicht. Kakao ist hier Einnahmequelle, kein Genussmittel.
Eine heimische Industrie gibt es nicht, Schokolade muss teuer importiert werden. Der Ausdruck "C’est Choco" steht in der Elfenbeinküste für Luxus.
Diakité führt ZDF frontal durch seine zehn Hektar große Plantage. Als sein Vater sie vor 70 Jahren pflanzte, war Kakao ein sicheres Einkommen. Heute ist das anders. "Schau dir die Erde an", sagt er und nimmt eine Handvoll. "Sie ist rot. Wäre sie nährstoffreich, wäre sie schwarz."
Kakaobauer Daouda Diakité aus der Elfenbeinküste probiert Schokolade.
Quelle: ZDFMal zu viel Regen, mal zu wenig
Das tropische Klima der westafrikanischen Küste ist eigentlich ideal für Kakao. Doch in den letzten Jahren hat es zu viel oder zu wenig geregnet, Hitze und Dürre haben Böden und Kakaobäume ausgelaugt. "Die Erde ist ausgelaugt", sagt Diakité.
Afrika ist vom Klimawandel besonders betroffen. Dürren führen zu Wasserknappheit und zunehmenden Konflikten. Unter Kenias Wanderhirten kommt es zum Kampf um knappe Ressourcen.
02.04.2025 | 16:22 minDas zeigt sich an den Früchten: In der harten Schale liegen längliche, mandelförmige Samen in süßsäuerlichem, weißem Fruchtfleisch. Zwischen den leuchtend orangen Früchten hängen immer wieder verkümmerte, braune Exemplare, die wegen fehlenden Regens vertrocknet sind. Andere schimmern ungesund grün mit braunen, offenen Löchern: Stinkwanzen haben sich in die Schale gebohrt, um den Saft aus den Schoten zu saugen.
Kakaopreis stieg Ende 2024 auf Rekordhoch
Früher lieferte die Plantage zehn Tonnen Kakaobohnen pro Jahr, heute sind es fünf.
Wir ernten weniger. Nur weil der Preis gerade so hoch ist, kommen wir noch über die Runden.
Daouda Diakité, Kakaobauer
Wegen der schlechteren Ernte bei gleichbleibend hoher Nachfrage stieg der Kakaopreis Ende 2024 auf ein Rekordhoch von 12.000 bis über 12.500 US-Dollar pro Tonne. 2023 lag er zur selben Zeit noch bei rund 7.000 US-Dollar pro Tonne.
Innerhalb von zwölf Monaten haben sich die Preise für Schokolade um fast 22 Prozent erhöht. In der Elfenbeinküste, dem Hauptproduktionsland, verschlechtern sich die Anbaubedingungen.
09.12.2025 | 1:40 minDavon landet aber nur ein Bruchteil bei Diakité und seinen Kollegen. Denn die Regierung garantiert den sogenannten "farm-gate price": Das ist der gesetzlich garantierte Mindestpreis, den Bauern direkt auf ihrer Farm "am Tor" für ihr Produkt bekommen.
Das soll die Bauern vor Preiseinbrüchen schützen. Steigt der Preis abrupt und massiv, wie 2024, bekommen sie aber nicht automatisch mehr: Die zuständige Behörde hatte Kakao vor dem Preissprung verkauft und war an die langfristigen Verträge gebunden.
Verdienst steigt nicht automatisch bei höheren Preisen
"5 von 10 Bauern sind arm", erklärt der ivorische Wirtschaftswissenschaftler Séraphin Prao im Gespräch mit ZDF frontal.
Das Durchschnittseinkommen in der Elfenbeinküste ist rund 160 Euro im Monat. Das der Bauern jedoch nur rund 130 Euro.
Séraphin Prao, Wirtschaftswissenschaftler
Es bestehe also eine große Kluft zwischen dem Einkommen der Bauern, die viel mehr zur ivorischen Wirtschaft beitragen, und dem Einkommen der anderen Bürger.
Anbauländer stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Klimawandel, Schädlinge, illegaler Bergbau - die Erträge gehen zurück. Die Rettung der Schokolade braucht innovative Lösungen. In Ghana und in Deutschland geht man dafür ganz unterschiedliche Wege.
26.06.2025 | 29:48 minEx-Diplomat und Chocolatier Alain Kablan Porquet würde deshalb gerne eine eigene Ivorische Schokoladenindustrie aufbauen. Er führt das Bushmann Café, eine Mischung aus Museum, Veranstaltungsort und Schoko-Manufaktur in Abidschan im Süden des Landes.
Rohstoffhändler und multinationale Konzerne profitieren
Er gibt den vielen Zwischenstationen die Schuld am hohen Schokopreis in Europa: "Die Deutschen zahlen mehr, weil es sieben, acht Zwischenhändler zwischen ihnen und den Bauern gibt. Das ist alles." Neben dem ivorischen Staat profitieren große Rohstoffhändler, die den Kakao weiterverkaufen, und multinationale Kakao- und Schokoladenkonzerne. Eine Analyse der Wirtschaftsgenossenschaft BASIC bestätigt Porquets Eindruck. Sie errechnet, dass beispielsweise von einer Tafel Haselnussschokolade gerade mal 9 Prozent an den Kakaobauern gehen.
Laut dem Statistischen Bundesamt ist der Schokoladenpreis im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 22 Prozent gestiegen. Woran das liegt, erklärt Valerie Haller.
26.11.2025 | 1:00 minDie europäische Schokolade, ein Ferrero Rocher, lehnt er dankend ab. "Wenn eine Schokolade mehr als zwei Zutaten hat, schmeißt sie weg", lacht er, seiner Meinung nach braucht es nur Kakao und Zucker. Beides fair trade - idealerweise aus der Elfenbeinküste, so der Wunsch von Porquet. Dann würden nämlich auch die Bauern vor Ort mehr von dem Produkt profitieren, das sie anbauen. Darauf müssen Porquet und auch Kakaobauer Diakité gerade noch warten.
Vom Rekordpreis beim Kakao und den hohen Schokopreisen ist bei Daouda Diakité und seinen Kollegen bislang nichts angekommen. Ob seine Kinder noch vom Kakao werden leben können, bezweifelt er.
Mehr zum Thema Klima und Weltwirtschaft
Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien:Abschlusstext wohl ohne Fahrplan für fossile Energien
mit Video0:22CO2-Bilanz der Reichen:Superreiche haben größten Klima-Fußabdruck
mit Video2:33Monitoring-Bericht der EU:Wie geht es der Umwelt in Europa?
von Birgit HermesErfolg mit Wind und Wasser:Wie Uruguay die Energie-Revolution schaffte
von Tobias Käufer