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Präsidenten-Stichwahl:Wohin steuert das Nato-Land Rumänien?
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Rechtsruck oder eine Fortsetzung des EU-Kurses? Bei der Stichwahl in Rumänien treten mit dem ultrarechten Simion und dem Pro-Europäer Dan zwei Weltbilder gegeneinander an.
In Rumänien könnte an diesem Sonntag eine neue politische Zeitrechnung beginnen. Rund 18 Millionen Menschen sind aufgerufen, sich bei der Präsidenten-Stichwahl für ein neues Staatsoberhaupt zu entscheiden.
Politologen warnten zuletzt vor einem außenpolitischen und rechtsstaatlichen "Desaster", sollte es Rechtsaußen George Simion gelingen, auch im zweiten Wahlgang zu siegen. Unter ihm stünde dem proeuropäischen Nato-Land eine tiefgreifende Umgestaltung bevor.
Viele Rumänen wütend über Inflation und Korruption
Simions Sieg im ersten Durchgang hatte vor zwei Wochen ein politisches Erdbeben in dem östlichen EU-Land ausgelöst. Am Tag nach der Wahl trat Ministerpräsident Marcel Ciolacu zurück, da er für seine prowestliche Regierungskoalition "keine Legitimität" mehr sah: Der Kandidat des Establishments, Crin Antonescu, hatte es nicht in die Stichwahl geschafft.
Viele Rumänen feierten Simions ersten Platz als "Sieg über das System" - eine in ihren Augen zutiefst korrupte Clique, verantwortlich für steigende Inflation und Lebenshaltungskosten.
Mögliche Folgen eines Siegs von Simion
Bei der Stichwahl geht es nun um Rumäniens europäische und demokratische Zukunft. Simion hatte angekündigt, als Staatschef gegen die EU aufzustehen und die Militärhilfe für die Ukraine zu streichen. Auch könnte er die Versorgung des Nachbarlandes und die Ausfuhr ukrainischen Getreides blockieren. Kiew und auch Moldau belegten Simion mit einem Einreiseverbot, nachdem er dort Gebietsansprüche gestellt hatte.
In Bukarest und Brüssel geht derzeit die Angst um vor einer möglichen "neofaschistischen Regierung, die eindeutig nach Russland orientiert ist", so der Osteuropa-Historiker Oliver Jens Schmitt. Am diesem Sonntag werde sich zeigen, ob Rumäniens proeuropäische Kräfte noch einmal mobilisieren könnten.
"Hölzerner" Dan soll Rechtsaußen Simion verhindern
Der Mann, der Simion an der Staatsspitze verhindern soll, ist Nicusor Dan, studierter Mathematiker, zuletzt Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest. Und von einigen Beobachtern mitunter als "hölzern" und "knochentrocken" beschrieben. Kann ausgerechnet ein Intellektueller Rumäniens konservative Landbevölkerung und die enttäuschten Auslandsrumänen - beide überwiegend Simion-Wähler - überzeugen?
Tatsächlich gebe es in der jüngeren Geschichte Rumäniens mehrere Beispiele, bei denen der Zweitplatzierte des ersten Wahlgangs nach der Stichwahl Präsident geworden sei, erinnert Katja Plate, Landesdirektorin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest. "Hinzu kommt, dass die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang mit rund 52 Prozent gering war."
Für wen entscheiden sich die Anhänger der Wahlverlierer?
Die Entscheidung über Rumäniens künftige Ausrichtung könnte mit Hilfe der Wähler Antonescus, des ausgeschiedenen Kandidaten der Regierungskoalition, fallen. Plate geht davon aus, dass sich Unterstützer der Nationalliberalen Partei und der Ungarn-Partei eher auf die Seite des Proeuropäers Dan schlagen. Wähler der Sozialdemokraten - "traditionalistisch und durchaus konservativ geprägt" - könnten Simion unterstützen.
Allerdings hat er [Simion] sich in den letzten Tagen etliche Patzer im Wahlkampf geleistet und machte auch in einer Fernsehdebatte mit Nicusor Dan keine allzu überzeugende Figur.
Katja Plate, Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest
Was in den Augen vieler Rumänen ebenfalls für Dan spricht: Auch der 55 Jahre alte Parteilose gehört nicht dem Establishment an, außerdem gilt er als Kämpfer gegen Korruption. Nichtsdestotrotz meint Plate:
Die Ausgangslage nach dem ersten Wahlgang sieht günstig aus für George Simion.
Katja Plate, Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest
Ein Nutznießer einer Simion-Präsidentschaft stünde fest, sind etliche Experten überzeugt: Der Kreml würde händereibend zusehen, wie Rumänien von einem westlich orientierten Bollwerk zu einem Destabilisator in der EU wird, neben Ungarn und der Slowakei. Dass ihr Land bald ein offenes Tor für Moskau nach Europa sein könnte, ist für viele Rumäninnen und Rumänen indes eine Horrorvorstellung.
Quelle: Markus Schönherr, KNA
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