Flüssiggas aus Russland: Wie LNG nach Deutschland importiert wird

Flüssiggas aus Russland:Über Belgiens Seehafen ins deutsche Gasnetz

von Jan Neflin, Brüssel
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Der Import von russischem Flüssigerdgas in die EU ist nicht sanktioniert, und nahm 2024 deutlich zu. Besonders Belgien importiert - und leitet große Teile nach Deutschland weiter.

Gas-Frachter an LNG-Anlegeterminal
Keine Beschränkung auf die Einfuhr von russischem Flüssiggas: Wie das russische LNG über Belgien auch nach Deutschland kommt.
Quelle: imago images

Russlands Angriffskrieg in der Ukraine findet trotz aller Sanktionen und diplomatischen Bemühungen der EU seit über drei Jahren kein Ende. Je länger der Krieg andauert, desto klarer wird: Will man Russlands Kriegsindustrie nachhaltig schaden, so muss man vor allem die Importe von russischen Energieträgern in die EU und die damit verbundenen Zahlungen von Milliardenbeträgen an Russland verhindern.

Russisches Flüssiggas: Import nicht sanktioniert

Während es jedoch für Öl- und Kohleimporte aus Russland bereits Beschränkungen gibt, ist das bei der Einfuhr von russischem Gas bisher nicht der Fall.
Neben den großen Gaspipelines durch Osteuropa sind dabei auch Importe von Flüssigerdgas (LNG) per Schiff von Bedeutung. Während das Gesamtvolumen von Gasimporten aus Russland seit Beginn des Krieges deutlich zurückgegangen ist, importierten europäische Staaten laut Zahlen der Deutschen Umwelthilfe allein 2024 19 Prozent mehr russisches Flüssigerdgas als im Vorjahr.
Blick auf den Tanker «Eventin» vor der Küste der Insel Rügen.
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Weiterhin Abhängigkeit von russischem Gas

Die größten Abnehmer: Spanien, Frankreich, und besonders Belgien. 44 Prozent der gesamten Importmenge flüssigen Erdgases kamen hier 2024 aus Russland, wie Zahlen des Datenanbieters Kpler belegen.
Dieser hohe Anteil russischer Flüssiggasimporte ist doppelt problematisch, erklärt Angelos Koutsis vom belgischen Umweltverband "Bond Beter Leefmilieu" im Interview mit ZDFheute: "Einerseits finanzieren wir die russischen Kriegsanstrengungen, aber auf der anderen Seite riskieren wir auch eine weitere Energiekrise, weil wir immer mehr Abhängigkeit von russischem Gas schaffen, anstatt diese zu verringern." Gleichzeitig nehme ein großer Teil der belgischen Öffentlichkeit diese Gefahr gar nicht wahr:

Viele Belgier denken, dass das Problem bereits gelöst wurde, und sind sich nicht bewusst, dass unsere Abhängigkeit von Russland immer noch andauert.

Angelos Koutsis, Umweltaktivist

16.08.2022, Niedersachsen, Rehden: Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH).
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Etikettenschwindel bei Herkunft des Gases

Dabei befindet sich der größte Umschlagplatz für russisches Flüssigerdgas in Belgien. Fast 7 Milliarden Kubikmeter russischen Gases wurden 2024 im Seehafen von Zeebrügge umgesetzt, ungefähr die Hälfte dort in das Gasnetz eingespeist. Doch nur ein Teil davon wird am Ende auch wirklich in Belgien verbraucht, so Experte Koutsis: "Ein Viertel des Gases verbrauchen wir in Belgien, aber der Rest geht hauptsächlich durch Deutschland." Gleichzeitig tauchten diese indirekten Importe aus Russland in den deutschen Büchern jedoch nur als belgisches Gas auf. Dieser Etikettenschwindel bringe für die Beteiligten Vorteile mit sich, da Belgien gleichzeitig auch Flüssigerdgas aus dem benachbarten Dünkirchen in Frankreich importiere:

So hat niemand Schuld. Offiziell verbrauchen weder Belgien noch Deutschland viel russisches Gas - insgesamt steigen die europäischen Importe aber.

Angelos Koutsis, Umweltaktivist

Johann Wadephul in Brussels
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Vollständiges EU-Verbot gegen "Reinwaschen"?

Und das, obwohl Deutschland eigentlich unabhängig von russischen Gasimporten sein will. Während das reine Verschiffen und Umladen von russischem Flüssigerdgas mit Ziel außerhalb der EU in europäischen Häfen seit dem Herbst letzten Jahres verboten ist, gibt es bis heute noch keine Regelung für den Import und die Weiterreichung des Gases innerhalb der EU - und das damit verbundene "Reinwaschen" russischen Gases. Umweltaktivist Angelos Koutsis setzt seine Hoffnung vor allem in den Fahrplan der EU, der Anfang Mai vorgestellt wurde und ein vollständiges Verbot russischer Gasimporte bis Ende 2027 vorsieht. Im Juni soll ein konkreter Gesetzesvorschlag vorgelegt werden - und Ende des Jahres erste Maßnahmen in Kraft treten.

Flüssigerdgas - oder LNG (Liquified Natural Gas) - wird nach der Förderung durch Komprimierung und Abkühlung verflüssigt und anschließend in speziellen doppelwandigen Kryotanks per Schiff oder LKW zum Zielort transportiert. Erst dort wird es in sogenannten LNG-Terminals wieder in Gas umgewandelt und in das lokale Gasnetz eingespeist. Seitdem die EU als Reaktion auf die Invasion in der Ukraine immer weniger russisches Erdgas über Gaspipelines bezieht, setzt Russland in den vergangenen Jahren mehr und mehr auf den Export von Flüssigerdgas per Schiff - auch nach Europa.

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